Donnerstag, 3. März 2011

Richtig oder falsch

Es ist das Gefühl, all das schon etliche Male gehört zu haben. Besser und richtiger. Und nicht als Abgesang in eigener Sache (...)"
Was wie ein aktueller Kommentar zur Bundespolitik klingt, stammt aus einer Musikkritik, die der Berliner Tagesspiegel gestern veröffentlichte. Den Satz las ich dreimal.

Richtiger Umgang mit Sprache will gelernt sein, und das am besten von klein auf. Aber richtiger wie im Zitat gibt es ebenso wenig wie "ein bisschen Frieden", mit dem eine gewisse Nicole 1982 für Deutschland den Eurovision Song Contest gewann. Meine Mutter kommentierte das einstmals spontan mit: "Klingt wie ein bisschen schwanger". Das war als Feststellung auch kaum falscher als die medialen Beschwichtigungen der damaligen Zeit zu den immer kürzeren Vorwarnzeiten der stets komplexer werdenden atomaren Verteidigungstechnologien.

In diesem Zusammenhang ein aktueller Tipp. Im Netz fand ich den Film "1983 - als die Welt am Abgrund steht" als Sendung der Reihe ZDF history. Herzlichen Glückwunsch an Filmautor Andreas Orth! (TV-Wiederholungstermin unten. Nach Ablaufen der Mediathek-Präsenz hoffe ich auf die online-Veröffentlichung des Filmskripts.)

Ich hörte schon damals genau hin. Als Ost-West-Teenager las und sammelte ich die offiziellen Statements dies- und jenseits der Mauer in Sachen geopolitischer Situation meines Geburtslandes mit seinen zwei Teilen — womit ich zumindest in der DDR (wissentlich) gegen bestehende Gesetze verstoßen habe. Damals lernte ich, was Quellenstudium bedeutet ... und von meinem Vater das Wort "Ganzsache". (Dann galt es nur noch, nicht aufzufallen: einerseits offensichtlich zu agieren und andererseits alles in ein harmlos anmutendes Umfeld einzubetten.)

Mich hat diese frühe Erfahrung —  die Mauer ging durch unsere Familie mittendurch und ich wusste mit 16, dass Deutschland Ost und West als Schlachtfeld eines heißlaufenden Kalten Krieges auserkoren worden war — geprägt: Darauf zu hören, wer was mit welchen Worten sagt, was die Absichten dahinter sein könnten, was unausgesprochen bleibt und was von den Medien gebetsmühlenartig vorgebracht wird, bis es auch von schlichteren Gemütern sinnentleert nachgeplaudert werden kann, war in einem Land mit gefilterten Nachrichten wichtig.

Ja, auch das hat mich mit größtem emotionalem Druck auf einen Beruf vorbereitet, von dessen Existenz ich damals nur vage Vorahnungen besaß. Als Dolmetscherin muss ich heute noch auf beides hören, auf das gesprochene Wort und den Subtext, denn ich sollte, will ich meine Arbeit gut machen, erahnen, was als nächstes kommen wird.

Ich lese gerade meinen Eintrag nochmal durch und wundere mich selbst über den großen Bogen, den ich ausgehend von einer Musikkritik schlug. Dieses von Hölzchen-auf-Stöckchen-Kommen möge man mir verzeihen und dem Restfieber zuschreiben. 

Und über das in diesen Wochen so medial präsente Wort "Fehler" schreib ich nichts. Pardon!, ich bin Historikertochter und Dolmetscherin, also spontan vor allem in der Wiedergabe gesprochener Sprache ...

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1. Programmtipp: ZDF-History 1983 — Welt am Abgrund" auf
3sat am 04.03.2011, 17.45 Uhr.
2. Der angedeutete Straftatbestand wurde in § 99 des DDR-
Strafgesetzbuches benannt: Die Übermittlung von nicht der
Geheimhaltung unterliegenden Nachrichten ins Ausland zum
Nachteil der DDR. Bereits die Vorbereitung war strafbar. Mehr
bei Ehlert und Rogg. (Die 1979 verschärfte Gesetzeslage hatte
sich auch ohne Internet bis in die Provinz rumgesprochen.)

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