Was mich gerade erreichte ...
Sehr geehrte Frau Elias,
ich lese seit einiger Zeit Ihren Blog und bin zunehmend begeistert vom Dolmetscherberuf, den ich über Sie entdeckt habe.
Darf ich Sie um einen Rat bitten? Ich bin Abiturientin, spreche von der Schule her Englisch, Französisch, Spanisch und Russisch und lebe derzeit als Au Pair-Mädchen in Marseille. Ich erwäge, ab dem Wintersemester Konferenzdolmetschen zu studieren.
Da ich aber noch unschlüssig bin, ob ein direktes Dolmetschstudium, ein Germanistikstudium oder gar ein fachliches (z.B. internationale BWL) als Bachelor hierfür besser wäre und dann anschließend Konferenzdolmetschen im Masterstudium, möchte ich Sie um Rat fragen.
Vielen Dank!
A.G.
Liebe Frau G.,
Danke für Ihre Zeilen! Mich freut jede Leserzuschrift sehr! Besonders solche wie Ihre ...
Ich weiß nicht, ob ich für Ihre Frage die richtige Ansprechpartnerin bin. Ich kam ja selbst auf Umwegen zum Dolmetschen. Ich weiß allerdings, dass es in unserem Beruf große Unterschiede gibt. Da geht es uns nicht anders als den Ärzten, bei denen zwischen "Hausarzt auf dem Land" und "Laserchirurg im Uniklinikum" ja auch Welten liegen. Bei Ärzten ist indes die Frage nach der Erstausbildung einfacher, da sie für alle gleich ist.
Die Tatsache, dass Sie schon so viele Sprachen lernen, lässt mich vermuten, dass Sie dies gern und mit einer gewissen Leichtigkeit tun. Daher klingt es fast so, als ob Sie für den Beruf der internationalen Konferenzdolmetscherin prädestiniert sein könnten, die sich auf große Institutionen wie EU, Uno und dergleichen spezialisiert haben. In dieser Berufsgruppe sind viele Kollegen übrigens fest angestellt. Bei der EU arbeiten Dolmetscher zum Beispiel aus den Fremdsprachen stets in ihre Muttersprache.
In den nächsten Jahren wird Brüssel viele junge Dolmetscherinnen und Dolmetscher einstellen. Hier sind ebenso Absolventen der bekannteren Ausbildungsstätten wie von der EU selbst ausgebildete Kollegen tätig. Da die dort verhandelten Themen ja oft sehr technisch sind, haben dort oft zum Beispiel mehrsprachige Absolventen von Fachstudien große Chancen: Ich kenne eine Agrarökonomin und einen Chemiker, die jeweils in verschiedenen Ländern studiert hatten und dann in bezahlte Trainee-Programme der EU reingerutscht sind. Hier spielte sicher auch die jeweilige Spezialisierung bzw. der jeweilige Bedarf eine Rolle; wie das sich dort heute bzw. in ein paar Jahren verhält, vermitteln die Kollegen in Brüssel auf Nachfrage sicher gerne.
Andere Dolmetscher arbeiten wie ich mit zwei oder drei Fremdsprachen, von denen sich dann eine zur Hauptarbeitssprache entwickelt. Bei mir sind Deutsch und Französisch meine beiden Alltags- und Lebenssprachen, als “dritte” Sprache schiebe ich immer die sehr komplizierte Fachsprache der Film- und Medienwelt vor ... Ich arbeite daher freiberuflich und dolmetsche ebenso oft ins Deutsche wie ins Französische.
Das geht in Berlin ganz gut, obwohl hier viel Konkurrenz herrscht und Englisch häufiger nachgefragt wird als Französisch, so dass ich mitunter denke: I regret, my taylor is rich. Sollte Ihnen dieser Querdenk-Satz jetzt nichts sagen, einfach “googeln”. Denn das ist der nächste Gedanke, den ich Ihnen vermitteln möchte: Zunächst ist es wichtig, eine gute Allgemeinbildung zu erlangen. Dann kommen Fachstudium und Dolmetschtechniken. Zu einem Fachstudium würde ich persönlich raten, denn der Trend geht zum Fachdolmetscher.
Und versuchen Sie doch bald schon mal, Kabinenluft zu schnuppern! Wenn Sie mal zeitgleich mit den Sprachausstellungen “expolingua” in Paris und Berlin sein sollten: Da ist seit Jahren die EU-Generaldirektion Sprache mit Dolmetscherkabinen zum Ausprobieren dabei, das galt auch für die Messe “l’étudiant”. Wenn Sie “facebook” nutzen, gibt es auch hier Infos: http://www.facebook.com/TranslatorInnen bzw. http://www.facebook.com/pages/Interpreting-for-Europe/173122606407.
Ich hoffe, ich konnte Ihnen einige Tipps zum Weitersuchen geben und verabschiede mich rasch mit herzlichen Grüßen nach Marseille!
Zögern Sie nicht, beim Aufkommen weiterer Fragen diese auch zu stellen ... und lassen Sie bitte von sich hören! Unsereiner bekommt gerne Leserzuschriften, besonders solche wie Ihre ...
Herzliche Grüße,
Caroline Elias
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