Mittwoch, 9. Januar 2008

Sprechen wir doch mal übers Geld: Preise

Manche, die noch nie mit Dolmetschern zu tun hatten, erschrecken, wenn sie die Preise für Dolmetschdienstleistungen zum ersten Mal hören: die meisten Kolleginnen und Kollegen berechnen auch für wenige Stunden Arbeit einen ganzen Tag, und der Preis dafür reicht von 500 bis 1100 Euro.
Wir veranschlagen die Preise analog zur den wirtschaftlichen Möglichkeiten der Kunden, denn auch viele der kleinen Firmen, die noch nicht so große Umsätze haben, wachsen eines Tages. (Daher gibt es auch keine Preisliste).

Wer seit Jahren in einem Fachgebiet zu Hause ist und treue Kunden hat, die mehrfach im Jahr Aufträge erteilen, bietet vielleicht sogar halbe oder reduzierte Tagessätze an, wie wir es mit den Bereichen Spielfilm, Kinowirtschaft, Medienproduktion, Festival, Politik und manchem anderen kultur- und gesellschaftswissenschaftlichen Gebiet halten, je nach Thema. Der Grund ist rasch erklärt: Die Zeit, in der wir zum Dolmetscheinsatz kommen, ist nur ein Bruchteil unserer Dienstleistung, und wenn wir gut im Stoff stehen, fällt die Vorbereitungszeit weniger ins Gewicht.

Dolmetscher sind in mehreren Bereichen Allrounder, sie haben oft mehrere Fächer, lang und im Ausland studiert, sie haben also viel investiert. Und investieren weiter: Dolmetscher lesen alles zu ihren Fachgebieten mehrfach, in mindestens zwei Sprachen, sie halten sich auch ohne Aufträge auf dem Laufenden. Neue und auch längst bekannte Begriffe werden notiert und in Lexiken eingetragen, jedes Moment der Wiederholung verfestigt die Kenntnisse. Die politischen, kulturellen und wirtschaftlichen Nachrichten mehrerer Sprachräume zu verfolgen kostet Zeit. Wir investieren sie gern, um für einen eventuell spontan anberaumten Einsatz à jour zu sein - und auch um die Entwicklungen in ihrer Tiefe zu kennen. Denn nur das Verständnis des Gesagten, zumindest ahnungshalber, plus die Beherrschung der Fachtermini führt zu richtigem Dolmetschen. Natürlich muss ich selbst kein Kameramann oder Geologe sein, um Menschen dieser Berufe dolmetschen zu können, aber ich brauche ein erweitertes, aktualisiertes Grundverständnis - und muss wissen, wie ich es mir beschaffe.

Wir Sprachmittler sind also auch Fachleute in Recherche, Informationsverarbeitung und dem Hinterfragen von Dokumenten, denn nicht alles, was veröffentlicht wurde, stimmt, seit der Erfindung des Netzes noch viel weniger. Je nach Fachgebiet und Neuigkeitsgrad kommt also auf einen eintägigen Auftrag ein halber bis drei Tage Vor- und Nachbereitung.

Alles andere kennen Sie von anderen Freiberuflern, mit denen Sie zu tun haben, sollten Sie selbst keiner sein: das eigene Büro will finanziert sein, das Verwaltungs-ABC von "Ablagen" über "Buchhaltung" bis zu "Computerupdates" kostet Zeit und Geld, Netzwerken und Acquise ebenso, außerdem engagieren wir uns oft in der Kultur, zum Beispiel dem Theater, der Literaturübersetzung oder der Ausbildung von Nachwuchs, und hier werden keine übermäßig hohen Aufwandsentschädigungen gezahlt.

Last but not least haben wie niemanden, der uns Urlaubs- oder Weihnachtsgeld zahlte oder die Beiträge für eine Betriebsrente ...

Wenn Sie festangestellt sind: Kennen Sie die Nebenkosten Ihres Arbeitsplatzes? Die Summe der Arbeitgeberanteile ihres Gehalts? Addieren Sie jetzt bitte alles mit ihrem Gehalt und teilen die Summe durch 220 Jahresarbeitstage ... Danke, dass Sie mit mir gerechnet haben.

Mit mehr Zahlen unterfüttert hat dieses Thema Julia Böhm in einem sehr lesenswerten Artikel.

PS: Für Studentenfilmfestivals und Off-Kinos, die von Ehrenamtlichen betrieben werden, dolmetsche, moderiere und texte ich gratis.

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