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Mittwoch, 2. Januar 2008
Baustelle
Nicht der Blog hier ist eine Baustelle, am letztmöglichen Arbeitstag des alten Jahres geriet ich auf eine Tonbaustelle. Der Grund dafür ist ein berühmter deutscher Schauspieler, der in Frankreich drehen soll. Nun ist von ihm bekannt, dass er sehr musikalisch ist, aber kaum Französisch kann, dafür Sprachlernerfahrungen hat.
So stehe ich also in einem Kreuzberger Hinterhof-Tonstudio vor einer Wand aus rohen Brettern, die von innen mit eierschalenförmigem grauem Schaumgummi ausgekleidet ist, vor mir das Studiomikro, in Sichtweite Werner, der Tonmann, am Computer. Ich spreche 18 Seiten Drehbuchtext - und jetzt kommt die Besonderheit: halb auf Deutsch, halb auf Französisch. Die Filmfigur Norbert bekommt in Frankreich Besuch von Till, dem eigenen Sohn aus Deutschland, den er einst beim fluchtartigen Verlassen des Landes zurückgelassen hat.
Ich lese wie bestellt: Regieanweisungen und Rollennamen auf Deutsch, die französischen Repliken auf Französisch. Und komme in sprachliches Schlingern. In Passagen wie dieser hier:
JEAN-LUC
T'en penses quoi d'ça, Norbert?
NORBERT
Faut que je réfléchisse.
TILL
Könntest du bitte Deutsch sprechen, du weißt doch,
ich kann kein Französisch ...
Natürlich spricht Jean-Luc den Namen Norbert französisch aus. Der Rollenname ist dann wieder auf Deutsch fällig, worauf der Genannte Französisch spricht. Die Figuren sprechen unter sich schnell, verschlucken, wie's im Alltag üblich ist, Vokale (das stumme 'e'), Norbert, der Französisch später gelernt hat, ist ein wenig akademischer in seiner Ausdrucksweise als die anderen ... aber welches Tempo setze ich jetzt an für eine Lern-DVD? Eigentlich müsste ich sie drei Mal sprechen, die Repliken langsam zum Reinhören, mittelschnell fürs Üben und normalschnell - und getrennt von den Regieanweisungen anzusteuern. Dafür reicht die Zeit aber leider nicht. Die Scheibe wird gleich am 1.1. dem Schauspieler übergeben, der Kurier ist schon bestellt.
Oft wird im Filmdialog gedolmetscht, das ist für mich als Sprecherin nicht kompliziert. Anstrengend ist dafür das dauernde Hin- und Herschalten in ein- und derselben Sprachspur, ich verhaspele mich so oft, wie ich es von mir nicht kenne. Dann muss ich immer neu ansetzen, eine halbe bis eine Zeile zurückspringen, neu ansetzen, damit der Schnitt nicht hörbar ist wegen veränderter Sprecherenergie.
Störend wirken sich die Nachbarkinder aus, die nicht im Kindergarten sind und deren Spiel nach so vielen Tagen Stillsitzenmüssen bei Opa und Oma durch die Wände drängt (so stell' ich mir das Szenarium jedenfalls vor).
Noch sehr viel störender aber sind die Böller, Chinakracher, kubischen Kanonenschläge, Sonnenräder oder was das Arsenal der Pyrotechnik alles sonst noch so bietet, um mit möglichst viel Lärm und Schwefeldampf das neue Jahr zu begrüßen - am Ende sitzen Werner und ich fünf Stunden lang im Tonschnitt, eine echte Tonbaustelle - für 25 Minuten Ergebnis. Ganz selten hört man auf der fertigen DVD ein Kinderlachen und einen Knallfrosch.
Happy New Year!
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