Freitag, 11. Januar 2008

Zarah Leander hilft grönländischem Kinofilm

Gestern Abend klingelt das Telefon zu ungewohnter Stunde. Im Hörer knistert und rauscht es. Ich melde mich mit "zentrale Auskunftsstelle über Bakterien und Viren". Denn ich sehe auf dem Telefondisplay, dass Paul dran ist. Paul klingt nicht nur, als telefoniere er aus vielen hundert Kilometern Entfernung, zum Beispiel aus dem Gebiet der polaren Eisdecken, Paul ist auch dort. Er lebt als einziger US-Amerikaner in Südgrönland, von wo aus er übersetzt.

Paul ist erstmal sprachlos über meine Stimme. Auch ohne schlechte Telefonleitung oder Polareis-Echo klingt sie mitgenommen, daher meine übergangsweise bak­te­rio-/vi­ro­lo­gische Spezialisierung. Wenn ich den Mund aufmache, höre ich Zarah Leander sprechen. "Totally sexy!" haucht Paul derart ins andere Ende der Leitung, so dass ich kurz um die türkisfarbenen Gletscher fürchte. Ich habe indes andere Gedanken: Wer hat diesem verruchten Biest mit dem sonoren Bass eigentlich die Tür aufgemacht? Und wer hat ihr gesagt, dass sie ausgerechnet meine Banalitäten synchronisieren soll?

Dann geht es mit Filmvokabular weiter. In Grönland wird demnächst mit "3900 Pictures" der erste echte grönländische Kinofilm produziert. Und aus Gründen der Vorab-Kommunikation mit dem Ausland (möglicherweise fehlt noch Geld) braucht die Produktionsfirma den Kostenvoranschlag, der auf Dänisch geschrieben wurde, jetzt auf Englisch. Vieles hat Paul schon übers Netz rausgekriegt, aber bei einigen Begriffen hakelt's. "Regie" als Oberbegriff in Zusammenhang mit Bühne zum Beispiel. Der Begriff hat's in sich. Auf Deutsch ist er klar: am Set ist das derjenige, der künstlerisch das Sagen hat. Frankreich bezeichnet " le régisseur " den- oder diejenige(n), dessen/deren Aufgabe es ist, den technischen Ablauf der Dreharbeiten zu managen ("Aufnahmeleiter"). Dann gibt es noch " régie technique " in manchen Kostenvoranschlägen, das steht direkt unter Reise- und Hotelkosten und meint soviel wie "Tagegelder". Aber hier?

Etliche unserer Fragen werden an die Produktion zurückgestellt. Manch' Budgetposten ist mehrdeutig, andere scheinen doppelt vorhanden zu sein. Einiges gehört zur Gruppe der "faux amis", den "falschen Freunden", wie Franzosen vermeintlich erkennbare Worte nennen, die aber etwas ganz anderes bedeuten, oft als Ergebnis kleiner semantischer Verschiebungen: regional verbreitete Aneigungen von durchaus existenten englischen Begriffen, weil phonetisch Nähe zu einem dänischen Ausdruck besteht. Letztendlich sind diese Termini eben auch Teil eines Soziolekts, der in stetem Wandel ist, zumal in allem, was sich auf Endfertigung ("post") bezieht. Meint "clipping" jetzt die Digitalisierung von echtem Filmmaterial, die Auswahl der geeigneten "takes" oder doch den Rohschnitt, weil ja doch für den Schnitt noch an anderer Stelle eine nicht unerhebliche Summe verzeichnet ist? Oder stellen die Grönländer gleich einen zweiten Werbefilm her (einen kurzen "teaser" oder einen längeren "trailer"?) und "klammern" dafür Material "ab"? Oder geht es hier möglicherweise um einen neuen Arbeitsschritt am digitalen Schnittplatz, den ich nicht mehr kenne, weil mein letzter umfangreicherer Schnitt für ein filmisches Dokument über Klaus Michael Gruber und seine Probenarbeit am Conservatoire de Paris etliche Jahre zurückliegt?

Auch Zarah Leander, der Star der frühen Tonfilmzeit, ist mir hier keine große Hilfe. Es wird Zeit, dass ich Madame wieder loswerde. Was trinkt man in Grönland, Paul? Honigmet? Hilft der auch bei Husten, Schnupfen, Heiserkeit?
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Grönländisch' Eis fotografiert von P. Cohen. Thank you!

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