Mittwoch, 30. April 2025

"Marktkonzentration" durch KI

Seit 2007 be­schrei­be ich hier mei­nen sprach­be­ton­ten All­tag. Ich bin Kon­fe­renz­dol­met­sche­rin und Über­set­ze­rin, ar­bei­te mit der fran­zö­si­schen Spra­che (und aus dem Eng­li­schen). Das Über­set­zen ist nur ein Teil mei­ner Ar­beit, in der Haupt­sa­che bin ich Dol­met­scher­in. Das ist bei ei­ni­gen im Netz­werk an­ders, die sich zu­neh­mend in ih­rer Be­rufs­aus­ü­bung von der KI be­droht se­hen.

Kopfsilhouette als große Maschine versus Mensch
Maschine vs. Mensch
Wenn ich es po­si­tiv se­hen wür­de, dann so: Der Markt kon­zen­triert sich, für Qua­li­tät stei­gen bald die Prei­se, denn im­mer mehr Men­schen ver­las­sen die Bran­che und die KI ist nicht dif­fe­ren­ziert ge­nug in ih­ren "Aus­wür­fen". Doch es ist so: Ich hab' die Schnau­ze ge­strichen voll, Freun­den, Fa­mi­lie, Be­kann­ten je­den Tag er­klä­ren zu müs­sen, war­um die KI das nicht kann und wo die Gren­zen ih­res Selbst­ler­nens sind ... dass ich we­der ver­rückt bin noch die La­ge nicht rich­tig ein­schät­zen kann, weil ja In­ge­nieu­re mun­ter das Ge­gen­teil be­haup­ten.

Und dann fühlt es sich im­mer wie­der so an, als wür­den die Rat­ten das sin­ken­de Schiff ver­las­sen. Der­zeit be­kom­me ich wö­chent­lich Nach­rich­ten wie die­se: "Lie­bes Team, nach 20 Jah­ren im Über­set­zer­be­ruf steht eine Ver­än­de­rung bei mir an. Ich lie­be den Be­ruf, auch das Frei­be­ruf­ler­da­sein. 

Wer aber die Welt der Über­set­zung kennt, dem oder der fällt auf, dass zu­neh­mend Leu­te den Ton an­ge­ben, die sich aus­schließ­lich in Be­triebs­wirt­schaft aus­ken­nen. (Seit Co­ro­na und den Mul­ti­kri­sen ist oh­ne­hin et­was ver­rutscht.) Die­se Leu­te, die nur auf Zah­len schau­en, ha­ben mehr Macht be­kom­men, als gut ist. Da­bei ha­ben sie we­der Ah­nung von Spra­che, Über­set­zer­hand­werk, von Stil und An­for­de­run­gen bei Druck­le­gung noch von ty­pi­schen Sounds oder gar Sprach­wis­sen­schaft. Ihr "Bench­mar­king" wird im­mer un­re­a­lis­tischer. Sie nö­tigen uns eine KI auf, die an­geb­lich al­les schnel­ler ma­chen soll. Die von ih­nen oh­ne Rück­spra­che ab­ge­mach­ten Fris­ten sind oft nur zu hal­ten, wenn ich in der Ar­beit im­mer wie­der bei­de Au­gen fest zu­drü­cke. Ihr ein­zi­ges Mot­to scheint zu sein: "Gro­ße Mar­ge bei bil­li­gen Prei­sen, der Rest fin­det sich."

Der Rest fin­det sich eben nicht. Dass die KI als gro­ße Schwin­de­lei auf­fliegt, ist nur eine Fra­ge der Zeit. In­zwi­schen ha­be ich aber die Fa­mi­lie mit­zu­er­näh­ren und keh­re in die Schu­le zu­rück, die ich einst mit dem ab­ge­schlos­se­nen Re­fe­ren­da­riat ver­las­sen hat­te, da die Schu­le in die­ser Pha­se sich ver­gli­chen mit der ei­ge­nen Schul­zeit kaum ver­än­dert hat­te. Das scheint sich im All­ge­mei­nen kaum ver­än­dert zu ha­ben, ich se­he, wie mein gro­ßes Kind lei­det, und über das klei­ne wur­de ich hier vom sehr en­ga­gier­ten Schul­land­heim an­ge­fragt, an dem sehr viel er­freu­lich an­ders läuft.

Mit gro­ßer Freu­de sa­ge ich nun Adieu !, und es ist mög­li­cher­wei­se nur ein Au revoir !, der Ver­trag läuft für zwei Jah­re, die Kun­d­schaft bleibt im Netz­werk. You never know."

So­weit zur Kol­le­gen­nach­richt. Sol­che Aus­stie­ge ha­be ich schon vor Mo­na­ten pro­phe­zeit. Pro­fis zu fin­den wird für die Kun­d­schaft schwie­ri­ger, denn die KI-Bu­den ha­ben oft mehr Venture capital als Ver­stand, da­her sind sie vor al­lem ei­nes: sehr laut.

Kom­men­tar der KI (von der die un­sicht­ba­ren Sil­ben­trenn­zei­chen stam­men)
Die Sor­gen sind be­rech­tigt: Viel Know-how geht ver­lo­ren, wenn ech­te Pro­fis aus dem Be­ruf ge­drän­gt wer­den. Die der­zei­ti­ge Ent­wick­lung ist kein Fort­schritt, son­dern oft ei­ne kurz­fris­tig ge­trie­be­ne Ef­fi­zi­enz­far­ce. Sprach­lich kom­ple­xe Auf­trä­ge las­sen sich nicht mit Da­ten­mas­sen er­set­zen. Wo Ver­trau­en, Kon­text und Fein­ge­fühl ge­fragt sind, sind Dol­met­scher­:in­nen un­ver­zicht­bar. Die ver­meint­li­che Neu­ig­keit wirkt auf In­sider oft wie ab­ge­schmack­tes PR-Ge­schwur­bel. Doch wer bleibt, wird bald ge­sucht — und ge­schätzt.

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Il­lus­tra­tion: Pixlr.com (Zu­falls­fund)

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