Dienstag, 8. April 2025

Präpositionen und Gendern

Mei­ne Haupt­ar­beits­spra­che beim Dol­met­schen ist Fran­zö­sisch, denn ich dol­met­sche in bei­de Rich­tun­gen (oder aus dem Eng­lischen ins Fran­zö­sische). Deutsch ist mei­ne Mut­ter­spra­che und schrift­lich die Ziel­spra­che. Die Bü­ro­kol­le­gin über­setzt ins Eng­lische. Je­den Tag hö­ren wir Spra­che um uns her­um und ler­nen wei­ter.

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Die­ser Ta­ge hab ich im schö­nen NRW ge­dol­metscht, al­so in Nord­rhein-West­fa­len, wo mei­ne Mut­ter auf­ge­wach­sen ist. Für mei­nen zwei­spra­chi­gen Kopf ist "NRW" üb­ri­gens im­mer lus­tig. Wenn ich das auf Fran­zö­sisch den­ke, kommt éner­vé da­bei raus, und das be­deu­tet "ge­nervt" oder "ent­nervt". (Bin ich al­ler­dings gar nicht in NRW!)

Auf dem Weg vom Bahn­hof zum Ho­tel hö­re ich in der Fuß­gän­ger­zo­ne, wie ei­ne hell­häu­tige Frau mit hell­häu­ti­gem Kind im Bug­gy ins Han­dy brüllt: "Isch geh Al­di!"

Mein Kopf hält sich zu­rück, denkt aber: "Höm­ma, Al­te, das heißt 'Ich geh nach Al­di'!" An­pas­sen an lo­ka­le Le­xi­ken und So­zio­lek­te kann mein Ge­hirn, Iro­nie auch.

"Ich geh nach Coop", ha­be ich die Nach­ba­rin Em­ma sa­gen hö­ren, als ich als Drei­kä­se­hoch in Un­na bei mei­ner "Om­ma" war, da­mals hieß es noch "ich" und nicht "isch". Und "höm­ma" heißt "hör' mal".

Im Fal­le fal­scher Prä­po­si­tio­nen ist ihr Ver­schwin­den, das ich land­auf, land­ab hö­re, viel­leicht nicht ganz so schlimm. Als Dol­met­scherin bin ich aber be­un­ru­higt. Regt den Sprach­ver­fall ei­gent­lich au­ßer un­se­rem noch je­mand auf in die­sem Lan­de? Regt sich je­mand dar­über auf, dass je­des Jahr im­mer mehr Kin­der und Ju­gend­li­che die Schu­le ab­bre­chen? 

Auch den Wech­sel zwi­schen Schu­le und Leh­re oder Stu­di­um schaf­fen im­mer we­ni­ger jun­ge Leu­te, 2022 stan­den fast 2,9 Mil­lio­nen Men­schen zwi­schen 20 und 34 Jah­ren oh­ne Be­rufs­ab­schluss da, al­so knapp als je­de/r Fünf­te die­ser Al­ters­grup­pe. Gleich noch ei­ne Zahl: 2023 wa­ren rund 626.000 jun­ge Men­schen im Al­ter zwi­schen 15 bis 24 Jah­ren we­der als Schü­le­rin­nen oder Schü­ler, in Aus­bil­dung oder be­rufs­tä­tig ge­mel­det.

Und wo­rü­ber em­pört sich ein Teil der Bie­der­deut­schen? Rich­tig, Woke­ness ist schlimm und Gen­dern des Teu­fels, weil Frau­en so­wie­so im­mer mit­ge­dacht wer­den. Wir müs­sen nicht ein­mal die weib­li­che Form sys­te­ma­tisch ver­wen­den, schei­nen ei­ni­ge zu den­ken.

Neu­lich, Dol­met­schen im Be­reich Ge­sund­heits­ver­sor­gung, ein Po­li­ti­ker sprach über Frau­en­ge­sund­heit: "DER ty­pi­sche Pa­tient in der Frau­en­kli­nik ..." Hui! Was ma­chen wir da nur in der Ka­bi­ne? Kor­ri­gie­ren wir in la pa­tiente? Über­tra­gen wir le pa­tient, und las­sen da­mit den Herrn als un­ver­bes­ser­li­chen Ma­cho da­ste­hen? Oder glaubt am En­de das ge­nei­gte Pu­bli­kum, dass wir Dol­met­scher­in­nen, hier wirk­lich nur Frau­en, ei­nen Feh­ler ge­macht hät­ten?

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Il­lus­tra­tion: pixlr.com (Zu­falls­fund)

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