Bonjour, hello und guten Tag auf dem ersten Weblog Deutschlands aus dem Inneren der Dolmetscherkabine. Konferenzdolmetscherinnen reisen normalerweise viel, hinzu kommen private Verpflichtungen. Mein Alltag besteht oft aus Reisen.
Abendroutinen und Morgenroutinen, die kommen stets in den Koffer mit rein, wenn es auf Dienstreise geht.
Reisefertig
Ich habe ein Köfferchen, das immer fertig gepackt auf Kurzeinsätze in der "Abseite" über dem Wohnungseingang wartet, darin alles, um von Kopf bis Fuß vorbereitet zu sein, als da wären: mein kleines Reisekissen, frisch bezogen und mit zweiter Hülle, sowie Baustellenschuhe für besondere Einsätze, in der Plastiktüte einer Buchhandlung. Plastiktüten werden langsam selten. Dieses Exemplar ist recht alt, aber nicht so alt, wie es aussieht, denn es sind Frakturbuchstaben draufgedruckt.
Packtaschen
Im Koffer befinden sich auch textile Packtaschen für Wäsche, dünne Lederhausschuhe aus Marokko in einer Wachstuchtasche sowie ein kleiner "Kulturbeutel" mit Zahnputztabletten in einem winzigen Döschen, dazu ein kleiner Tiegel Hautcreme, ein handgesägter Hornkamm, Ohropax und die Schlafmaske.
In einem Metalldöschen steckt das über Wochen klein gewordene Stück Haarseife aus Kreuzkümmelöl sowie ein ähnlich reduzierter fester Deo-Cube aus natürlichen Zutaten der französischen Firma Lamazuna (ohne unnötige Verpackung).
Häuslicher Alltag |
Einfaches Packen
Auch im Rucksack hat alles seinen angestammten Platz. Das alles mag manisch wirken, es geht mir hier aber nur um Routinen und Schnelligkeit. Ich finde sogar im Halbdunkel eines Taxis mit einem Griff, was ich suche. Und mit Routinen und Schnelligkeit habe ich ja im Dolmetschen gute Erfahrungen gemacht, das Ganze schlicht erweitert. (In der Wohnungsordnung bin ich noch nicht so weit, träume aber davon.)
Frakturschrift
Zurück zur Fraktur, den alten gotischen Buchstaben auf der Plastiktüte fürs grobe Schuhwerk. Die Bilderfolge oben zeigt die kleine Grete aus einem
Schulbuch für das Fach Deutsch, das aus Frankreich stammt, gedruckt im Jahr des Mauerbaus, also 1961. Einiges scheint dort noch altbackener, als wir uns die frühen 60-er vorstellen. Und irgendwie ein wenig falsch.
Besonders irritiert mich nämlich, dass dieses Schulbuch in Frakturschrift gesetzt worden ist. Und die Schulbuchlerntexte sind auch befremdlich. Ich habe den Text transkribiert, mit dem Mauszeiger über das Bild gehen und er taucht auf.
Sollte das nicht funktionieren, bitte aufs Minibild klicken ...
Abend- und Morgenroutinen |
Das Licht dreht heute niemand mehr aus, hier funzelt noch das Öllämpchen sowie der Drehschalter leise mit, den die Ingenieure bei der Erfindung von "elektrisch Licht" zunächst bauen ließen. Heute machen wir das Licht aus. Um 6 1/2 steht heute keiner mehr auf. Wie war das damals? Stand man wirklich um sechseinhalb auf, oder doch eher wie heute um halb sieben? Auch Zähneputzen vor dem Frühstück erscheint irgendwie doof, unnütz, außerdem heißt es 'Zähne putzen' und nicht 'Zähne bürsten', auch wenn die Zahnbürste wirklich so heißt. Das Wort "sich ankleiden" ist altertümlich und kommt gesprochen maximal im "Ankleidezimmer" (kurz: die Ankleide) vor. Ich schätze mal, dass bereits Anfang der 1960-er Jahre "sich anziehen" gesagt wurde.
Mit dem Hut in die Schule, auch fraglich. Bei Dokumentaraufnahmen der 1920-er und 30-er Jahre tragen in der Tat fast alle eine Kopfbedeckung. Aber essen müssen Schulbruchgreten offenbar nicht, ihre besondere Stofflichkeit lässt sie zwar müde, nicht aber hungrig werden.
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Illustrationen: L. Bodevin, P. Isler, Collection
Deutschland, Vol. 1, Masson et Cie., Paris
Schrift: www.font-generator.de
Merci beaucoup à Didier Scheibe et à son épouse !
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