Freitag, 12. April 2024

Mixed mood

Bon­jour, hier bloggt ei­ne Lin­gu­istin. Ich ar­bei­te mit Deutsch (Mut­ter­spra­che), Franz­ö­sisch und Eng­lisch. In die Spra­che Shakes­peares über­setzt die Bü­ro­kol­le­gen, al­so ge­schrie­be­ne Tex­te, denn Über­set­zen ist Hand­werk, Dol­met­schen ist Mund­werk. Doch es gibt Über­schnei­dun­gen. Ein ty­pi­scher Frei­tag: zwei Kos­ten­vor­an­schlä­ge, Kon­gress­vor­be­rei­tung, Haus­halt und ein we­nig Früh­jahrs­blues bei die­sem zu frü­hen Som­mer­wet­ter.

Auch nach über 20 Be­rufs­jah­ren gibt es im­mer noch Neu­es. Der­zeit kämp­fe ich mit ei­nem wack­li­gen E-Mail-Pro­gramm, ver­lo­ren­ge­gan­ge­nen Nach­rich­ten und Rech­nun­gen, und ich pla­ne da­bei pa­ral­lel die nächs­ten Ein­sät­ze. Was ich nach dem Neu­start mei­nes Mail­pro­gram­mes als ers­tes im Post­fach fand, war die Wer­bung ei­nes On­line-Bil­dungs­an­bie­ters, der mit dem Slo­gan wirbt "Wer­de je­den Tag ein biss­chen klü­ger", wei­ter geht's mit dem Son­der­an­ge­bot des heu­ti­gen Ta­ges: "Der Um­gang mit schwie­ri­gen Men­schen".

Da­bei sol­le ich ler­nen, heißt es, Men­schen zu ka­te­go­ri­sie­ren, um "auf al­les vor­be­rei­tet zu sein, ru­hig zu blei­ben und bei je­der In­ter­ak­ti­on das ge­wünsch­te Er­geb­nis zu er­zie­len". Nun, meis­tens kann ich das eini­ger­ma­ßen gut.

Und aus Wei­ter­ler­nen be­steht mein Be­ruf. Das lenkt mich ab von der öko­no­misch an­spruchs­vol­len La­ge. Na­tür­lich mer­ken wir Dol­met­scher:in­nen auch, was ge­schieht: im Ja­nu­ar strei­ken­de Bau­ern in Frank­reich und Deutsch­land, wes­halb Hin­ter­grund­ge­sprä­che am Ran­de der Grü­nen Wo­che auf di­ver­sen Ebenen ent­fal­len sind, ein Bun­des­haus­halt, der erst An­fang Fe­bru­ar recht­sgül­tig wurde, eine in­zwi­schen fast kom­plett an­gli­fi­zier­te Ber­linale und ei­ne von der Bou­le­vard­pres­se an­ge­feu­er­te Hys­te­rie­kri­se in Wirt­schaft, Stamm­tisch und Opposition, die die ak­tu­el­le Struk­tur­kri­se, Pro­dukt der letz­ten Jahr­zehn­te, als von je­nen aus­ge­löst dar­stel­len, die jetzt mit den Mul­ti­kri­sen zu kämp­fen haben.

Ant­wor­ten auf die vie­len Pro­ble­me fin­den sich nicht über Nacht. Sie las­sen sich schon gar nicht al­lei­ne fin­den. Doch die Lis­te ist lang: Ener­gie­ab­hän­gig­keit von ei­nem Put­ler samt Fol­gen, Bio­di­ver­si­täts­kri­se, Kli­ma­kri­se, Res­sour­cen­kri­se, Bil­dungs­kri­se, Wohn­ungs­kri­se, ei­ne ma­ro­de deut­sche Bahn, Er­näh­rungs­kri­se (im­mer we­ni­ger Men­schen kön­nen ko­chen), Fach­kräf­te­man­gel und, zu we­ni­g be­nann­t, der Mi­kro­plas­tik­müll über­all, so­gar in der Atem­luft und der Na­belschnur von Neu­ge­bo­re­nen, die Kri­se der Pfle­ge- und Ge­sund­heits­ein­rich­tun­gen und zu ex­plo­dier­en­de Zu­nah­me von Krebs­er­kran­kun­gen, be­son­ders auch bei Jün­ge­ren. (EDIT: Link zum Fo­cus-Ar­ti­kel da­zu vom Sonn­tag, dem 14.4.24: klick!)

Jetzt su­che ich schön seit über ei­ner Stun­de nach ei­ner io­ni­schen Bre­chung, ei­nem wit­zi­gen Ab­bin­der, ei­ner net­ten Vol­te zum Aus­stieg aus die­sem Blo­gein­trag, aber mein Ge­hirn ist wie ge­lähmt. Beim Nach­den­ken ha­be ich die Pflan­zen ge­gos­sen, die Ein­käu­fe ein­ge­räumt, ei­ne Spül­ma­schi­ne und eine Wasch­ma­schi­ne an­ge­wor­fen, ein aus der Werk­statt ge­lie­fer­tes Bild auf­ge­hängt und die Woll­sa­chen ein­ge­mot­tet.

Un­ser Hof­gar­ten im März 2022

Viel­leicht ist das die Lö­sung: Co­coo­ning im Wech­sel mit Ak­tiv­sein, es sich und den liebs­ten Mit­mensch­en schön zu ma­chen um Kraft zu tan­ken für die Kämp­fe da drau­ßen. Das ist ganz si­cher ein Teil der Lö­sung. 

Und zu er­ken­nen, dass es nicht reicht, wenn wir uns al­le im Klei­nen die Mühe ge­ben, im­mer wie­der et­was rich­tig zu ma­chen, wenn wir Plas­tik­tü­te durch Ein­kaufts­ta­schen er­set­zen, un­ver­packt auf dem Markt oder viel­leicht so­gar im Un­ver­packt­la­den ein­kaufen, das Au­to ste­hen­las­sen und die Bahn neh­men. Auf hö­he­rer Ebe­ne muss das Ru­der rum­ge­riss­en wer­den. Und in viel­en Län­dern tritt Per­so­nal an, mit dem das nicht zu ma­chen ist. Schon wie­der ein ne­ga­ti­ves Echo in mei­nen Ge­dan­ken!

Ich geh jetzt mal et­was Kom­pos­terde ver­tei­len, hier der Link zum Kom­post­wi­ki, und die Viel­falt der Natur be­wun­dern, dann lerne ich wei­ter zum Thema Agro­forst­wirt­schaft (und gleich noch ein Link: Fraun­ho­fer-In­sti­tut). 

Was da pas­siert, ist eben­so wun­der­bar wie hoff­nungs­voll.

Es gibt tau­send­fach mehr Lö­sungs­an­sät­ze als Pro­ble­me. Da ist er ja, mein op­ti­mis­ti­scher Schluss­satz! Ärmel hoch­krem­peln!

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Foto: C.E.
(Ar­chiv)

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