Auch nach über 20 Berufsjahren gibt es immer noch Neues. Derzeit kämpfe ich mit einem wackligen E-Mail-Programm, verlorengegangenen Nachrichten und Rechnungen, und ich plane dabei parallel die nächsten Einsätze. Was ich nach dem Neustart meines Mailprogrammes als erstes im Postfach fand, war die Werbung eines Online-Bildungsanbieters, der mit dem Slogan wirbt "Werde jeden Tag ein bisschen klüger", weiter geht's mit dem Sonderangebot des heutigen Tages: "Der Umgang mit schwierigen Menschen".
Dabei solle ich lernen, heißt es, Menschen zu kategorisieren, um "auf alles vorbereitet zu sein, ruhig zu bleiben und bei jeder Interaktion das gewünschte Ergebnis zu erzielen". Nun, meistens kann ich das einigermaßen gut.
Und aus Weiterlernen besteht mein Beruf. Das lenkt mich ab von der ökonomisch anspruchsvollen Lage. Natürlich merken wir Dolmetscher:innen auch, was geschieht: im Januar streikende Bauern in Frankreich und Deutschland, weshalb Hintergrundgespräche am Rande der Grünen Woche auf diversen Ebenen entfallen sind, ein Bundeshaushalt, der erst Anfang Februar rechtsgültig wurde, eine inzwischen fast komplett anglifizierte Berlinale und eine von der Boulevardpresse angefeuerte Hysteriekrise in Wirtschaft, Stammtisch und Opposition, die die aktuelle Strukturkrise, Produkt der letzten Jahrzehnte, als von jenen ausgelöst darstellen, die jetzt mit den Multikrisen zu kämpfen haben.
Antworten auf die vielen Probleme finden sich nicht über Nacht. Sie lassen sich schon gar nicht alleine finden. Doch die Liste ist lang: Energieabhängigkeit von einem Putler samt Folgen, Biodiversitätskrise, Klimakrise, Ressourcenkrise, Bildungskrise, Wohnungskrise, eine marode deutsche Bahn, Ernährungskrise (immer weniger Menschen können kochen), Fachkräftemangel und, zu wenig benannt, der Mikroplastikmüll überall, sogar in der Atemluft und der Nabelschnur von Neugeborenen, die Krise der Pflege- und Gesundheitseinrichtungen und zu explodierende Zunahme von Krebserkrankungen, besonders auch bei Jüngeren. (EDIT: Link zum Focus-Artikel dazu vom Sonntag, dem 14.4.24: klick!)
Jetzt suche ich schön seit über einer Stunde nach einer ionischen Brechung, einem witzigen Abbinder, einer netten Volte zum Ausstieg aus diesem Blogeintrag, aber mein Gehirn ist wie gelähmt. Beim Nachdenken habe ich die Pflanzen gegossen, die Einkäufe eingeräumt, eine Spülmaschine und eine Waschmaschine angeworfen, ein aus der Werkstatt geliefertes Bild aufgehängt und die Wollsachen eingemottet.
Unser Hofgarten im März 2022 |
Vielleicht ist das die Lösung: Cocooning im Wechsel mit Aktivsein, es sich und den liebsten Mitmenschen schön zu machen um Kraft zu tanken für die Kämpfe da draußen. Das ist ganz sicher ein Teil der Lösung.
Und zu erkennen, dass es nicht reicht, wenn wir uns alle im Kleinen die Mühe geben, immer wieder etwas richtig zu machen, wenn wir Plastiktüte durch Einkauftstaschen ersetzen, unverpackt auf dem Markt oder vielleicht sogar im Unverpacktladen einkaufen, das Auto stehenlassen und die Bahn nehmen. Auf höherer Ebene muss das Ruder rumgerissen werden. Und in vielen Ländern tritt Personal an, mit dem das nicht zu machen ist. Schon wieder ein negatives Echo in meinen Gedanken!
Ich geh jetzt mal etwas Komposterde verteilen, hier der Link zum Kompostwiki, und die Vielfalt der Natur bewundern, dann lerne ich weiter zum Thema Agroforstwirtschaft (und gleich noch ein Link: Fraunhofer-Institut).
Was da passiert, ist ebenso wunderbar wie hoffnungsvoll.
Es gibt tausendfach mehr Lösungsansätze als Probleme. Da ist er ja, mein optimistischer Schlusssatz! Ärmel hochkrempeln!
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Foto: C.E. (Archiv)
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