Mittwoch, 3. April 2024

Fraktur reden

Will­kom­men auf der Sei­te ei­ner Fran­zö­sisch­dol­met­sche­rin und -über­set­ze­rin mit Haupt­ar­beits­ort Ber­lin. Hier kön­nen Sie Ein­bli­cke in un­se­ren All­tag er­hal­ten, denn die Be­ru­fe Dol­met­sch­er und Über­set­zer / Dol­met­sche­rin­ und Über­set­ze­rinn sind oft nicht gut be­kannt. Ein Teil der Auf­ga­ben ist das Sam­meln von Vo­ka­beln und das Be­ob­ach­ten sprach­li­cher Nu­an­cen, die sich ver­än­dern kön­nen.

Frak­tur­schrift (Buch­laden­wer­bung)
Heute eine schnel­le Voka­bel­no­tiz zum The­ma von ges­tern. Wer zu je­man­dem "Du re­dest Frak­tur" sagt, möch­te damit aus­drü­cken, dass das Gegen­über sich be­son­ders ge­stelzt und kom­pli­ziert aus­drückt, so kenne ich den Be­griff. Das ist die mo­der­ne In­ter­pre­ta­ti­on der Re­de­wen­dung, die sehr alt ist.

Der­ma­le­inst (= früher) hat der Be­griff exakt das Ge­gen­teil be­deu­tet. "Du sprichst Frak­tur" war da­mals gleich­zu­set­zen mit 'deut­lich wer­den', 'Klar­text spre­chen', sich 'ohne Um­schweife aus­drücken'. 

Da­mals konn­ten in Deutsch­land alle, die le­sen konn­ten, Frak­tur­schrift leicht ent­zif­fern. 

Wer Frak­tur sprach, wur­de deut­lich. An­stö­ßi­ge Be­grif­fe oder fremd­sprach­li­che Ter­mi­ni, die nicht allen be­kannt wa­ren, oder die nicht "ju­gend­frei" wa­ren, wur­den in la­tei­ni­scher Spra­che wie­der­ge­ge­ben. Auf al­ten Buch­sei­ten se­hen wir diese Wör­ter, in la­tei­ni­sche Buch­sta­ben ge­setzt, die sich vom Frak­tur­text im Schrift­bild ein­deu­tig ab­he­ben. Eine sol­che Seite werde ich hier dem­nächst nach­tra­gen, jetzt mag der ge­stern er­wähn­te Tüten­auf­druck ein­er Buch­handels­ket­te als Bei­spiel für alte Frak­tur­schrift genü­gen.

Auf Fran­zö­sisch würde ich für 'ge­stelz­ten Stil' üb­ri­gens style ta­ra­bis­co­té sagen, ge­schraubt, ver­sch­nör­kelt, über­la­den. Das Ge­gen­teil da­von, 'Klar­text re­den', wäre dann en ter­mes très clairs oder un lan­ga­ge clair oder pour mettre les choses au clair.

Im Fran­zö­si­schen ein Aus­druck mit clair al­so, das mit un­se­rem deut­schen Wort 'klar' ver­wandt ist, weil bei­des auf das la­tei­ni­sche clārus zurück­geht: hell, leuch­tend, deut­lich ...

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Il­lus­tra­ti­on:
Hu­gen­du­bel

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