Freitag, 26. April 2024

In der Tinte

Sie le­sen hier in ei­nem Blog aus der Ar­beits­welt, ge­nau­er: aus dem All­tag ei­ner Dol­met­sche­rin. Mei­ne Mut­ter­spra­che ist Deutsch, ich ar­bei­te über­wie­gend mit Fran­zö­si­sch und Eng­lisch, die Bü­ro­kol­le­gin über­setzt in die eng­li­sche Spra­che. Heu­te geht es wei­ter mit dem et­was an­de­ren all­täg­li­chen Um­gang mit Spra­che, der Leu­te mei­nes Be­rufs nicht sel­ten aus­zeich­net.

Mein Kauf­haus und ich ... Also ich gehe gerne in sol­che Lä­den, kann husch-husch das Nö­tigs­te be­sor­gen, bin schnell wie­der weg. Nur für Klei­dung nicht, da ich das Bou­tique­sys­tem dort nicht aus­ste­hen kann: Al­le schwar­zen Ho­sen sind über die ge­samte Etage ver­streut, und zwar nach Mar­ken ge­trennt.

Tintenfass und blaue und weiße Schneiderkreide
Kreide und Tinte

Komplett le­bens­fern, so­was: Ich kauf­e nicht eine be­stimm­te Mar­ke, son­dern nach Ho­sen­grö­ße, Pass­form und Qua­li­tät, al­so gu­tes Ma­te­ri­al und gu­te Ver­ar­bei­tung, am liebs­ten nach­hal­tig her­ge­stellt und oh­ne Skla­ven- und Kin­der­ar­beit. Im Kauf­haus gibt es kaum ei­ne Ver­käu­fe­rin, die das Sor­ti­ment kennt, und nein, Eu­re Aus­wahl ist kei­ne, son­dern künst­lich er­schwer­tes Su­ch­en und Dut­zende in­frage­kom­men­der Um­klei­de­ka­bi­nen.

Im Be­klei­dungs­haus mit na­tür­li­chem und fairem Sor­ti­ment gibt es zwar we­niger schwar­ze Ho­sen, da­für freund­liche Mit­ar­bei­ter:in­nen, die mir Sa­chen an­schlep­pen, wäh­rend ich in ei­ner Ka­bi­ne blei­ben und das Be­treff­ende rasch an­pro­bieren kann. Der Preis der Klei­dung ist et­wa gleich.

Aber die an­de­ren Ab­tei­lun­gen des Kauf­hau­ses ken­nen mich, Haus­halt und Schreib­wa­ren zum Bei­spiel. Ich er­kenn­e in­zwi­schen die et­was in die Jahre ge­kom­men­en Ver­käu­fe­rin­nen und die jun­gen Nach­wuchs­ver­käu­fer aus der Mi­gra­ti­on (und hof­fe, dass sie al­le im deutsch-öster­rei­chi­schen Kauf­haus­im­mo­bi­li­en­spek­ula­tions­stru­del ihre Ar­beit be­hal­ten).

Und ich wer­de zu­rück­er­kann­t. Ich ge­be ger­ne im­mer mal wie­der sprach­be­ton­te Kom­men­tare ab wie neu­lich, als mir je­mand was aus den Un­tie­fen des La­gers hol­te. Auf mein "Sei­en Sie be­dankt!" kam ein: "Kann man das wirk­lich so sa­gen?" Wir hat­ten wie­der­holt ei­ni­ge lusti­ge Schnacks mit­ein­an­der, da­her die qua­li­fi­zier­te Nach­fra­ge. Die Re­de­wen­dung wird auf­ge­schrie­ben und zum Ab­schied wie­der­holt. Sa­che ge­gen Spruch, der nach deut­lich frü­he­ren Zei­ten klingt, als ich alt bin. Der La­den kriegt sein Geld, den Spaß ha­ben das Per­so­nal und ich, in bes­ter Ber­li­ner Tra­di­ti­on, wo schon im­mer lu­sti­ge Sprü­che ge­klopft wur­den.

Heu­te wie­der so­was. Ich su­che Tin­te und Schnei­der­kreide. Es gibt nur Tin­te. Der jun­ge Mann an der Kas­se: "Heu­te so we­nig?", dar­auf ich: "Ja, Schnei­der­kreide gab's nicht. Ich kreide Ih­nen kei­nes­falls an, dass je­tz­t auch ich we­gen Kar­stadt in der Tin­te sit­ze!"

Der jun­ge Mann, wahr­lich ein Freund äl­te­rer, vom Aus­ster­ben be­droh­ter Be­grif­fe, grin­st von ei­nem Ohr zum an­de­ren: "Haupt­sache Sie ha­ben wie­der ei­nen kes­sen Spruch auf der Lippe!"

Ger­ne ge­sche­hen!

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Foto: C.E. (Bei­spiel­bild)

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