Montag, 30. Mai 2022

Meditative Katze

Wie Über­setzer:in­nen und Dol­met­scher:in­nen ar­bei­ten, erfahren Sie hier. Co­ro­na hat die Le­bens­grund­la­gen vie­ler von uns durch­ein­an­der­ge­bracht und die Müh­sal der Arbeit er­höht. Denn Online­dol­met­schen ist an­stren­gen­der. Dann kom­men unre­alis­tische Vor­stel­lun­gen von Kund:­in­nen im Ar­beits­feld Über­set­zen hin­zu. Heu­te folgt ein klei­ner Brehm, von Kat­ze bis Af­fe.

Katze, auf eine Fassade gesprayt
Türhüterin
"Die KI kann alles!", scheinen manche Men­schen zu glauben. Aber die Künst­liche In­tel­ligenz kann über­haupt nicht alles. Vor allem ist sie ein kal­tes Me­dium, kennt weder Vor­ge­schich­te der Zeilen noch Hin­terland der Wörter.

Nur ein winziges Beispiel: Die KI kann nicht zwi­schen „betrach­ten" und „beob­achten" un­ter­schei­den. Für sie handelt es sich hier um zwei Sy­no­nyme. Die Begriffe sind für die KI also frei aus­tausch­bar.

Ich hat­te mal Er­geb­nis­se von so einem au­to­ma­ti­schen Durchlauf à la "Die Katze be­trach­tet die Maus.“ Nun ja, hat ei­gent­lich schon ein­mal je­mand an­ge­sichts einer M-A-U-S eine kon­tem­pla­tive Katze ge­se­hen!?

An­dere "Lösung": "Ich beob­achte das Ge­mäl­de.“ Mist aber auch, bei die­sem Ge­mäl­de tut sich auch beim besten Willen nach lan­gem Hin­sehen nichts, aber wirk­lich auch gar nichts!

Kurz: Programme wie DeepL, die mit KI arbeiten, hei­ßen nicht zufällig tools, Hand­werks­zeug. Sie sind wie ein Grif­fel oder die Tasta­tur für die Hän­de von Men­schen und keine eigen­ständige Ar­beits­kraft.

Die KI greift auf kalte Maschi­nen zurück; sie kennt weder Gefühle noch weiß sie, wie Lebe­wesen ticken. Erst recht fehlt ihr Verständnis für die eigenen Grenzen. Ich zitiere den Kol­legen Ralf Lemster: "Der Hori­zont der gängigen Über­set­zungs­sys­te­me ist der Satz und endet mit dem Punkt. Ein Mensch weiß, was drei Sätze zu­vor stand und kann einen Zu­sam­men­hang herstel­len.“

Die KI liefert immer ein Ergebnis, selbst dann, wenn sie überfordert ist. Und oft sehen die Ergebnis­se auf den ersten Blick so gut aus, dass die Fallstricke nicht so­fort auf­fal­len. Genau das macht die Sache hoch­komplex. Unsereiner muss sehr scharf hinsehen. Ver­gli­chen mit dem Auf­wand ohne KI ent­fällt ein wenig Tipp­ar­beit, auf jeden Fall kommt die glei­che Denk­arbeit hinzu, an vie­len Stel­len sogar mehr: Sich von vermeintlich guten Lösun­gen zu trennen, die da schick schwarz auf weiß ste­hen, verändert das Über­se­t­zen, frisst mehr Ener­gie, so meine Erfahrung. Und für 100 Prozent krea­ti­ve Tex­te ist die KI erst recht zu 100 Pro­zent un­taug­lich.

Heute kam eine Über­set­zungs­an­fr­age rein: "Überar­beitung von Deepl-Überset­zun­gen (Französisch → Deutsch) … Un­se­re Web­seite mit ca. 100 Sei­ten wird aktu­ell dank automa­tischer Deepl-Über­setzung neben Franzö­sisch auch auf Deutsch an­ge­zeigt. Wir hatten uns zum Start quick & dirty dafür ent­scheiden. Jetzt benötigen wir eine profes­sionelle Überarbeitung, die direkt in Word­press erfolgt. Vor­kennt­nis­se sind empfehlens­wert. Es geht uns nicht nur um richtige Gram­ma­tik, sondern auch um deut­li­che Ver­bes­serung des Lese­flus­ses und dass die SEO-Be­grif­fe oft ge­nug ver­wen­det werden. Wir haben eine Preis­vor­stel­lung von 5,00 € je Norm­sei­te (1.800 Zeichen inkl. Leer­zeichen)."

Ja, nee, die Herr­schaf­ten wollen halt Geld sparen. "Die KI kann alles!" Wer's glaubt.

Werb­li­che Web­sei­ten müs­sen nicht nur übersetzt werden, hier sind oft Tex­ter­kennt­nisse nötig, und da kostet eine Norm­seite je Schwie­rig­keits­grad bei mir derzeit zwischen 50 und sagen wir mal 150 Euro (nach oben offen). Je mehr Wer­be­texten dabei ist, desto ...

Nehmen wir mal an, dass es nicht so rasend kom­pli­ziert ist: Hier möchten die Herrschaften also ein Zehntel des Min­dest­prei­ses bezahlen und die Zu­satz­arbeit, alles adrett in die Web­sei­te ein­zu­pflegen plus Kennt­nisse im Be­reich Such­ma­schi­nen­opti­mierung (SEO), gratis ein­sacken. Könn­ter knicken. Für diese lum­pi­gen Nicht-mal-Pea­nuts bekommt ihr weder Pro­fis noch Affen.

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Foto: C.E.

1 Kommentar:

Peter hat gesagt…

Toll geschrieben!
Danke für den Lacher des Tages "..und dass die SEO-Begriffe oft genug verwendet werden". Und natürlich die die Preisvorstellung. Unglaublich.
Peter