Sonntag, 5. April 2020

COVIDiary (26)

Bonjour, gu­ten Tag & hel­lo auf den Sei­ten des ers­ten deut­schen Dol­met­scher­blogs aus dem Inneren der Dol­metscherkabine. Derzeit schreibe ich in­des vom Büro aus. Durch den Coronavirus ist alles im Umbruch. Die Umstände machen aus meinem Blog aus dem Be­rufsall­tag das eher private COVIDiary.

Digitale Fenster öffnen sich vor meinen Augen, drei an der Zahl, dann kommt eine warme, schöne Offstimme und preist an: "Verschiedene Variationen Ihres Lebens, klicken Sie an, welche Sie fort­setzen möchten!" — Kichernd wache ich auf. Jetzt mal im Ernst, wer so träumt, sollte sich weniger im Internet aufhalten.  Und die fucking Seuche kam in dem Traum auch vor.

Huch, das böse f-word! Hab ich das wirklich geschrieben? Wir Dolmet­scherinnen verwenden sowas nämlich eher nicht, es sei denn, wir haben Erfah­rung und spre­chen si­multan einen Film ein. Gut, aber dieser Blog ist ja während der Epidemie gar kein Arbeits­tagebuch mehr.

Den Gedanken kennen derzeit alle morgens beim Auf­wachen: Und wenn das Ganze nur ein Traum gewesen wäre? Pah, Seuche, weltweit, Schulen werden geschlossen, die Polizei überwacht, dass niemand mehr in die Bibliothek geht! Das ist doch ein mieser Plot, schlechter Thriller! Und dann passiert sowas wie da oben: Wir tau­chen aus der Traum­ebene mit ihren wunderbaren Wahloptionen jeden Morgen wie­der auf in diese Ebene mit deutlich eingeschränkten Mög­lich­keiten. Und es ist wahr und die Aus­nah­me­situation bestimmt unser Leben.

Hoch die Hände, Wochenende! Weg mit den Pfoten von Tastatur und Schreib­ar­beit, die mich ohnehin nicht stark gefordert hatten. Jetzt genieße ich sogar die entspannten Tage. Ich weiß, dass dies der schiere Luxus ist. Noch immer bin ich ziemlich schlapp von der Krankheit, die ich im Januar hat­te, Covid hin, Influenza her. Anstatt die große Einkaufs­runde gehe ich am Samstag nur auf den Markt in frischer Luft. Dort spiele ich ganz aus der Ferne mit einer Zwei­jäh­ri­gen beim War­ten ein wenig Fußball. Frisches Obst, Gemüse, zuhause Tee, weiter et­was sor­tie­ren, lesen, Fotos zuordnen, Mittagsschlaf nach dem Essen, Spa­zier­gang, dann vom Spaziergang erholen, so in der Art.

Der Görlitzer Park, der ja in den Medien als verdreckter Drogenumschlagplatz ver­schrie­en ist, fällt derzeit durch Sauberkeit auf. Aufräum­arbeiten sind im üblichen Turnus erfolgt, nur hält die Sache derzeit länger vor. Zwei Drittel der sons­ti­gen Passan­ten sind zu Hause, trotz der Sonne. Frische zwölf Grad sind ein Argument. Sogar die Dealer halten den geforderten Abstand von an­derthalb bis zwei Metern ein und, das ist neu, man wird nicht mehr an­ge­spro­chen. Von Aerosolen haben die auch schon gehört.

Heute ähnlich. Ab morgen werde ich wieder täglich ein wenig im Büro arbeiten, auch wenn es derzeit keine Aufträge gibt. Dort ist genug liegengeblieben, die Zeit wird mir nicht lang werden.

Nebenbei bemerkt: Die Häu­fig­keit, mit der ein Auto unten vor­bei­fährt, ist zu man­cher Stunde auf eines pro Dreißig­mi­nu­ten­tran­che ge­sun­ken. Die Luft ist eines Luftkurorts würdig.

Allein oder zu zweit, ganz nach Vorschrift
______________________________  
Foto: C.E.

Keine Kommentare: