Digitale Fenster öffnen sich vor meinen Augen, drei an der Zahl, dann kommt eine warme, schöne Offstimme und preist an: "Verschiedene Variationen Ihres Lebens, klicken Sie an, welche Sie fortsetzen möchten!" — Kichernd wache ich auf. Jetzt mal im Ernst, wer so träumt, sollte sich weniger im Internet aufhalten. Und die fucking Seuche kam in dem Traum auch vor.
Huch, das böse f-word! Hab ich das wirklich geschrieben? Wir Dolmetscherinnen verwenden sowas nämlich eher nicht, es sei denn, wir haben Erfahrung und sprechen simultan einen Film ein. Gut, aber dieser Blog ist ja während der Epidemie gar kein Arbeitstagebuch mehr.
Den Gedanken kennen derzeit alle morgens beim Aufwachen: Und wenn das Ganze nur ein Traum gewesen wäre? Pah, Seuche, weltweit, Schulen werden geschlossen, die Polizei überwacht, dass niemand mehr in die Bibliothek geht! Das ist doch ein mieser Plot, schlechter Thriller! Und dann passiert sowas wie da oben: Wir tauchen aus der Traumebene mit ihren wunderbaren Wahloptionen jeden Morgen wieder auf in diese Ebene mit deutlich eingeschränkten Möglichkeiten. Und es ist wahr und die Ausnahmesituation bestimmt unser Leben.
Hoch die Hände, Wochenende! Weg mit den Pfoten von Tastatur und Schreibarbeit, die mich ohnehin nicht stark gefordert hatten. Jetzt genieße ich sogar die entspannten Tage. Ich weiß, dass dies der schiere Luxus ist. Noch immer bin ich ziemlich schlapp von der Krankheit, die ich im Januar hatte, Covid hin, Influenza her. Anstatt die große Einkaufsrunde gehe ich am Samstag nur auf den Markt in frischer Luft. Dort spiele ich ganz aus der Ferne mit einer Zweijährigen beim Warten ein wenig Fußball. Frisches Obst, Gemüse, zuhause Tee, weiter etwas sortieren, lesen, Fotos zuordnen, Mittagsschlaf nach dem Essen, Spaziergang, dann vom Spaziergang erholen, so in der Art.
Der Görlitzer Park, der ja in den Medien als verdreckter Drogenumschlagplatz verschrieen ist, fällt derzeit durch Sauberkeit auf. Aufräumarbeiten sind im üblichen Turnus erfolgt, nur hält die Sache derzeit länger vor. Zwei Drittel der sonstigen Passanten sind zu Hause, trotz der Sonne. Frische zwölf Grad sind ein Argument. Sogar die Dealer halten den geforderten Abstand von anderthalb bis zwei Metern ein und, das ist neu, man wird nicht mehr angesprochen. Von Aerosolen haben die auch schon gehört.
Heute ähnlich. Ab morgen werde ich wieder täglich ein wenig im Büro arbeiten, auch wenn es derzeit keine Aufträge gibt. Dort ist genug liegengeblieben, die Zeit wird mir nicht lang werden.
Nebenbei bemerkt: Die Häufigkeit, mit der ein Auto unten vorbeifährt, ist zu mancher Stunde auf eines pro Dreißigminutentranche gesunken. Die Luft ist eines Luftkurorts würdig.
Allein oder zu zweit, ganz nach Vorschrift |
Foto: C.E.
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