Kein Coronavirus |
Die Regelungen des Bundes gehen an der Lebenswirklichkeit vieler vorbei, die irgendwo ein Büro untermieten, bewusst ohne Kredite leben, weil sie von den kurzfristigen Unbillen des Alltags wissen, trotzdem auf separaten Quadratmetern für den nächsten Auftritt üben müssen oder in einem getrennten Zimmer der Wohnung malen, weil trocknende Ölfarben sich nun mal nicht für den Wohnbereich eignen.
Auch Dolmetscher haben in der Regel keine hohen Grundkosten. In der Summe und auf ein halbes Jahr gerechnet dann aber leider doch. Darüber hinaus brauchen wir alle Geld für die private Lebensführung. Was nützt es den erhaltenen Ateliers, Werkstätten, Büros, die zwar frisch geweißelt worden sind in der auftragsfreien Zeit, wenn aber der- oder diejenige, die hier aber normalerweise arbeitet, nicht mehr da ist?
Ja, wir schnallen alle den Gürtel enger, helfen über Kreuz, die Familien zeigen sich solidarisch, wo sie können, das ist gut. Aber das geht nicht über Wochen, Monate gut.
Wir fühlen uns wie Berufstätige zweiter, nein, sogar dritter, vierter Klasse. Wie ist die Fortzahlung bei Beamten geregelt? Darüber habe ich noch nichts gelesen. Festangestellte bekommen (wohl zu wenig) Kurzarbeitergeld; haben sie einen großen Arbeitgeber, profitieren sie vielleicht von den Milliardenförderung, die einigen Großunternehmen zuteil wird, diese sollen auch den Differenzbetrag zu 100 Prozent aufstocken, gut. Hier wird Bedarf gesehen.
Künstler brauchen den Politikern zufolge wohl nichts zum Leben außer Luft und Liebe. Das ist der arme Poet in seiner Kammer unter dem undichten Dach, der nicht essen muss, keine Energie braucht um zu heizen, ein Plumeau reicht doch aus, frei nach Spitzweg. Je härter dran am Exitus, desto kreativer. Deutschland 2020, meinst Du das wirklich?
Die Selbständigen werden nun aufgefordert, Hartz IV zu beantragen. Eine bevorzugte Bearbeitung, unbürokratisch und schnell, wurde zugesichert.
Jetzt flattern Kollegen die ersten Bescheide ins Haus, andere warten noch auf Rückmeldung. Die Ämter scheinen weder auf den Ansturm vorbereitet, noch eine weitere Schulung erhalten zu haben. So würden weiterhin die Vermögenswerte von Lebensgefährten und WG-Mitbewohnern abgefragt. Nun ist das WG-Leben heute nicht mehr auf Studenten beschränkt, sodass sich im Kreise der lieben Mitbewohner natürlich Menschen finden, die über Vermögen verfügen … und sei es das Cello des Berufsmusikers oder die Skizze aus der Hand eines Impressionisten, von der Oma geerbt. Vermögenswerte seien zunächst zu liquidieren, darauf das Amt.
Die Süddeutsche hat dazu gestern einen Artikel veröffentlicht, in "Frust, Wut und Fassungslosigkeit" beschreibt Till Briegleb die Lage. Der Stern zieht heute nach: Kein Geld, keine Hoffnung: Die Kultur wird in der Corona-Krise schamlos im Stich gelassen von Tim Sohr.
Ökonomisch betrachtet ist vermutlich das Einschalten des Jobcenters viel teurer als es eine ECHTE Soforthilfe wäre. Und wir alle zusammengenommen, Musik, Film, Theater, Konferenz- und Konzertwesen, freie Lehre, Kulturvermittler in Museum, Städten, Freizeiteinrichtungen sowie Print (Foto, Text, Grafik) sind ein Sektor mit Milliardenumsätzen. Das, was wir "produzieren", hilft übrigens nahezu allen Menschen derzeit, durch die Zeit des Shutdown zu kommen.
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Foto: C.E.
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