Dienstag, 3. September 2019

Mediendolmetschen (1)

Welcome! Sie lesen den historisch ersten deut­schen Dol­met­scherblog aus dem In­ne­ren der Ka­bi­ne. Er wurde vor mehr als zwölf Jahren auf Deutsch­lands ein­­zi­­gem A-Film­­fes­ti­val geboren. Ab heute folgt hier eine Reihe zu Grundlagen unserer Arbeit. 

Der Haupt­un­ter­schied zwischen audiovi­su­el­lem Dolmetschen und Dolmetschen in der Politik ist, dass wir bei der Arbeit für Medien die im Dolmet­scher­alltag üb­li­chen Samt­hand­schuhe ausziehen dürfen.

Zwei Dolmetscherarbeitsplätze für eine Diskussionsrunde, im Hintergrund roter Samtvorhang
Dolmetschen im Kino (hier: Diskussionsrunde)
Die Samthand­schuhe sind rasch erklärt: Streiten sich zwei Mächtige, gibt es zwei Szenarien für das Ende. Das eine lau­tet Krieg, dass andere Ver­söh­nung. Nun ist es ein­fa­cher sich zu versöhnen, wenn eine dritte Partei zum Schul­di­gen erklärt werden kann.

Wer war da mög­li­cher­weise noch zugegen? Der oder die Dol­met­scher/innen.

Natürlich wür­den wir nach außen immer be­haup­ten, dass es unsere über­große Friedens­liebe wäre, die uns hier immer wieder auch ein wenig zu Friedens­engeln macht. Da wir Sprach­arbeiter im Aus­land studiert haben und häufig auch aus fa­miliären Grün­den Erfah­rungen mit Menschen aus anderen Län­dern haben, die wir ebenso wenig "Fremde" nennen wür­den wie unsere zweite Heimat ein "Ausland", stimmt das vielleicht sogar. Menschen mit inter­kul­tu­rellen Erfah­rungen lassen sich seltener weismachen, dass der oder die andere Per­sonen­gruppe von Grund auf bö­se ist und be­kämpft werden muss.

Der Haupt­grund für diese verbalen Samt­hand­schuhe ist sicher der Selbstschutz. Einst­mals wurden Überbringer schlechter Nachrichten von den Her­rschenden er­mor­det, so heißt es, deshalb wurde diese Vor­sichts­maß­nahme ein Teil unserer Berufs­kultur, Diplomatie zur zweiten Haut, um ein weiteres Bild zu bemühen.

Beim audiovisuellen Dol­met­schen wird der son of a bitch tatsächlich als "Hu­ren­sohn" verdol­metscht. Manchem gestandenen Kon­fe­renz­dol­metscher fällt we­gen der zweiten Haut das Arbeiten auf Festivals schwer, denn die Übertra­gung mit Schutz­vor­rich­tung würde aus einem solchen Kerl maximal einen "Schlawiner" machen — so gehört bei der Simul­tan­ver­dol­met­schung eines Films in Berlin.

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Foto: C.E. (Archiv)

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