Hier bloggt eine Übersetzerin und Dolmetscherin über ihren Berufsalltag. Heute wird's praktisch. Aus gegebenem Anlass einige ...
Hinweise für das Übersetzen fremdsprachiger Untertitel zum Einsprechen
UNTERTITEL (UT) werden einfache oder doppelte Textzeilen genannt, die unter oder (z.B. bei asiatischen Sprachen) neben Filmbildern eingeblendet werden. Meistens geben sie den Filmton wieder, vor allem Dialoge.
Sie bestehen aus einer vorab festgelegten Anzahl von Zeichen. Viele Sender oder Titelgeneratoren haben eine eigene festgelegte Anzahl von Anschlägen (Anschläge = Zeichen inklusive Leerzeichen).
Die meisten Menschen hören in der gleichen Zeiteinheit mehr Wörter als sie lesen können. Außerdem ist der Filmschnitt zu berücksichtigen. Es ist z.B. nicht üblich, Titel auf Schnitte zu setzen.
Daher geben Untertitel die Filmdialoge oft verkürzt wieder. Außerdem lenken UTs (besonders Ungeübte) vom Bild ab. Das Spiel der Darsteller, Sound und Musik brauchen Raum bei der Sinneswahrnehmung. Das macht das Erstellen von Untertiteln oft zu einer Knobelarbeit, die mit dem Entwerfen von Kreuzworträtseln verglichen werden kann — oder mit einer Form von Dichtung. Denn UTs geben den Filmdialog meistens in gestraffter Form wieder. Hier besteht die Kunst darin, Weggefallenes zwischen den Zeilen aufscheinen zu lassen.
Wie sehen UTs aus?
|
Visuelles Beispiel (einige Jahre alt) |
1.
00:02:17,440 --> 00:02:20,375
Hier ein kurzes Beispiel,
ich fand nichts Besseres.
2
.
00:02:20,476 --> 00:02:22,501
… aber es hilft schon mal!
Dort noch ein Grundsatztext über Untertitel:
Blogeintrag vom März '14.
EINSPRECHEN ist eine Vertonungsart von Festivalfilmen, für die es noch keine Untertitelung (in der gewünschten Zielsprache) gibt sowie für manche Werke des internationalen Filmerbes (
Beispiel: Billy Wilder). Hierbei werden Titellisten, Drehbuch- oder Rohübersetzungen von Dolmetschern adaptiert und eingesprochen. Oder aber es liegen erprobte, lektorierte Titel vor, die auch von anderen Fachkräften eingelesen werden können.
Dabei spricht eine Stimme alle Rollen, Frauen, Männer, Greise, Kinder, über die Dauer des gesamten Films (oder Kurzfilmprogramms) hindurch. Nicht alle Dolmetscher oder Sprecher sind hierzu geeignet. Eine gute Sprechstimme, Stressresistenz und Ausdauer sind Voraussetzung.
Auf der
Berlinale haben wir einen Film pro Tag eingesprochen, und zwar zwei- bis dreimal. Hier war ausreichend Zeit für die Vorbereitung vorhanden. Bei anderen Festivals kann es sein, dass ein Sprecher pro Tag drei Filme einsprechen muss. In solchen Fällen ist es besser, die Untertitellisten zuvor fürs Einsprechen zu übersetzen. Das Ergebnis wird sich am Ende nicht gleich als neue Titel setzen lassen, bildet dafür aber eine gute Grundlage.
Hier noch einige Regeln für das Zuarbeiten in diesem Fall:
1. Eingesprochene Filme sind keine Synchronisationen, sondern Filme mit gesprochenen Untertiteln. Es gilt in beiden Fällen: So viel wie nötig, so wenig wie möglich.
2. Dialoge und UTs lehnen sich an gesprochene Sprache an. Es gilt: „Mit den Ohren schreiben, nicht mit der Hand.“
3. Zur Bearbeitung von Einsprechlisten gibt es im Idealfall einen Filmlink. Es empfiehlt sich, im Script Stellen zu markieren, die sehr schnell sind, z.B. durch Kursivsetzung. Über die Geschwindigkeit geben auch die Timecodes Auskunft (die Zahlenreihe vor dem Titel).
4. In sehr hektischen Passagen ist es wichtig, die Atempausen des Einsprechers zu berücksichtigen. Tipp: Wer fürs Ohr schreibt und übersetzt, sollte zwischendurch auch laut lesen, vor allem bei der Übertragung einer sparsamen Sprache wie Englisch in eine ausführlichere wie Deutsch.
5. Anders als bei der Buchlektüre können Ohr und Auge im Kino nicht zurückspringen. Eindeutigkeit ist wichtig, Manierismen jeder Art sind zu vermeiden.
6. Abkürzungen, sofern gebräuchlich, dürfen mit etwas größerer Sorglosigkeit verwendet werden als bei echten Untertiteln. Ein lässiges „er war im Haustürverkauf tätig“, wir sehen aber, dass er „Außendienstmitarbeiter“ ist, darf anstelle von
Il a fait du porte-à-porte, zu
Il était VRP [voyageur représentant placier] verkürzt werden.
7. Sprichwörter werden mit der Entsprechung aus der andren Kultur übertragen, außer ein zitiertes Element kommt in der Geschichte vor. Dann muss abgewogen werden zwischen direkter Übertragung und Verschiebung in Richtung einer anderen sprichwörtlichen Metapher (die im Film vorkommt).
8. Probleme und Fragen jedweder Art bitte anmerken und deutlich vom Rest des Textes abheben.
9. Anders als in der Dolmetscherkabine sind drastische Ausrufe 1:1 wiederzugeben. Hier sind keine diplomatischen Folgen zu befürchten.
10. Have fun while working! Arbeitszeit ist Lebenszeit.
Früher, als Filme noch als Rollen ins Kino kamen, wurden die Untertitel in das Trägermaterial eingebrannt. Heute sind werden sie im Schnitt oder vom Vorführgerät zugespielt. Damit sind sie auch später noch redaktionell veränderbar. Die Überproduktion von Filmen führt aber leider dazu, dass nach Fertigstellung einer übereilten Festivalfassung später nur noch selten korrigierend eingegriffen wird. Außerdem haben erhöhte Nachfrage und andere Marktgesetze die Preise von Untertiteln verdorben. Es ist daher allen in der Festival- und Filmauswertungskette gedient — nicht zuletzt uns selbst, denn wir sind ja alle Zuschauer —, wenn akkurat gearbeitet wird.
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Foto: C.E. (Archiv)