Mittwoch, 30. Januar 2013

Nachtmahre

Willkommen et bienvenue beim Arbeitstagebuch einer Französischdolmetscherin und -übersetzerin. Meine Arbeitssprachen sind Deutsch, Französisch und Englisch (passiv). Das Tagewerk mit Sprache und Kulturen verändert auch die Nächte.

Buchrücken historischer Wörterbücher, darunter "Petit Larousse" und Sachs-Villatte
Der "Handapparat" meiner Ahnen (Ausschnitt) ...
Gleich noch einen Eintrag in Sa­chen Nachtunruhe. Für ei­nen Kunden habe ich letztens viel in Datenbanken recher­chiert, es ging um Märkte, Positionierungen und Verkauf. Prompt träumte ich mich in die Zeit meiner Ahnen hinein, die in verschiedensten Län­dern Garne orderten (je nach Wei­ter­ent­wick­lung der Mode) und diese an We­be­reien weiterverkauften ...

So saß ich plötzlich vor einem Computer des ausgehenden 19. Jahrhunderts, es waren Fotos der Ansprechpartner in den jeweiligen Unternehmen abgebildet, ich denke, sie stammten aus der Textilbranche, aber keine moderne Aufnahmen: Ernste Gesichter blickten mich aus frühen Fotografien in Sepia an. Die Bild­un­ter­schrif­ten waren in hellen Frakturbuchstaben auf schwarzem Untergrund gehalten, Telefonnummern standen nur unter der Firmenanschrift, "Durchwahlen" waren damals ebenso wie das Wort dazu natürlich unbekannt.

métier à tisser — Webstuhl (als Wörterbuchillustration)
... aus einem der Werke
Der historische Computer stand auf einem schweren Eichenschreibtisch, daneben Tintenfass, Tauchfederhalter und dieses kleine, wiege­arti­ge Gerät mit dem Löschpapier direkt darunter (der Begriff dafür ist heute unbekannt).
In den Umrissen war das Gerät kaum zu erkennen, wohl ein Rollschrank mit hochge­fah­re­ner Jalousie, wie er in alten Kontoren vorkam.

Sowas kommt von zu viel Arbeit: Unruhige Träume ... In meinen Radiozeiten, als ich Beiträge von drei Minuten dreißig Länge fabriziert habe, war mir, als träumte ich in ebendieser Länge. Wenn ich Untertitel texte, träume ich in OmU. Und manchmal wache ich eben auf, weil ich mit der richtigen Person in der falschen Sprache spreche.

OK, ich neige zum sehr differenzierten Nachtmahr, auch so ein Wort, das ich in den alten Wörterbüchern nachschlagen kann (die ich zum Beispiel bei der Über­setzung historischer Stoffe eifrig verwendet). Nachtmahr klingt für mich weiter gefasst als es die englische Variante nightmare vermuten lässt, kann es doch auch ein Fabel­wesen bezeichnen, Wikipedia verweist hier auf "Nachtalb". (Plural von Nachtmahr: Nachtmahre, von Nachtalb: Nachtalbe.)

______________________________
Fotos: C.E. (Archiv)

Keine Kommentare: