Mittwoch, 25. April 2012

Eierlegende Wollmilchs...

Willkommen auf den Seiten meines digitalen Arbeitstagebuches. Ich bin Übersetzerin, meine zweite Sprache ist Französisch. Aber auch über Dolmetscher schreibe ich hier, das sind jene Menschen, die mündlich übertragen, denn auch ich dolmetsche in den Bereichen Wirtschaft, Politik, Medien, Soziales und Kultur. Heute weiter in der (inexistenten) Rubrik: Kuriose Anfragen für begabte Multitasker. 

Beifahrer
Ich sitze immer auf dem Beifahrersitz (ohne Führerschein)
Neulich wurde im Auftrag eines großen Pharmakonzerns ziemlich verzweifelt ein Dolmetscher zum Einsatz in einer mittelgroßen Messestadt gesucht.

Im Anschreiben mutmaßte der Anfragende, dass es ihm wohl deshalb schwer falle, jemanden zu finden, weil vor Ort zeitgleich zwei große Messen stattfinden würden.

Er beklagte weiter, dass er nicht nur keinen Sprachmittler finden könne, sondern auch kein Hotelzimmer, um diesen unterzubringen. Der Einsatz würde an sechs nicht aufeinanderfolgenden Tagen in einem Zeitraum von zwei Wochen stattfinden; Wochendeinsätze seien möglich, dafür sei die Präsenz vor Ort nicht an allen Tagen unbedingt erforderlich, Heimfahrten gingen indes auf eigene Rechnung. Dabei, so stand in der Anfrage weiter, sei der Simultandolmetscher täglich nur drei bis vier Stunden gefordert, man möge also "halbe Tage" im Kostenvoranschlag berücksichtigen.

Wichtig sei auch, "mobil und relevant motorisiert zu sein", denn, so entnahmen wir der Mail, solle der Dolmetscher am besten von einem selbst zu findenden Privatquartier aus mit dem eigenen Wagen zu Patienten in der betreffenden Stadt fahren können, die an einer medizinischen Studie teilnehmen würden, und er solle weiterhin dazu imstande und willens sein, parallel zum Dolmetschen eine kleine Consumerkamera zu ausgewählten Momenten jeden Termins sachgerecht zu bedienen.

Die Höhe der offerierten Honorierung wurde uns vorab nicht mitgeteilt ... 

Wir haben weder nachgefragt noch den Suchenden wissen lassen, dass er einen Dolmetscherkameramannfahrer, der selbst disponiert, zu halben Honorarsätzen bei uns nicht kriegen kann.

Der große Auftraggeber hinter der Anfrage war ein großes, börsennotiertes Pharmaunternehmen. Die Agentur, von der die Anfrage kam, war ein Zwei-Mann-Unternehmen, das im Netz großspurig als Dolmetscher- und Übersetzungsagentur auftritt und dessen Geschäftsführer nicht nur selbst nicht vom Fach sind, den Herren sind auf ihrer Webseite auch etliche fachliche Fehler in der Beschreibung unserer Arbeit unterlaufen.


So, ich wende mich dann mal ernsthaften Kostenvoranschlägen zu.

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Foto: C.E. (Archiv)

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