Dienstag, 21. Februar 2012

8.-10. Berlinaletag: Vermischtes

Weil Englisch inzwischen zur Hauptsprache der Berlinale avanciert ist, komme ich nach fünf einsamen Berlinalejahren abends endlich auch mal wieder dazu, auf Parties und Empfänge zu gehen. In der Zwischenzeit ist das Nichtraucherschutzgesetz in Kraft getreten, ich bin also optimistisch, was die Luftverhältnisse angeht. Manche Einladung ist dabei gar nicht so einfach zu erhalten, denn wer einmal die Schublade "Produktionsmitarbeiterin" oder "Aktive eines Filmverbands" verlassen hat, mein Parallelleben gewissermaßen, steckt in Deutschland einzig und allein in der neuen Schublade.

Kurz: Einige Termine klappten im eigenen Namen, gelegentlich trat ich auch als "Mitbringsel" in Erscheinung, weil mitunter die Suche von Koproduzenten für neue Filme etwas länger dauerte und wir bei den Empfängen weitersuchen mussten.

... durfte auch im Abendkleid betreten werden ;-)
Vorbildlich: nordmedia
Aber nicht selten schlug meine Freude in blankes Entsetzen um: Überall wurde geraucht ... oder fast. An manchen Orten blieb ich "draußen" auf dem Gang, da waren die Gespräche zwar weniger stimmungsvoll als im Saal, aber wenigstens konnte ich sicher sein, auch am Folgetag noch bei Stimme zu sein. Trotzdem stanken nachher alle Klamotten.

Die Qualmerei war übrigens nur deshalb zulässig, weil die Abende als "geschlossene Gesellschaften" deklariert worden waren.

... nach solch' einem Termin husten eine Berliner Nachwuchsproduzentin und ich noch zwei Tage synchron. Die einladenden Institutionen sind im Falle von Filmförderungsgesellschaften öffentlich finanzierte Einrichtungen. Am Arbeitsplatz die Gesundheit gefährden? We are not amused.

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Eines Morgens werde ich von einer Einlasskontrolle zurückgepfiffen, wie ich zu einem Termin in den Pressebereich stürme. Ich muss sehr irritiert dreingeschaut haben, der Mann entschuldigt sich sofort und sagt: "Ich muss nur einen Kollegen einweisen und wollte ihm kurz Ihre Akkreditierung zeigen. Also: Die hier darf alles!" Die Karte mit dem roten Streifen hat er gemeint.

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Das vielleicht zärtlichste Moment der Berlinale hier, mir wurde die Episode vor dem Kinosaal erzählt. Weil Studio Babelsberg gerade seinen 100. feiert, werden auf der Berlinale etliche alte Filme gezeigt, zum Teil sind es Stummfilme mit Livemusik. Einmal kommt aufgeregt ein Mann mittleren Alters zum entsprechenden Kinosaal und bittet um Zutritt, außerdem sei er auf der Suche nach einem Freund. Veikko, der an der Tür steht, kann den Mann zunächst beruhigen, der eine Stunde vor der Zeit eingetroffen ist. So bleibt dem Besucher noch ausreichend Zeit, telefonisch seinen Bekannten zu verständigen, dessen Abwesenheit sicher zur Nervosität beitrug. Leider konnte der Angerufene trotzdem nicht mehr zur Vorstellung zu kommen, er hat seine Teilnahme dann ganz abgesagt. So betrat der nervöse Publikumsgast den Saal, nicht ohne zuvor dem Mann am Einlass die überzählige Karte in die Hand zu drücken mit den Worten: "Vielleicht kommt ja noch jemand, der sie brauchen kann."

Und wie's der Zufall will, steht doch tatsächlich kurz darauf jemand vor Veikko, dem Türhüter, und fragt, ob er nicht vielleicht doch noch eine Karte bekommen könne, er wisse, es sei ausverkauft, aber vielleicht ... Gerne hätte ich die Gesichter der beiden gesehen, als der Berlinalemitarbeiter lässig die überzählige Karte aus der Gesäßtasche zieht und sie dem letzten Gast in die Hand drückt.

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Mit einer Kollegin aus Paris gehe ich in den kanadischen Wettbewerbsbeitrag, der in Afrika spielt. Er erzählt die erschütternde Geschichte einer Kindersoldatin. Eigentlich soll der Film auf Französisch sein, ist er auch, zumindest alle Übergänge, bei denen die Hauptfigur aus dem Off spricht. Zwischendurch ist der Film auf Lingala und deutsch untertitelt.

Und schwupps dolmetsche ich wieder, auch, wenn es es nicht ganz professionell ist, ich hab den Film ja nicht vorher gesehen oder wenigstens die Untertitelliste studiert. ("Rebelle" von Kim Nguyen, Kanada 2012). 

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Jedes Jahr bekommt die Berlinale mindestens eine halbe neue Sektion und zwei neue Spielorte hinzu. Ich schaffe es nie, die Runde zu machen. Können wir nicht auch wieder übersichtlicher werden, mon ami ?

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Mon ami ist nicht das Synonym zu "Bel Ami", der Neuverfilmung des Maupassant-Romans, die im Wettbewerb lief (den Film sah ich in Vorbereitung einer Radiosendung), sondern ein kleines Echo auf den einzigen Mann Deutschlands, der mit Vornamen mein Freund und mit Zunamen Dieter heißt. Im Jahr, in dem Dieter Kosslick der neue Chef der Berlinale wurde, fiel mir auf, wie inflationär viele Menschen nur von "meinem Freund Dieter" sprachen. Also ist mir dieses Bonmot auf der Berlinale 2001 einfach so "rausgerutscht". In Cannes, also ein Vierteljahr später, wurde es mir bei einem Empfang von Rolf Bähr, dem damaligen Leiter der FFA zurückerzählt. (Er wusste aber nicht, von wem der Spruch stammte.)
Kleine Branche!

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Interview dolmetschen
So, und "mein Freund" war das Stichwort, ich eile jetzt rasch zur exklusivsten Berlinaleparty überhaupt: Dieter hat eingeladen, gleich treffen sich maximal 1000 Menschen zur Mitarbeiterparty. Hier gibt's keinen Einlass, weil man besonders einflussreich oder besonders gestyled ist, wer hier tanzt, gehört zum Club der Auserwählten, die zwischen anderthalb Wochen und einigen Monaten lang täglich Opfer gebracht haben und ohne die ein Festival gar nicht möglich ist.

Morgen folgt der letzte Teil.

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Fotos: C.E.

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