Mittwoch, 15. Februar 2012

7. Berlinaletag: Schnappschüsse

Willkommen auf den Seiten des digitalen Logbuchs einer Dolmetscherin und Übersetzerin. Meine Arbeitssprachen sind Französisch, Deutsch ... und Film. An dieser Stelle schreibe ich regelmäßig und so, dass man nicht die Betreffenden, dafür aber durchaus die Situationen erkennen kann, über den Berufsalltag. Derzeit bin ich auf der Berlinale.

Winterliches Obst und Gebäck im Hotel
An manchen Berlinaletagen sind die Bedürfnisse des Körpers zweitrangig, da merke ich nicht mal, wenn ich nasse Füße habe. Morgens sitze ich Spracharbeiterin neben einem Star und übertrage seine Antworten konsekutiv ins Deutsche, die Interviewfragen simultan ins Französische. Alle 20 Minuten kommt ein neuer Journalist in den Raum, wenn es nicht mehrere sind. Gegessen werden Kekse, Mini-Schokocroisssants und Rosinen-schnecken sowie "Flugobst" (aus südlichen Landen).
Der Service hat Anweisung, uns nicht zu stören. So kann ich auch das Käsebrötchen nicht bestellen, das ich mir nach zwei Stunden wünsche im Rahmen einer ... wie war das Wort gleich noch ... Pause?

Ach, und der grüne Tee, der an solchen grauen, langen Tagen die Aufmerksamkeit schärft, will auch irgendwann wieder gehen. Zaghaft melde ich ein Bedürfnis an. Aber einige Pressevertreter haben sich verspätet, wir gelangen in Zeitnot. Es wird geschoben ... und nochmal geschoben. Irgendwann. Endlich! (Ich bin sehr eindeutig gewesen dieses Mal.)

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Mittags gab es bei einem weiteren Essen mit potentiellen Koproduzenten gleich wieder Flugobst, Heidelbeeren auf weißem Schokoladeneis. Und auf einigen saß tatsächlich keck ein Häubchen aus Blattgold. Mitessen? Ich schiele auf die Nachbarteller. Offenbar mitessen. Bevor ich dazu komme, klingelt das Telefon ...

Wenig später wird in einem Film ein junger Restaurator die Brandnarben seiner Geliebten vorsichtig mit Blattgold schmücken ("Spanien", Regie: Anja Salomonowitz, Österreich 2012).

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Beim Dessert klingelt wie gesagt das Handy: Ob ich in 35 Minuten im Delphi sein und anschließend für einen Schauspieler dolmetschen könnte.... Bei Tisch ist das Wesentliche besprochen, also kann ich und flitze in den Film "Spanien". Anschließend sitze ich auf der Bühne zwischen zwei Schauspielern, übertrage ein auf Deutsch geführtes Publikumsgespräch per Flüsterdolmetschen für Schauspieler Grégoire Colin.
Dann kommt mein Moment: Der einzige Dolmetscheinsatz dieses Jahr ins Deutsche fürs Forum! Grégoire Colin spricht gefühlte neun Minuten, beendet immer wieder seine Sätze, lässt eine Pause fürs Dolmetschen entstehen, und während ich das letzte Stichwort notiere, hebt er nochmal an, ich schreibe weiter, ein Blatt voll, dann beschreibe ich den einen Rand, dann den anderen. Am Ende darf ich doch auch sprechen. Ich verdolmetsche das Gesagte in gefühlten sieben Minuten, merke, ich bin sehr genau, es macht Spaß, ohne Anlaufzeit auf den Punkt zu kommen. 

Kurze Pause. Szenenapplaus vom Publikum. Dann sagen die Männer links und rechts von mir simultan (fast) das gleiche Wort, beeindruckend/impressionant. Diese Synchronizität und der Szenenapplaus haben dann wiederum mich beeindruckt. Danke! Das war jetzt besser als Dessert.

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Im Kino schlafen bedeute, dem Film zu vertrauen, sagte einst Godard. Dieses Jahr erlebe ich meinen Berlinaleschlafhöhepunkt: Ich begebe mich, erschöpft von den Strapazen, in Morpheus' Arme, und als ich aufwache, sehe ich auf der Leinwand einen Mann, der im Kino schläft. (Was wirklich nur etwas über mich aussagt, nicht über den Film, es war der Wettbewerbsbeitrag "Tabu" von Miguel Gomes, Portugal, Deutschland, Brasilien, Frankreich 2012.)

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Abends gibt's eine frische Käsestulle: Freunde haben Karten für den Thatcher-Film mit Meryl Streep besorgt, eine schauspielerische Glanz-leistung. Den Film muss ich nochmal sehen, bevor ich mich richtig äußere, aber ich habe den Eindruck, dass die politische Ebene zu kurz kommt. ("The iron Lady", Phyllida Lloyd, Großbritannien 2011. Mein Gefühl spiegelt die SZ wider.)
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Morgens halb zwei sind wir mit nassen Füßen wieder zu Hause. Scheematsch!

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Fotos: C. Elias

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