Montag, 13. Februar 2012

5. Berlinaletag: Knapp

Bienvenue auf den Seiten des Arbeitstagebuchs einer Berliner Dolmetscherin und Übersetzerin für die französische Sprache mit Fachgebiet Film. Derzeit spielt am Potsdamer Platz die Musik, und in den Kulissen des Filmfestivals wirke auch ich als Sprachmittlerin. Manchmal ist alles aber ziemlich knapp.

Berlinalefrühstück bei uns zu Hause. Auf der Truhenbank in der Küche sitzt Georg.(*), der ein Regiestudium absolviert hat und einige Jahre als Drehbuchautor sein Geld schön regelmäßig verdient hat. Dieses Jahr ist er nicht auf der Berlinale. Dieses Jahr hat er auch keinen Job in Aussicht. Georg, so will's der Zufall, wohnt im Haus nebenan und ist mit einem unserer Berlinale-Logiergäste eng befreundet.

"Mein Clan ist futsch", resümiert er lapidar. "Ich hab für einige ältere Kollegen geschrieben, zwei sind gestorben, einer ist in Rente, ich steh jetzt ohne Familie da". Und neuen "Familienanschluss" zu finden sei nicht einfach. Die Positionen Sohn, Nichte, Lieblingsenkel scheinen bei den meisten schon besetzt.

Hanna (*), seine Frau, die Animationsfilm studiert hat, war zwei Jahre bei einem etablierten Unternehmen als "Praktikantin nach dem Studium" tätig, "das ist heute so üblich", kommentiert sie. Man habe immer durchblicken gelassen, dass sie "sich nur bewähren" müsse ... und jetzt sei der Chef mit neuen Praktikanten "gut im Geschäft", die alte Belegschaft durfte gehen.

Tolle Geschäfte. Die beiden jobben in angrenzenden Berufen, das Geld reicht knapp zum Leben. Wir anderen schweigen betreten und hoffen, vielleicht mal um eine Empfehlung gebeten zu werden, dann wissen wir, wen wir ins Spiel bringen können. Die prekäre Lage vieler in unserer Branche sollte sich mehr rumsprechen, finde ich.

Gleich eile ich noch auf die Mitgliederversammlung des Verbands, in dem ich mich zu Hause fühle, denn hier komme ich her: In der AG DOK sind Menschen vieler Gewerke engagiert, die zum Teil auch im Spielfilmbereich aktiv sind, die aber eher "mehrere Hüte" tragen, z.B. ein Autor, der zugleich auch Regie führt und der seine eigene, (ko-)produzierende Firma hat. Die Arbeits- und Lebenssituation der Kreativen und der Produzenten in Frankreich und Deutschland ist ein Thema, das ich hier einbringen kann, weil's mich auch wissenschaftlich beschäftigt.

Anschließend flitze ich zur Diskussion über Urheberrecht und Digitalisierung des Kinos, bei der die Frage vertieft werden soll, ob das Netz eine Chance ist oder eher als Bedrohung wahrgenommen wird. Dann folgt ein Arbeitsessen: Die Anbahnung großer, internationaler Koproduktionen findet nicht selten im Restaurant statt. Ob wir's dann noch zum Empfang in die französische Botschaft schaffen? Könnte knapp werden ...


(*) Namen geändert.
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Foto: C.E. (Archiv)

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