Montag, 6. Februar 2012

In Saint-Denis

Gestern habe ich für Thomas Heise in Saint-Denis gedolmetscht, wir hatten bereits in Marseille miteinander zu tun. Heise und ich waren auf einem kleinen und feinen Festival zu Gast, das den schönen Titel “Journées cinématographiques dionysiennes” trägt.

vor der Veranstaltung wartet Plenel
Nach der Aufführung von Heises Film "Material" wurde über das Thema
Le « 89 » arabe, Réflexions sur les révolutions en cours diskutiert, "Das arabische '89', Gedanken über die laufenden Revolutionen". Mit dem gleichen Titel brachte unlängst (der ebenfalls schon von mir verdolmetschte) Benjamin Stora gemeinsam mit Edwy Plenel ein Buch heraus, und so tauschten sich die Regisseurin Hala Alabdalla, der Filmkritiker Tahar Chikhaoui, Ko-Autor Edwy Plenel und Heise (auch mit dem Publikum) zum Thema aus.

Es war eine hochspannende Veranstaltung. Leider haben uns die örtlichen Gegebenheiten dabei nicht unbedingt positiv beeinflusst. Wir hockten an die Bühnenrampe gelehnt, was für kurze Filmgespräche sicher OK ist. Positiv daran war auch, dass wir nicht weit weg vom Publikum saßen. Zur mangelnden Bequemlichkeit kam aber noch die Tatsache hinzu, dass wir nicht überall sitzen konnten: In regelmäßigen Abständen waren Lampen in die Kante der Rampe eingebaut, die sehr heiß wurden.

So gab es "an der deutschen Ecke" zwei Richtungen während der Diskussion: Einerseits die der ganz außen sitzenden Dolmetscherin hin zur Mitte bzw. den anderen Rednern, die zum Teil nur sehr schwer zu hören waren (über Lautsprecher, die natürlich den Saal beschallen sollten; ihre Lautstärke an der Rampe war für eine beständig vor sich hinmurmelnde Dolmetscherin nicht getestet worden) und andererseits die des direkt daneben sitzenden Regisseurs weg von der Mitte, weil er keine Lust hatte, sich den Allerwertesten verbrutzeln zu lassen. Der Kampf zwischen Zentrifugal- und Zentripetalkraft entfaltete seine ganz eigene Energie ...

Das Thema war mitreißend, und es hat mitgerissen: Allerdings wurde meine Arbeit dadurch weiter erschwert, weil mancher Redner immer mehr in Fahrt kam und am Ende mit gefühlter Überschallgeschwindigkeit sprach.

Edwy Plenel, Hala Alabdalla (verdeckt),Thar Chikhaoui,
Thomas Heise, Caroline Elias
Das Beflüstern meines Dolmetschkunden war insgesamt etwas mühsam: Ich konnte aus diversen Gründen nicht alles so gut hören, wie ich es hätte hören wollen, hatte keinerlei Blick aufs Mundbild, von dem unsereiner das Fehlende abliest, und dann dauerte die Chose statt der geplanten anderthalb Stunden auch noch zwei Stunden 15 Minuten ...

Was mache ich in einer solchen Situation? Ich habe manches Statement so gut es ging zusammengefasst, was angesichts des komplexen Themas und der Tempi bei einigen Kandidaten fast nicht möglich war. Auch wenn ich nichts für die Rahmenbedingungen kann, bei mir bleibt Unzufriedenheit zurück. Die Äußerungen Heises, die ich konsekutiv übertrug, waren verglichen damit ein Kinderspiel.

Am Ende gab's ein mündliches und auch noch ein schriftliches "Debriefing" zur Dolmetschsituation, denn wer aus Erfahrungen nicht lernt, ist schlichtweg dumm.

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Fotos: C.E.

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