Journalisten und Moderatoren lernen in der Ausbildung, dass eine Frage nie länger als 30 Sekunden dauern soll. In ihr soll Respekt für das Gegenüber zum Ausdruck kommen, echtes Interesse, außerdem ein Stil des Fragenden, der Sorgfalt in der Arbeit und Freundlichkeit ausstrahlt, kurz: alles, was ein Gegenüber darauf schließen lässt, es mit einer kultivierten Persönlichkeit zu tun zu haben, die auch dann die Privatsphäre respektiert, sollte im Eifer des Gefechts ein Satz zu viel fallen.
Interviewte haben sich innerlich auf das Gespräch vorbereitet, ihnen sind vielleicht schon Fragen und Gedanken im Kopf rumgesprungen, sie sind um ihr Bild besorgt, das sie hinterlassen werden, und dennoch, sie sagen ja zum Interview und möchten Auskunft erteilen.
Bis hierhin nur Binsen. Und doch kam es zu folgenden Ereignissen:
Eine europäische Hauptstadt, wir befinden uns im Kino einer Kinemathek. Der Moderator begrüßt Gast und Publikum, äußert Freude über den Filmemacher an seiner Seite, erläutert die Einladung, bahnt eine Frage an, stellt sie.
Der Gast schweigt. Sagt nach einer Pause: Ja./Nein./Vielleicht. (Genau erinnere ich mich nicht mehr, aber es war nur ein Wort.)
Der Moderator fragt noch einmal. Antwort: Kann sein.
Die Dolmetscherin (ich) hat das Gefühl, als einzige nervös zu werden, als das Spiel wieder losgeht: Frage, darauf eine Silbe Antwort oder zwei.
Das Gespräch wurde zur Beruhigung aller abgebrochen, es war zu quälend, der vorausgegangene Film ließ dennoch viele Fragen offen.
Ortswechsel, wieder eine Hauptstadt: Wir interviewen eine Grande Dame des Fotojournalismus. Das Interview ist für Arte, der Interviewer ein aufstrebender Universtitätsangehöriger. Er hat Karteikarten vorbereitet, die er nun abliest, ohne sein Gegenüber zwischendurch anzusehen: "Sie waren dann und dann dort und dort und sahen/sprachen/erlebten ... Woran erinnern Sie sich noch?" (Ich fühl' mich wie im falschen TV-Programm und muss an "This is your life" denken.)
"A pas grand chose !" lautet die Antwort, an nicht viel. Die Fragen hatten ja alles schon gesagt, die akademische Faktenreihung war so voller Distanz und übervoll an Stichworten, dafür zu leer an erkennbarem menschlichem Interesse, so dass auch hier das große Schweigen einsetzte.
Auch hier war meine Not als Dolmetscherin und Regieassistentin mindestens ebenso groß wie die des Fragenden und des Befragten. Derlei kann dem passieren, der es zu gut meint und mangelnde Berufserfahrung durch Fleiß kompensiert.
Beim Fernsehinterview konnte meine Vorbildung die Situation ein wenig retten. Als Journalistin (in einem früheren Arbeitsleben) hatte ich schon einmal diese Berühmtheit portraitiert, und was vor dem Mittagessen nicht in den Kasten kam, wurde eben nach dem Mittagessen aufgezeichnet.
Keine Kommentare:
Kommentar veröffentlichen