Donnerstag, 22. November 2007

Filme dolmetschen

Internationale Filmfestivals präsentieren Filme aus aller Herren Länder. Damit das geneigte Publikum sie auch versteht, gibt es uns: Dolmetscher.

Wir sprechen die Filme simultan ein, das ist "vorbereitetes Dolmetschen". Über eine Dolmetschanlage, Infrarotsender und -empfänger gelangt der Ton dann in Ihren Kopf.

Auch ich bin eine der Stimmen in Ihrem Knopf im Ohr. Einen oder zwei Tage vorher erhalte ich eine Dialogliste oder den Ausdruck der Untertitel. Die Dialogliste gibt Zeile für Zeile alle Dialoge des Films wieder, und Untertitel sind die Reduktion dieser Worte auf lesbare Zweizeiler. Leider kann ich bei keiner der beiden Textformen erkennen, wer jeweils spricht, bin also auf Hintergrundinformation über den Film angewiesen. Meine Erfahrung hilft mir auch hier weiter.

Wenn alles prima läuft, bekomme ich im Vorfeld auch den Film in Kopie oder werde zur Pressevorführung eingeladen. Doch in Zeiten der Filmpiraterie wird das immer schwieriger, und selbst uns erfahrenen Filmdolmetschern mit Kontakten zur Filmwirtschaft gelingt es aufgrund von Knebelverträgen nicht immer, den Film im Vorfeld zu sehen. (Wir erleben heute leider eine Stimmung allgemeinen Misstrauens, wo Teilnehmern von Pressevorführungen die Taschen durchwühlt und die Mobiltelefone konfisziert werden, man könnte ja sonst vielleicht unerlaubterweise einen Ausschnitt mitfilmen ...)

So dass ich oft schon glücklich bin, wenn ich beide Textlisten, die mit den Gesamtdialogen und die mit den Untertiteln, in Händen halten darf. Das Gute an der Dialogliste ist: sie ist meistens in der Originalsprache, denn jede Übersetzung ist Interpretation. Das Gute an der Untertitelliste: Hier hat schon mal jemand den Film gesehen, das für ihn oder für sie Wichtigste destilliert. Und es stehen die Längen der jeweiligen Passagen dabei, die sogenannten 'Zählerstände", an denen ich ablese, welche Szenen sehr schnell gespielt sind und wann ich mir Zeit lassen kann.

Dann bereite ich alles vor, schlage Vokabeln nach, markiere, wo es mit der Luft eng werden wird (ich also mehr kürzen muss), kritzle Fragezeichen an den Rand, wo ich nicht verstehe, was gemeint ist, das erhöht später in der schallisolierten Dolmetscherkabine die Aufmerksamkeit.

Dort angekommen, schicke ich eine kurze Bitte an Hermes oder Hermine, die Götterboten und Schutzheiligen der fliegenden Händler, Diebe und Grenzgänger. Deren Hilfe brauche ich, weil es zum Beispiel auf der Berlinale für mich meist dreisprachig zugeht: Wenn der Film auf Deutsch ist, dolmetsche ich die englischen Untertitel möglichst schnell ins Französische, damit die Zuschauer nicht irritiert sind wegen zu großer Verschiebung von Bild und Ton.

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Fotos: C.E., die Bilder sind von 2007, stammen
aus dem Berlinale-Festivalpalast. Ausschnitt der
UT-Liste zu "Ballast" von Lance Hammer, 2008.
Wie es mir danach geht, steht hier.

1 Kommentar:

André hat gesagt…

Lustigerweise werden ja viele Kopien schon im Kopierwerk "abgezweigt". Abfilmen im Saal oder Kopieren einer Vorbereitungskopie ist eher verschwindend gering.