Dieser Tage sitze ich an einer langen Übersetzung. Tage - was sag' ich, es wird etliche Wochen dauern, inklusive Lektorat bis in den Januar. Es geht um das Image des deutschen Kinofilms in Frankreich. Der Text entstand als Projektarbeit an der französischen Grande Ecole Institut d'Etudes de Sciences Politiques in Paris. Er ist eine Mischung aus wissenschaftlicher Studie, Hintergrundanalyse und Erfahrungsbericht.
Die Autoren, Studenten im vorletzten Studienjahr, sind unvoreingenommen an die Sache herangegangen. Und sie stecken schon seit vier Jahren im französischen akademischen Betrieb, in dem Wissen angehäuft, Methode gelehrt und Stil geprägt wird, um das Ganze für den Leser entsprechend zu verpacken.
Und hier genau ist der Haken des Projekts. Die Studenten schreiben im Grundlagenteil stellenweise redundant, nehmen den unwissenden französischen Leser an die Hand, schreiben wie für einen Senatsabgeordneten, der ja auch Figuren für späteres verbales Kapriolenschlagen braucht. Dann sind Partien wieder sehr dicht und faktenreich - auch das hat seinen Grund. Es geht um das Neue, um praktische Ansätze und Erkenntnisse, die neue Weichenstellungen bereits mit sich brachten.
Mein Übersetzen ist also vielmehr ein Übertragen. Ich habe das Vorgehen mit den Studenten abgesprochen, sie vertrauen mir, da sie im Jahr, in dem sie forschten, von mir auch viele Kontakte, Namen und Mailadressen erhielten.
Dennoch: Die Arbeit fällt mir schwerer als gedacht. Ich muss zwischendurch immer wieder den Kopf frei kriegen, klebe zu sehr an der Ausgangssprache. Und ich muss den richtigen Tonfall finden für die deutsche Branche, Wiederholungen raus- und Fußnoten reinnehmen. Und ich werde ergänzende "Servicekästchen" texten, sie mit meinen Initialen versehen und ein Vorwort schreiben.
Warum so viel Arbeit? Weil auch der Subtext übersetzt werden muss. Wenn ein Journalist eines staatlichen Rundfunksenders sagt: « L’entente cordiale avec l’Allemagne est dans l’esprit des Français une nécessité plus qu’une empathie réelle »wird daraus "In den Köpfen der Franzosen entspricht die 'entente cordiale' mit Deutschland mehr einer Notwendigkeit als echter gefühlter Nähe" samt einer Fußnote zu "entente cordiale", wörtlich: "herzliches Einverständnis". So lautet der Name eines Abkommens über die Aufteilung der Einflusszonen im kolonialen Afrika, das Frankreich und England 1904 geschlossen haben. Und da von allen Beteiligten Deutschland und Frankreich in ihrer Rolle für die europäische Einigung reflektiert werden, muss ich die Anspielung erläutern.
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