Donnerstag, 14. Januar 2021

COVIDiary (240)

Willkommen beim Blog aus der Arbeitswelt. Wie Dolmet­scher und Übersetzer ar­beiten, ist oft nicht gut bekannt. Seit die Pan­demie aus­ge­brochen ist, hat sich unsere Arbeit stark verändert.

Warum ein zweiter Monitor, hat mich eine Kundin gefragt. Sie meint das Bild von gestern.

Die Sache ist schnell erklärt. Wir haben hier auf einer Konferenz­seite gear­beitet, die nicht von den Bedürf­nissen von uns Sprach­arbeiterinnen her gedacht worden ist. Die Kunden grei­fen in der Regel auf Seiten zurück, die sie kennen, die be­kann­teste ist wohl Zoom. Bei dieser Seite gibt es keine Funk­tion zur Stafet­ten­übergabe, also den Wechsel zwischen uns Dolmet­scher/innen, wir hören dort auch nicht, was die Kollegin/der Kol­lege sagt, wenn sie oder er dol­metscht. Und das Mit­hören dort ist wichtig. Darüber später mehr.

In einer Kabine geschieht der Wechsel mit Blicken und Hand­zeichen, jetzt sitzen wir aber meistens an verschie­denen Orten. Das macht die Arbeit kompli­zierter.

Wir melden uns einmal als Dolmetscher/in zu den Veran­staltungen an, ein zweites Mal als Teil des Publikums: Auf dem Rechner habe ich dann die Veran­staltung mit den "Kacheln", auf denen ich so groß es irgend geht die Redner/innen sehe, hier schalte ich mich als Dolmet­scherin zu, und über das an­de­re Gerät höre ich meine Kollegin der digita­len Kabine. Es ist wichtig, dass ich das zweite Mikro­fon auf "stumm" stelle, sonst gibt es einen bösen Echo­effekt.

Was für Hinweise und Tipps gibt es noch aus der Praxis? Für alle Teil­nehmenden ist es wichtig, vor jedem Ein­satz die Software zu aktu­alisieren, bei einem mehr­tä­gi­gen Event am besten täglich, denn die Software wird ständig verbessert. Sonst kann passieren, dass die angebotene Dolmetsch­funktion aus Sicht des Pub­li­kums, eine Weltkugel, über die die gesuchte Sprachversion ausgewählt wer­den kann, bei veralteter Soft­ware nicht angezeigt wird.

Links (sehr klein) das Handy als zweiter Monitor

Auch kann ich aus Erfah­rung empfehlen, vor Beginn einer Fern­dol­metsch­sit­zung den Rechner neu zu star­ten, denn nicht alle Programme kündigen vorab an, wenn sie auf die Sound­kar­te zugreifen. 

Und um die volle Leistung der Sound­karte und der In­ter­net­band­brei­te zu ver­fü­gen, öffne ich an­schlie­ßend auch nur die Fenster, die ich für die Arbeit wirk­lich brauche. 

Für Präsentationen, Vokabel­listen und zum raschen Nach­schlagen habe ich letztes Jahr sogar ein drittes Gerät verwendet. Ein Technik­dienst­leister hatte die Ka­bi­nen in einer Halle aufgebaut und uns statt nor­ma­ler Dolmet­scherpulte Com­pu­ter hin­ge­stellt, daneben einen kleinen Monitor für die Stand­leitung zur Kol­le­gin, die in einer ei­ge­nen Bos saß. Dann kam noch der eigene Rech­ner fürs Ma­te­rial hinzu und schon war die Sache ein wenig |eng| unübersichtlich.

Bei externen Einsätzen finde ich es übrigens positiv vorab zu klären, ob und wel­che Tech­­nik genau vor Ort angeboten wird, PC oder angebissen' Obst, weil sie nicht die gleichen "Shortcuts" haben (Tasten­kom­bi­na­tionen für Sonderzeichen und be­son­de­re Funktionen). Beim Dolmet­schen machen meine Hände ihre Arbeit au­to­ma­tisch: Vorlagen oder Wörter suchen, irgendwo einloggen, Multitasking halt. Da hab ich kein Neuronen­fitzelchen frei um mir zu überlegen, wie dies oder das bei "den an­de­ren" nochmal war.

Lustig ist, dass eine Firma wie Zoom derart weit entfernt ist von der Spracharbeit, dass sich ein Überset­zungsfehler in der Software jetzt über Monate hält. Wenn der Host der Veranstaltung unser­einen zu Dolmetsch­personen erklärt hat, ploppt auf unserer Seite ein Fensterchen auf: "Ihnen wurde ein Dolmetscher zugewiesen." Das ist die korrekte (automatische) Übersetzung eines fehlerhaften Satzes, der ei­gent­lich heißen müsste: You have been assigned as interpreter, Sie sind als Dol­met­scher eingeteilt (und nicht an).

Insge­samt müssen wir bei Ferndolmetschen eine höhere Frustra­tions­toleranz ha­ben. Wir sehen nur einen Teil der Kunden, die Zusammenarbeit ist nicht so eng auf besonderen Dolmetscherseiten oder vor Ort, wir bekommen kaum Feedback. Es ist ein wenig wie in einen leeren Raum hineinzufunken.

Jetzt muss ich noch den oben angekün­digten Gedanken zuende bringen: Dol­met­schen ist grund­sätzlich Teamarbeit, wir schreiben füreinander auch Begriffe, Da­ten und Zahlen auf. Das fällt bei Ferndolmetschen, bei dem die Doppelkabine räum­lich getrennt ist, bislang auch weg. Daher sollte bald eine Ta­blet­funk­tion kom­men, wo wir mit einem Stift etwas auf den Monitor (noch einen!) schrei­ben können, was dann nahezu zeit­gleich auf dem Tablet der Kol­legin/des Kol­legen zu sehen sein wür­de. Mit einem Finger­tippen ließe sich die Notiz aus der Hand­schrift heraus schließ­lich als getipptes Wort in eine Vokabelliste einfügen, die sich am besten von alleine alpha­betisch auf­steigend sor­tiert.

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Foto:
C.E.

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