Donnerstag, 10. Juli 2025

Kritische Bildung

Gu­ten Tag oder gu­ten Abend! Sie le­sen in ei­nem Ar­beits­ta­ge­buch, das den The­men Spra­che, Dol­met­schen, Über­set­zen und Kul­tu­ren ge­wid­met ist. Als frei­be­ruf­li­che Sprach­mitt­le­rin ar­bei­te ich dort, wo ich ge­braucht wer­de, oft am Film­set, bei Kun­den oder in der Dol­met­sch­ka­bi­ne. Daf­ür muss ich stän­dig le­sen und ler­nen. Dar­über ver­ges­se ich oft, dass (noch) nicht al­le Men­schen in un­se­rem Land so bil­dungs­op­ti­mis­tisch sind.

V
ie­le von uns Er­wach­se­nen im Lan­de ha­ben die ei­ge­nen Groß­el­tern oder Ur­groß­el­tern ge­fragt, wie es zum Auf­stieg der Na­zis kom­men konn­te, da­zu, dass de­ren Lü­gen sa­lon­fä­hig wer­den konn­ten, dass de­ren Het­ze und Ver­dre­hun­gen der Sach­la­ge ge­glaubt wur­den.

Selbst­stu­dium: Ich ha­be mich, be­glei­tet von An­ge­hö­ri­gen, ein­ge­le­sen, zu den Krie­gen, aus­ge­hend vom deutsch-fran­zö­si­schen Krieg, über den Ers­ten Welt­krieg, bis hin zum Ver­sail­ler Ver­trag und sei­nen Ent­schä­di­gungs­for­de­run­gen, zu de­nen auch Wis­sen­schaft­le­r:in­nen aus dem Aus­land heu­te sa­gen, dass durch die Sum­men, die kaum rea­lis­tisch wa­ren, der Keim für den Zwei­ten Welt­krieg ge­sät wur­de. In mei­nem Bil­dungs­weg wa­ren die ei­ge­nen El­tern wich­tig, Vor­fah­ren, die Krie­ge an der Front er­lebt und De­tails ver­mit­telt ha­ben, mein Stu­di­um in Frank­reich.

Rück­sprung in die Zeit vor 100 Jah­ren: Bit­te­re Ar­mut, Bör­sen­krach und ein Ge­fühl der Er­nie­dri­gung ha­ben die Men­schen mür­be ge­macht und da­mit emp­fäng­lich für Schuld­um­kehr, Grö­ßen­wahn, Hass und Ver­blen­dun­gen. Die di­rek­te An­kün­di­gung des De­sas­ters war zu­gäng­lich, stand in vie­len Bü­cher­re­ga­len. Doch die meis­ten fie­len nur auf die Be­gleit­mu­sik r­ein, die sim­plen Pa­ro­len, die bald schon im Takt von Marsch­mu­sik ge­brüllt wur­den, und die vermeintliche Be­nen­nung der Schul­di­gen. Da­bei war das Dra­ma an­ge­kün­digt. Die brei­te Mas­se hat nie nach­ge­le­sen, was sich da zu­sam­men­ge­braut hat, zu­sam­men­ge­braut wur­de.

So wie heu­te ge­wis­se Be­völ­ke­rungs­grup­pen nicht le­sen, de­nen oft auch die for­ma­le Bil­dung fehlt, in tie­fe­re Ana­ly­sen ein­zu­stei­gen, Wi­der­sprü­che aus­zu­hal­ten, zu be­grei­fen, wie wis­sen­schaft­li­che Er­kennt­nis­se ent­ste­hen.

Bil­dung ist Ar­beit. Und die ist nicht vor­aus­set­zungs­los. Wer sie nicht leis­ten kann oder wem die Zeit da­für fehlt, der/die ho­le sich Be­ra­ter:in­nen mit Fach­kom­pe­tenz, hin­ter­fra­ge aber zu­vor de­ren Wis­sen und Ab­sich­ten, und zwar auf die glei­che Wei­se, wie auch Quel­len zu hin­ter­fra­gen sind. Auch das ist er­for­dert Kom­pe­ten­zen.

Köpfe und Mobiltelefone
Viele sehen die Welt nicht mehr
Quel­len­kri­tik ist heu­te ei­ne Grund­vor­aus­set­zung für po­li­ti­sche Teil­ha­be, ja so­gar mehr noch, wich­ti­ger, als es ein Füh­rer­schein für die Teil­nah­me am Stra­ßen­ver­kehr ist (sagt die Nut­ze­rin von Schus­ters Rap­pen, Rad, Bus und Bahn).

Wun­der­bar: Dä­ne­mark bie­tet jetzt Schul­stun­den an, in de­nen Fa­kes, Des­in­for­ma­ti­on und de­ren Hin­ter­grün­de ana­ly­siert und ver­netzt ge­dacht wer­den. Das ist um­so wich­ti­ger, als die KI in­zwi­schen Fakes liefert, die nur noch Ge­schul­te von ech­ten Informa­tio­nen un­ter­scheiden kön­nen. Es ist da­mit zu re­chnen, dass die­se Fakes im­mer über­zeu­gen­der wer­den.

Die dä­ni­sche In­itia­ti­ve ist her­vor­ra­gend!

Ich wün­sche uns da­rü­ber mehr Berichterstattung. (Der NDR hat Quel­len zu Un­ter­richts­ma­te­rial zu­sam­men­ge­stellt: klick!)

Auch wir soll­ten ein Schul­fach da­zu ein­füh­ren und An­ge­bo­te im Rah­men einer gro­ßen, ko­or­di­nier­ten Ak­tion. Und zwar er­wei­tert: auch vie­le Er­wach­se­nen in un­se­rem Land könn­ten das ge­brau­chen. Al­le, bis hin zu Oma und Opa, brau­chen ent­spre­chen­de Bil­dung. Le­bens­lan­ges Ler­nen ist heu­te ei­ne Grund­vor­aus­set­zung!

Für den Nach­wuchs gibt es ein schö­nes „Ein­falls­tor” für Bil­dung: vor­le­sen! So­gar schon den Kleins­ten, am bes­ten je­den Abend, ger­ne be­reits beim Nach­hau­se­kom­men. Es gibt viel zu ler­nen: Ge­füh­le, Wör­ter, Fak­ten, Phan­ta­sie, Neu­gier­de, Selbst­be­wusst­sein, ... (hier mehr auf der Sei­te der Stif­tung Le­sen).

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Bild: pixlr.com (Zu­falls­fund)

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