Nachts ist Berlin an etlichen Orten eindrucksvoller als am Tag |
Weghören ist für uns Mitreisende unmöglich. Eine bestimmte Person würde rumtratschen, sogar Lügen über sie verbreiten, klagt sie. Das sei eine "Amüsphäre", in der sie nicht mehr Freundin genannt werden möchte.
Ich stelle mir diese Amüsphäre vor: Parties, Alkohol, Tanzengehen, Fast Food und Tabak, mit oder ohne Zusätzen, lauter Irgendwie-Youngsters. Ich finde meine Fantasie begrenzt und schäme mich fast dafür. Höre und sehe hin.
Die Frau ist maximal 35 Jahre alt, und die kämpft nicht nur mit Fremdwörtern — die Grundlagen der deutschen Sprache fallen ihr schwer. Sie ist untersetzt, hat ein aufgedunsenes Gesicht, strähnige, blondierte Haare, und als ich anfange, mir einige Fragen zu stellen, schreit sie: "Hör auf mit diesem ‘Jessie, beruhig disch. Nein, kein Beruhigen!’" ins Mobiltelefon.
Die Frau ist maximal 35 Jahre alt, und die kämpft nicht nur mit Fremdwörtern — die Grundlagen der deutschen Sprache fallen ihr schwer. Sie ist untersetzt, hat ein aufgedunsenes Gesicht, strähnige, blondierte Haare, und als ich anfange, mir einige Fragen zu stellen, schreit sie: "Hör auf mit diesem ‘Jessie, beruhig disch. Nein, kein Beruhigen!’" ins Mobiltelefon.
Sie trägt eine künstlich gebleichte Jeans mit großen Rissen darin, komische Mode, vor allem im November, ein zu knappes T-Shirt mit aufgeklebten Glitzersteinchen, ein nicht lesbarer Schriftzug zieht sich über die üppige Brust, neue Sportschuhe und -jacke. An der Leine hält Jessie einen Kampfhund, dessen Maulkorb am Griff eines Kinderwagens baumelt. Das Kleine im Wagen, maximal zwei, schläft. Es ist halb 12 in der Nacht.
Ein Mitreisender wacht erschrocken aus der Trance auf. Er sieht, wie der Kampfhund vor ihn steht und ihn mit unfreundlicher Mine belauert. Es folgt eine gemurmelte, aber hörbare Schimpftirade auf derlei Vierbeiner, verbunden mit der Forderung nach einem Hundeführerschein.
Das Baby wacht auf und schreit wie am Spieß. Jessie klemmt sich das Telefon zwischen Schulter und Ohr und nestelt ein zweites Gerät aus ihrer engen Jeans. Sie stellt einen lauten Zeichentrickfilm an und hält ihn dem Baby hin, das schlagartig aufhört zu schreien. Dann schimpft auch die Mutter weiter, jetzt über den Mitreisenden, den Schreihals, die Welt, das Ganze zur aufgedrehten, kitschigen Schräpmusik aus dem Kinderwagen.
Die Erfindung mobiler Technik war nie störender als in diesem Augenblick. Meine Empathie ist bei dem Kind, beim Kleinen von heute, sowie dem großen Kind, das gestern klein war. Es ist schmerzhaft. Hoffentlich sind wir bald da.
Ich stelle mir diese Amüsphäre vor: Parties, Alkohol, Tanzengehen, Fast Food und Tabak, mit oder ohne Zusätzen, lauter Irgendwie-Youngsters. Ich finde meine Fantasie begrenzt und schäme mich fast dafür. Höre und sehe hin.
Die Frau ist maximal 35 Jahre alt, und die kämpft nicht nur mit Fremdwörtern — die Grundlagen der deutschen Sprache fallen ihr schwer. Sie ist untersetzt, hat ein aufgedunsenes Gesicht, strähnige, blondierte Haare, und als ich anfange, mir einige Fragen zu stellen, schreit sie: "Hör auf mit diesem ‘Jessie, beruhig disch. Nein, kein Beruhigen!’" ins Mobiltelefon.
Die Frau ist maximal 35 Jahre alt, und die kämpft nicht nur mit Fremdwörtern — die Grundlagen der deutschen Sprache fallen ihr schwer. Sie ist untersetzt, hat ein aufgedunsenes Gesicht, strähnige, blondierte Haare, und als ich anfange, mir einige Fragen zu stellen, schreit sie: "Hör auf mit diesem ‘Jessie, beruhig disch. Nein, kein Beruhigen!’" ins Mobiltelefon.
Sie trägt eine künstlich gebleichte Jeans mit großen Rissen darin, komische Mode, vor allem im November, ein zu knappes T-Shirt mit aufgeklebten Glitzersteinchen, ein nicht lesbarer Schriftzug zieht sich über die üppige Brust, neue Sportschuhe und -jacke. An der Leine hält Jessie einen Kampfhund, dessen Maulkorb am Griff eines Kinderwagens baumelt. Das Kleine im Wagen, maximal zwei, schläft. Es ist halb 12 in der Nacht.
Ein Mitreisender wacht erschrocken aus der Trance auf. Er sieht, wie der Kampfhund vor ihn steht und ihn mit unfreundlicher Mine belauert. Es folgt eine gemurmelte, aber hörbare Schimpftirade auf derlei Vierbeiner, verbunden mit der Forderung nach einem Hundeführerschein.
Das Baby wacht auf und schreit wie am Spieß. Jessie klemmt sich das Telefon zwischen Schulter und Ohr und nestelt ein zweites Gerät aus ihrer engen Jeans. Sie stellt einen lauten Zeichentrickfilm an und hält ihn dem Baby hin, das schlagartig aufhört zu schreien. Dann schimpft auch die Mutter weiter, jetzt über den Mitreisenden, den Schreihals, die Welt, das Ganze zur aufgedrehten, kitschigen Schräpmusik aus dem Kinderwagen.
Die Erfindung mobiler Technik war nie störender als in diesem Augenblick. Meine Empathie ist bei dem Kind, beim Kleinen von heute, sowie dem großen Kind, das gestern klein war. Es ist schmerzhaft. Hoffentlich sind wir bald da.
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Foto: C.E.
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