Mittwoch, 29. November 2023

Museum der Wörter (34)

Hallo, hier bloggt ei­ne Sprach­ar­bei­te­rin. Ich über­set­ze und dol­met­sche. Ar­beits­spra­chen: Fran­zö­sisch (aktiv und passiv) und Eng­lisch (nur Aus­gangs­spra­che), die Büro­kol­legin über­setzt ins Eng­lische. 

Von ei­ner Fir­ma wurde ich ge­be­ten, et­was kor­rektur­zu­le­sen, das an­geb­lich von ei­ner Fach­frau über­tra­gen wor­den sein soll. Das The­ma:

            
                      W
andeltisch vs. Schwingtisch

Der Text geht in et­wa so: "Ein Klapp­tisch ist ei­nem Klapp­tisch sehr ähn­lich, al­ler­dings wer­den die Blät­ter hier von Tisch­bei­nen ge­tra­gen, die aus der Mit­te her­aus­schwin­gen, um die Flä­chen ab zu stüt­zen. Ein Klapp­tisch, bie­tet mit her­un­ter­ge­klapp­ten Sei­ten­flä­chen we­ni­ger Flä­che als ein Klapp­tisch."

Da war be­stimmt kein Pro­fi am Werk! Ob­wohl ich es schon weiß, schub­se ich die bits and bytes noch­mal durchs Sys­tem für den Be­weis, dass es ein KI-Tool war. Das Wort tool heißt 'Werk­zeug' und weist dar­auf hin, dass es einer mensch­li­chen Hand be­darf, um es zu führen.

Ich su­che dann für mich nach Be­grif­fen, auch in al­ten Fach­bü­chern, denn es geht um An­ti­qui­tä­ten.

Ich fin­de drop leaf ta­ble, das scheint der Ober­be­griff für Ti­sche zu sein, an de­nen die Ver­grö­ße­rungs­ele­men­te klap­p­bar sind. Stel­len wir uns ei­nen ecki­gen Tisch vor, an des­sen Sei­ten sich klei­ne ge­run­de­te Er­wei­te­run­gen run­ter- oder hoch­klap­pen las­sen, von um­leg­ba­ren Kei­len oder her­aus­zieh­ba­ren Stüt­zen ge­hal­ten; am En­de lässt sich an einem run­den Tisch Platz neh­men.

Gateleg table unter Ahnenportraits
Das be­schrie­be­ne Mo­dell ge­hört zu ei­ner Un­ter­ka­te­go­rie. Die Tisch­plat­te in der Mit­te scheint zu­sam­men­ge­schrumpft et­wa auf das Maß der Tisch­platte einer Kon­so­le. Ein sol­cher Tisch heißt auf En­g­lisch gate­leg ta­ble.
Die Bei­ne ste­hen kom­pakt in der Mit­te, da­her ent­steht von der Sei­te her vi­su­ell der Ein­druck ei­nes "Tors" (the gate). Meistens las­sen sich hier zwei Plat­ten­sei­ten aus­­klap­­pen die größer sind als die Flä­che der zen­tra­len Tisch­plat­te; um sie zu stüt­zen, gibt es he­raus­schwenk­ba­re Ex­tra­bei­ne. Und ja, sind die­se an den Kern her­an­ge­klappt, kann auch ich den mas­si­ven Ein­druck ei­nes al­ten, re­prä­sen­ta­ti­ven Stadt­tors er­ken­nen.
In mei­nem Foto­ar­chiv fin­de ich die pas­sen­de Bebilderung, al­ler­dings nur von der Vor­der­sei­te her ge­se­hen.

In­ter­es­sant, dass die­se Art Klapptische vor al­lem in en­glisch­spra­chi­gen Ge­gen­den be­kannt ist, in Eng­land zum Bei­spiel, wo ver­mut­lich schon län­ger häus­li­che Platz­not ge­herrscht hat. Auch die Amish peop­le bau­en sol­che Tische. Sie eig­nen sich sehr gut dort, wo nur sel­ten Gäste emp­fan­gen wer­den, und sie sind die Ur­ah­nen des aus Wolf­gang Beckers Film "Good bye Le­nin" wohl­be­kann­ten MuFuTis.

Auf Deutsch gibt es für die­se Ti­schart noch den Be­griff "Wan­del­tisch" oder "aus­klapp­ba­rer Bei­stell­tisch". Ti­sche wie der Gate­leg ta­ble, al­so je­ner mit den schwenk­ba­ren Bei­nen, wer­den auch "Schwing­tische" genannt.

Eine gänz­lich an­de­re Va­ri­an­te sind "Aus­zieh­ti­sche", auch "Ku­lis­sen­ti­sche" ge­nannt. Hier ist nicht die Thea­ter­ku­lis­se ge­meint, der Na­me kommt aus dem Fran­zö­si­schen, élé­ment cou­lis­sant, wört­lich: "ver­schieb­ba­res Teil".

Dem Kun­den habe ich emp­foh­len, die Ori­gi­nal­be­grif­fe zu ver­wen­den und sie kursiv oder in An­füh­rungs­zei­chen zu set­zen. Und vor al­lem die Web­sei­te pro­fes­sio­nell über­set­zen zu las­sen. Bin ge­spannt, ob da was nachkommt.


Vo­ka­bel­no­tiz DDR-Deutsch

Der MuFuTi Mul­ti­funk­ti­ons­tisch

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Foto:
C.E.

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