Sonntag, 19. Mai 2019

Glamour!

Gu­ten Tag! Sie sind mit­­ten in ein Ar­­beits­­ta­­ge­­buch rein­­ge­­ra­­ten, in dem sich al­les um Spra­­che, Dol­­met­­schen, Über­­setzen und Kult­­uren dreht. Als frei­be­ruf­li­che Dol­met­scherin und Über­set­zerin ar­bei­te ich in Cannes, Schwe­rin, Pa­ris, Berlin, Brüs­sel und gerne dort, wo Sie mich brau­chen! Heute ein anderer Blick auf den glanz­vollen Fes­ti­val­betrieb.

Cannes: Pailletten, Strass, Glamour, Stöckelschuhe, Manner aller Altersgruppen in Smokings, überwiegend junge Ladies in hautengen Roben, kaum ein Film aus weib­li­cher Hand, so schaut's dieser Tage an der Côte d'azur aus.

"In Cannes zeigen Frauen ihre bobines, Männer ihre Filme" lau­tete schon vor vielen Jahren die Über­schrift eines Gast­beitrags der Abend­zeitung Le Monde. Das Wort bobines ist natürlich schillernd doppeldeutig gemeint, so heißen Film­büchsen, im vor­lie­genden Kontext sind aber eher Brüste gemeint. Die Lage än­dert sich nicht, solange Frauen viel seltener Geld für Film­pro­duktion (und Stoff­ent­wick­lung) be­kom­­men und ihnen noch viel weniger große Budgets anvertraut werden.

In der Unter­zeile des Artikels weist Fes­ti­val­di­rek­tor Frémaux 'positive Dis­kri­mi­nie­rung' zurück







"Frau­en und an­dere Min­der­hei­ten" ha­ben in Cannes heute ebensowenig ihren selbst­ver­ständ­lichen Platz wie manche Film­kul­turen und Spra­chen. Immer­hin werden die Film­dis­kus­sio­nen noch auf Fran­zö­sisch geführt (und ins Eng­lische ver­dol­metscht). Ver­glichen mit Ber­lin ist das ...

Naja, ich erspa­re mir die Po­le­mik. Und weil wir Frauen ja Fach­leute in Sa­chen Putzen und derlei sind, hier noch ein rascher Blick in die Fes­ti­valkulissen, mein Foto des Mo­nats. Für etwas Gla­mour lass' ich eine Hand­voll Gold­staub springen. Voilà !

(1) winziges Plastikstück (2) viel Papier (3) Biomüll in der Papiertüte (4) Geschirr
Meine Mülltrennung im Hotel

Warum bekommen Hotels eigentlich keine Mülltrennung hin? Hier meine Ausbeute gegen Ende von sechs Festivaltagen: (1) Plastik, (2) Papier (3) Biomüll in der Pa­pier­tü­te (4) Geschirr (mit dem kompletten Plastikmüll).

Für den Papiermüll gibt es im Hotel keine Abwurfstelle, ich habe ihn im Fes­ti­val­bü­ro entsorgt. Biomüll hat auch dort niemand auf dem Schirm. Ich bin alle zwei Tage einen kleinen Umweg gegangen und habe den Busch einer Grünanlage ge­düngt. Guerilla composting!

Cannes sollten ALLE Frauen boykottieren, bis die ver­ant­wort­li­chen Film­bran­chen­män­ner ihr Um­welt- und Gen­der­prob­lem gelöst haben. Ich stelle mir das grad ganz praktisch vor. Die Film­för­der­ver­ant­wort­li­chen, in der gro­ßen Mehrzahl inzwischen Frauen, könnten auch am Rad dre­hen. Ich stelle mir vor: Ein Jahr Film­pro­duk­tions­pau­se für alle, das Geld wird in Stoffentwicklung investiert und in Fortbildungen, damit niemand hungern muss, wobei die Gelder zu 2/3 an Frauen gehen sollten (als aus­glei­chen­de Ge­rech­tig­keit, und an jun­ge El­tern). Parallel dazu sollte in der Bran­che ein bedingungsloses Grundeinkommen gezahlt werden. Das würde einige Jahre später die Festivals komplett durchpusten!

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Illustration: Le Monde / C.E.

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