Donnerstag, 7. Februar 2019

Kollege Maschine?

Will­kom­men auf mei­nen Blog­sei­ten aus der Welt der Spra­che. Meine Fach­ge­bie­te sind Wirt­schaft, Politik, Soziales, Kultur und Film. Die Berlinale geht heute los. Noch ist es ruhig für mich.

Allgemeine Texte in der Presse seien ebenso re­le­vant wie wenn eine be­kannte Frau­en­zeit­schrift über das Lie­bes­le­ben der Pinguine schreiben würde, urteilt eine Kol­le­gin über die ir­re­füh­rende Wie­der­ga­be von Zita­ten, die aus dem Kon­text ge­ris­sen sind. In diesem Fall wird aller­dings kein Re­cher­che­in­ter­view zitiert, sondern die Online-Dis­­kus­­sion eines Fachar­tikels. Konkret geht es um sach­lich Fal­sches, das eine Tages­zeitung veröf­fent­licht hat.

Medien prägen durchaus das Bild, das sich die Bevöl­ke­rung von un­se­rem Berufs­feld macht.

Vor Inbetriebnahme Handbuch lesen!
Auf den Grup­pen­sei­ten eines so­zia­len Netz­werks de­bat­tie­ren wir über DeepL, ein Über­setzungs­an­ge­bot, das aus Linguee hervorgegangen ist. Das wie­der­um ist eine Seite, die Be­griffs­ent­spre­chun­gen im Kon­text auf­fin­det und ein­an­der ge­gen­über­stellt. DeepL geht weiter. Die Web­seite bie­tet gratis Übertragungen an, die besser sind als das, wozu Babelsfish und Google bislang imstande waren.

„DeepL ist inzwischen oft besser als manche Humanübersetzer“, wird heute Über­setzer­kol­le­gin Andrea Bernard in einem Artikel zitiert, den der „Tagesspiegel“ ge­bracht hat. Dass sie dabei in der Diskussion unter einem Fachartikel gerade keine Profis gemeint hatte, daher der etwas verkrampfte Begriff „Hu­man­über­setzer“, sondern Schüler, Studenten oder Menschen, die ihren Alltag mit Lernen, Haus­halts­füh­rung oder Pfle­ge verbringen und vielleicht am Abend über dubiose „Agen­turen“ noch den schnel­len Taler zu machen hoffen, wird indes nicht wiedergegeben. Das Zitat ist also ent­stel­lend. Hier schreibt ein Jour­na­list mit über­raschend ge­ringer Re­cher­che- und Re­flexions­tiefe.

Andrea Bernards Beitrag hatte auf der Blogseite des Verbands DVÜD ex­akt die ge­gen­tei­li­ge Schluss­fol­ge­rung gehabt, dass nämlich die vermeintliche Eleganz und Verständ­lichkeit man­cher „Lö­sun­gen“ maschineller Über­set­zung die Nutzer blen­den würde, sodass sogar schwer­wie­gende Ent­stel­lun­gen und Ver­keh­run­gen mög­li­cher­weise un­ent­deckt blieben.

Aber auch wir nutzen Dienste wie Linguee und DeepL zwi­schen­durch: Um unsere Neu­ronen zu lockern, um vielleicht auf Muster­über­setzungen zu stoßen oder als eines unter meh­reren Wörter­büchern. Ersetzen wird uns sowas in abseh­barer Zeit nicht. Dafür ist Sprache viel zu komplex, zu emotions­geladen und unvollständig, zu wech­sel­haft, grup­pen­ge­bunden und im­pro­visiert.

En un tour de manivelle — im Handumdrehen
Lustig las sich für mich noch ein Zitat im Ta­ges­spie­gel­ar­tikel. DeepL-Entwickler Ku­ty­lows­ki definiert Dol­metscher als jemanden, der/die „sich mit ge­spro­che­nen Texten be­schäf­tigt ...“ Vor meinem geis­tigen Auge scheinen jetzt eckige Sprech­blasen in DIN-Format mit Esels­oh­ren und Rand­no­tizen auf, die ra­scheln, wie Pa­pier eben raschelt. Hier äußert sich ein Profi mit über­raschend ge­rin­ger verbaler Trenn­schärfe.
Ich nutze die Ge­le­­gen­heit, um einen Link nachzutragen. Ralf Lemster, Vizepräsident des Bundesverbands der Dolmetscher und Übersetzer (BDÜ) wurde neulich von der Süd­­deut­schen Zei­tung interviewt. Der Ex­per­te für maschinelle Übersetzung meint: "Die Tex­te sind zu komplex und den Pro­gram­men fehlt der Kontext."

Kontext, der ewige Schlacht­ruf der Sprach­ar­bei­te­rin­nen und Sprach­ar­beiter! Und Lemster weiter: "Der Horizont der gängigen Über­set­zungs­systeme ist der Satz und endet mit dem Punkt. Ein Mensch weiß, was drei Sätze zu­vor stand und kann einen Zu­sam­men­hang herstellen."

Was war sonst heute? Ter­mi­ne ma­chen, ler­nen, erster Ber­li­na­le­empfang, dort Be­ra­tung zum Umgang mit gedrehtem, fremd­spra­chigem Material. Die Frage nach einer Publi­ka­tion zum Thema kommt auf. Gut, jetzt habe ich also ein Buch­pro­jekt für die Industrie und gleichermaßen für die For­schung. Noch ein Buch­pro­jekt ... Ich weiß jetzt, was ich dieses Jahr haupt­beruflich neben dem Dol­met­schen ma­chen werde: schreiben!

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Foto: C.E.

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