Donnerstag, 14. Februar 2019

Interviews interpretieren

Seit fast zwölf Jahren führe ich hier mein öffentliches Arbeitstagebuch als Dol­met­scherin und Über­setzerin. Als frei­be­ruf­li­che Sprach­mitt­lerin ar­bei­te ich in Paris, Berlin, Heidelberg und Marseille — und (fast) überall dort, wo Sie mich brauchen.­

Was das Dolmetschen von Interviews so anstrengend macht, sind die Schleifen, die Wiederholungen und damit eigentlich genau das, was leicht erscheint.

Press Junkets: Alle 20 bis 30 Minuten kommen neue Pressevertreter in den Raum, ein Journalist oder eine kleine Gruppe von Men­schen, die dann im Wechsel Fragen stellen. Fragen und Ant­worten ähneln sich. Die Performance von Regie und Dol­­met­schen ist nun darauf ausgerichtet, originell, klug und über­ra­schend zu sein. So ein Interview­ter muss stets wie spontan antworten, darf nie gelangweilt oder an­ge­strengt wirken — und wir Dol­met­scher auch. Und dabei keinesfalls Teile aus der Antwort von der letzten Runde über­tragen, selbst wenn der Satz­­an­fang in beiden Fällen gleich war.

Stenoblock, Hände, Getränke
Subjektive der Dolmetscherin mit Ersatzblock
Manche Regisseure 'dirigieren' in echter Re­gis­seurs­art dabei auch ihre Dol­met­scher. Das habe ich vor vielen Jahren bei Claude Cha­brol erlebt. Mit­un­ter dolmetsche ich auch Schau­spieler. Da beob­ach­te ich an mir selbst mi­me­tische Effekte, das ist lustig. "Aus einem Atem" war ein an­de­res Mal, als ich einem Dreh­buch­autor meine Stimme geliehen hat, der Kom­men­tar des Ver­an­stal­ters.

In ei­ner Pause hat mir heute eine Journalistin meine Arbeit gespiegelt. Das, was ich als "beginnende mi­me­tische Effekte" an mir selbst verspüre, be­schreibt sie als Nach­tur­nen von Gesten an den entsprechenden In­ter­view­stel­len. Will sa­gen: Je­mand macht an einer bestimm­ten Stelle eine wegwerfende Hand­be­we­gung oder an einer anderen Stelle rollt er oder sie mit den Augen. Ohne, dass ich derlei Ges­tik in meine Notizen schreiben würde, scheine ich sie in an genau den Stellen meiner Ver­dol­met­schung ein­zu­bauen.

Die Jour­na­lis­tin hat übrigens mal beim Film gearbeitet, und zwar im Bereich Con­ti­nuity, wo auf genau diese Details geachtet wird. Ich war mir meiner "Ver­to­nungs­kunst" bis in dieses Detail nicht be­wusst. Wirklich nicht.

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Foto: C.E.

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