Bonjour, welcome, guten Tag! Seit zehn Jahren können Sie hier lesen, was
Französischdolmetscher und -übersetzer umtreibt, wenn sie neben Politik und Wirtschaft
Schwerpunkte wie Film und Fernsehen haben. Darf ich im Jubiläumsjahr ganze Beiträge zitieren? Ja, ich darf. Und arbeite rasch weiter in meinen anderen Fachgebieten, heute Politik. Hier also der Beitrag vom 27. Februar 2014.
Ja,
es gibt ein Leben jenseits der Berlinale: kleinere Festivals,
Drehbücher und Finanzierungspläne, die übersetzt werden dürfen. Wir
Fachdolmetscher sind immer froh, wenn wir in der Kabine Platz nehmen
dürfen. Mitunter dürfen wir vor dem Einsatz noch die Kolleginnen
'briefen', die vielleicht etwas weniger als wir Filmdolmetscher mit
der (heute kaum noch) flimmernden Bildkunst zu tun haben.
Beispiele. Le scénario original est de ... so
beginnt ein typischer Pressekonferenzsatz, ein Satz, der seine Tücken
hat. Denn leider ist es falsch, ihn so zu übersetzen: "Das originelle
Drehbuch ist von ...", auch wenn der betreffende Film seine
ungewöhnlichen Momente gehabt haben mag. Es handelt sich vielmehr um das
Originaldrehbuch (und eben um keine Romanverfilmung).
Drei Sätze weiter ist vom script girl die Rede. Dumm, wenn aus la scripte dann
"das Mädchen, das das Drehbuch geschrieben hat" wird, der Kontext
vermag derlei einzuflüstern. (Vermeiden lässt sich das nur durch
Vorbereitung und "Briefing".)
Das Script girl wurde
auf DDR-Deutsch "Ateliersekretärin" genannt. Sie ist immer am Set,
schreibt ins Buch, welche Dialogteile in welchen Einstellungen gedreht
wurden, nimmt eventuelle Dialogänderungen auf, da nicht immer alles
exakt so umgesetzt wird, wie es original im Drehbuch steht. Die
überarbeitete Fassung ist wichtig für die Etappen der Endfertigung.
"Original" ist überhaupt ein schwieriges Wort. Der Originalschauplatz heißt auf Französisch décor naturel
und nicht, wie Fachfremde vielleicht meinen mögen, das "natürliche
Dekor". Diese Übelsetzung klingt sehr nach "Franzosentheorie", nach
1:1-Übertragung, deren Opfer in den 1990-er Jahren die französische
Soziologie in Deutschland geworden ist. Prägnantes Beispiel hierfür: La trajectoire de l'artiste, der individuelle Weg des Künstlers, der damals auf Deutsch regelmäßig mit "die Flugbahn des Künstlers" wiedergegeben wurde (und den heute viele in bestem Beamtendeutsch als "Laufbahn" des Künstlers übertragen).
Oder das von mir hier schon einmal vorgestellte "verweigerte Happy-End" für eine nicht erfolgte Risikoversicherung, completion bond oder "Fertigstellungsgarantie" auf Deutsch. Hintergrund dieses (wundervollen) Lapsus: Die Franzosen nennen derlei eine clause de bonne fin.
Das sind alles Originalbeispiele und keine originellen Beispiele. Und péché originel heißt
"Sündenfall" auf Französisch. Ja, für uns Profis fühlt es sich wie ein
solcher an, wenn mancherorts Amateure oder Profis mit anderen
Fachbereichen zu Filmterminen einbestellt werden. Schlussklappe!
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Foto: C.E. (Archiv)
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