Steh-Dolmetschpult (unergonomisch) |
Das ist ungefähr so praktisch, wie wenn Bäcker plötzlich auf die grandiose Idee verfallen würden, Brot aus Zement zu backen. Sieht (angemalt) aus wie Brot, ist sogar viel schicker als Brot, denn es hat einen unübertrefflichen Vorteil: Es verfügt auch nach einigen Tagen noch über das gleiche Gewicht und es wird garantiert nicht trocken. Total haltbar! Hier: Drei wunderschöne eingebaute Kabinen mit viel Platz für bis zu drei Kolleginnen je Sprache, exzellent schallisoliert, bequeme Ausstattung. Aber fragt ja nicht nach dem Blick auf das Mundbild oder wer bei raschen Sprecherwechseln jetzt gerade dran ist.
Gefühlte 90 % der Dolmetscher sind Frauen, gefühlte 90 % der international tätigen Architekten sind Männer. Gibt es da irgendeinen Zusammenhang?
Unter der Überschrift "Frauen, Kulturen, Freiheit" reihten sich gestern Abend die Höhepunkte aneinander: Eine Performance mit Step dance, eine Filmvorführung und Podiumsdiskussion, moderiert von der Generalsekretärin des Deutsch-Französischen Kulturrates, Doris Pack. Es sprachen: Frédérique Bedos, Journalistin und Regisseurin, und Nadia Beugré, Choreographin aus der Côte d'Ivoire, die in ihren sehr politischen Aufführungen auch die Lage der Frauen in Afrika thematisiert.
Einer der springenden Punkte des Genderthemas, und hier gefällt mir eigentlich das französische le nerf de la guerre viel besser, ist das Finanzielle. Ich habe mir folgende Zeilen aus dem Film "Des femmes et des hommes" von Frédérique Bedos notiert: Frauen leisten 66 % der Arbeit auf der Welt, stellen 50 % der Lebensmittel her, bekommen 10 % des Einkommens und verfügen über 1 % des Reichtums.
Vielen Dank ans Team der Ambassade de France à Berlin für diesen an Anregungen reichen Abend!
Über die Situation in Deutschland hat eine gute Bekannte einen Film gemacht: "Makro: Ehebonus vor dem Aus?" zeigt der Sender 3sat am 10. März um 21.00 Uhr, anschließend ist er in der Mediathek verfügbar. Im deutschsprachige Kultursender läuft derzeit die Themenwoche, welche "Zukunft ist weiblich" überschrieben ist. Der Film von Ilona Kalmbach und Sabine Jainski ist dem Ehegattensplitting gewidmet, dem Steuersparmodell der 1950er Jahre, das bis heute die Weltsicht vieler Männer und Arbeitgeber prägt. Das Steuerrecht hütet das weibliche Rollenbild der Ehe- und Hausfrau — sie muss nicht einmal Mutter sein, damit das Paar in den Genuß großer Vergünstigungen kommt.
Dabei fehlt vor allem Geld für Kinder. Das Ehegattensplitting kostet uns alle jährlich 21 Milliarden Euro, dieses Geld fehlt in der Ausbildung und Betreuung für alle Kinder — egal welcher Herkunft.
Der Spruch nicht nur für heute |
Steuerberaterin Reina Becker hat dies nach dem Tod ihres zuvor kranken Mannes selbst erfahren. Sie musste plötzlich 42 Prozent Einkommenssteuer zahlen und nicht mehr 35 wie zovor, Ergebnis des wegfallenden Ehegattensplittings.
Raina Becker klagt nun dagegen, halten wir ihr die Daumen. Hier mehr dazu im "Stern": Ehegattensplitting — wie der Staat Alleinerziehende abzockt.
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Foto: C.E.
2 Kommentare:
Liebe Caroline,
der Ehegattensplitting ist durchaus zu kritisieren, allerdings sind die Angaben von Frau Becker doch zu hinterfragen. 42% Steuern fallen auf den Einkommensanteil nach über 52.000€ an. Das heißt aber auch noch lange nicht, dass dann 42% Steuern auf dieses Gehalt anfallen. Und wenn sie vorher einen kranken Mann zu versorgen hatte, dann ist es doch durchaus positiv und sozialpolitisch gerecht, wenn sie weniger Steuern zahlen musste.
Wenn weiterhin vor dem Todesfall der Höchstsatz von 35% anfiel, dann bedeutet es, dass Frau Becker über ein Einkommen in Höhe von mind. 80.000€ verfügt. (ich orientiere mich hier an den Tabellen auf: http://www.sozialpolitik-aktuell.de/tl_files/sozialpolitik-aktuell/_Politikfelder/Finanzierung/Datensammlung/PDF-Dateien/abbIII21a.pdf)
Das ganze wirkt dann auf mich, als wollte man schon wieder Steuern senken und nicht mehr Steuergerechtigkeit. Und dass hier letztlich mehr für die Großverdiener als für die sozial schwachen argumentiert wird...
Dass Frauen ungerecht bezahlt werden und in prekären Arbeitsverhältnissen versauern, ist eine andere Sachen. Zuallererst sollte es einfach keine Minijobs mehr geben und statt dessen sozialversicherungspflichtige Arbeitsplätze. Dann bräuchten wir mehr Kindertagesstätten mit (Ganztags-)Krippenplätzen und mehr Erziehern, damit wäre auch mehr für die Bildungschancen der Kinder getan...
Und wenn dann Männer und Frauen gleichermaßen (vielleicht auch beide einfach nur noch 30-35h) arbeiten und bezahlt werden, dann greift auch das Ehegattensplitting nicht mehr...
Liebe(r) ??? [ich ahne, wer ...],
vielen Dank für die profunde Erklärung der Hintergründe. Und ja, natürlich hatte sie Erleichterungen für die Versorgung eines kranken Ehemannes und spielt sich ihr Einkommensproblem auf einem eher hohen Level ab.
Und dass 450-Euro-Jobs vor allem Frauen benachteiligen, weil es meistens "typische Frauenaufgaben" sind, die darunter fallen, und Altersarmut programmiert wird bzw. es ihnen ohne eigenes Standbein erschwert wird, eine zerrüttete Ehe zu verlassen, sehen übrigens vor allem die Franzosen sehr deutlich. Sie schreiben vom "deutschen Jobwunder auf Kosten der Frauen", vom weiblichen Prekariat und Zementierung der Machtverhältnisse über das Sozialversicherungs- und Steuerrecht.
Die Dreißigstundenwoche für alle sowie die Einführung von Familienzeit, die auch von jungen Großeltern, Onkels und Patentanten genommen werden kann und erweitert wird auf Pflegezeiten in Fällen von Krankheit und Alter würde weiter dazu beitragen, dass Frauen grundsätzlich (und besonders im gebärfähigen Alter) nicht mehr diskriminiert werden.
Und dann in Bildung investieren, von der Bildung für die Minis angefangen ...
Wir wüssten schon, wie es geht, n'est-ce pas ? Gehen wir in die Politik?
Gruß
Caroline
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