Dieser Tage, irgendwo in Europa. Es werden die Folgen trumpscher Politik besprochen, die Lage in Europa und der Türkei, diverse anstehende Wahlen und was solche Entwicklungen für die Meinungsfreiheit aller sowie die Grundrechte von "Frauen, Behinderten und anderen Minderheiten" bedeutet, wie der Schnack gemeinhin geht, ich meine also die Mehrheit der Bevölkerung plus die Zugezogenen, sexuell divers Orientierten und andere potentiell diskriminierte Gruppen.
Es haben sich zusammengefunden: Sozialarbeiter, Vertreter karitativer Verbände, Gewerkschaftsjugend, NGO-Mitglieder aller Altersgruppen, Helfer, die mit Geflüchteten arbeiten, Leute etlicher Vereine, die mit sexuellen Minderheiten arbeiten.
Vier Kabinen, die im Kongresszentrum dauerhaft installiert worden sind, bespielen hier nur sechs statt üblicherweise acht Dolmetscher, weil nicht ständig alle Sprachen zu dolmetschen sind, viele im Publikum sind mehrsprachig, manche allerdings eindeutig einsprachig. Dieses Sprachjonglieren geht nur, weil einige Dolmetscher mehrere B-Sprachen haben, also aktive Sprachen, in die sie arbeiten.
Luxuskabinen |
Sorry, vermutlich habe ich Sie jetzt abgehängt. Für uns war das glasklar: Viele von uns haben mehrere Arbeitssprachen, können nach Bedarf also flexibler arbeiten. Für die Aufteilung haben wir im Vorfeld aber viel Hirnschmalz investiert, und unsere Koordinatorin noch viel mehr. Nach dem Nachdenken haben wir zusammen mit dem Techniker an manchen Dolmetschpulten die Einstellungen geändert. Wir arbeiten mit Handzeichen quer durch durch Raum, wenn Sprecherwechsel angezeigt ist; im Zweifelsfall fliegen SMS hin und her. Einsatzübergabe mit Textnachrichten hatte ich noch nicht.
Was in den Teilzeit-Solo-Kabinen allerdings fehlt ist die Zuarbeit der Kollegin/des Kollegen, denn wir schreiben füreinander ja immer Zahlen, Eigennamen und ggf. fehlende Begriffe auf. Aber ich schreibe selbst und bin online zur Recherche in den Pausen. Geht zur Not auch. Ohne mehrjährige Erfahrung wäre das allerdings nicht machbar.
Mein Stolz: Die Dame, die uns den Kabinen zugeteilt hat, in der DDR-Industrie wäre das jetzt die "Dispatcherin" gewesen, hat mich mit Muttersprache Französisch eingeteilt. Sie ist selbst Französin. Macht mich natürlich stolz. Andere im Team sind mit zwei Muttersprachen aufgewachsen. Trotzdem muss ich an meinem Image arbeiten, denn derzeit kommen nur Übersetzungen ins Französische rein, was natürlich die Kolleginnen freut. Dolmetschend arbeiten wir Bi- und Multilateralen gerne mal kreuz und quer, siehe oben; schriftlich arbeiten wir in der Regel in unsere Muttersprache, und die ist bei mir eindeutig Deutsch. In Brüssel, wo ich dieser Tage auch war, gilt diese Regel übrigens auch für Dolmetscher: Jede(r) nur in seine/ihre Muttersprache.
Aktueller Lesehinweis zum Thema Computerlinguistik, Muttersprache und Geflüchtete: "Software, die an der Realität scheitern muss" (Autorin: Anna Biselli), DIE ZEIT vom 17.3.201.
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Foto: C.E.
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