Nach dem Termin |
Die junge Klientin, die bald vor dem Richter stehen wird, spricht sehr leise und die Tür steht offen. Im Vorraum brummt das Fotokopiergerät. Am Tisch zwei Anwälte, einer, der sie verteidigt, ein zweiter, der demnächst einen Termin wahrnimmt.
Die Tür steht deshalb offen, weil die Tochter der Frau, fünf Jahre alt, im Warteraum mit Holzspielzeug beschäftigt ist.
Ich kann die junge Frau fast nicht verstehen. Ich schaffe es trotzdem irgendwie, mich in Windeseile auf ihre Art des Sprechens einzuhören und sogar simultan zu dolmetschen. Das menschliche Gehör ist überraschend anpassungsfähig. Ich "vertone" die Klientin mit deutlich festerer Stimme, als sie selbst spricht. Der "Rückkanal" ins Französische erfolgt in einfachen Worten. Ich beobachte sie, ob sie mich versteht. Sie reagiert passend, ja, das läuft. Und bei allem bemühe ich mich um eine bewusst emotionsfreie Stimme.
Der Sozius des vertretenden Anwalts, jener, der den Termin wahrnehmen wird, strahlt mich an dabei. Es ist schön, dass wir hier so eine professionelle Arbeit machen, der beratende Anwalt und ich. Das Strahlen des Sozius wird immer heftiger. Sollte das ein Flirt sein? Leicht irritierend ist das schon ... dabei sprechen wir von der Liebe einer Mutter zu ihrem in der Heimat zurückgelassenen Kind und der Taktik, wie sie das Töchterchen, das einige Jahre bei der Tante aufgewachsen war und unter der Abwesenheit gelitten hatte, zu sich geholt hat.
Bei der Verabschiedung lange Blicke. Die Mutter, die eine Geldstrafe erwartet, räumt die Spielsachen weg, dann verlässt sie mit der Kleinen die Kanzlei. Ich folge den beiden in kurzem Abstand. Die Maus hüpft neben ihrer Mutter her und bemüht sich, nicht auf die Ritzen der großen Granitplatten zu treten, die oft auf Berliner Gehwegen liegen. Ihre Zöpfe wippen dabei fröhlich.
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Foto: C.E.
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