Samstag, 11. März 2017

Gegen Diskriminierung

Hallo beim ersten Web­log Deutsch­lands aus dem In­ne­ren der Dol­met­scher­ka­bi­ne. Was Dol­met­scher und Über­set­zer für Fran­zö­sisch erleben, können Sie hier mit­le­sen. Außerdem denke ich über meine Länder und Kulturen nach. Samstags kommt der "Link der Woche".

Am Internationalen Frauentag haben viele Französinnen nach einem Drei­vier­tel­tag den Griffel fallen lassen. In Deutschland wäre das nach vier Fünftel Ar­beits­tag an­ge­sagt gewesen. Der "Gender Pay Gap" liegt im Westen irgendwo zwischen 20 und 25 Prozent. Und rechnen wir Teilzeitmodelle und Fa­mi­lien­pha­sen he­raus, kom­men wir immer noch auf zehn Prozent "echter" Gehaltsdiskriminierung.

Viele Männer glauben Diskriminierung am Arbeitsplatz bis heute nicht. Sogar man­che Frauen stellen derlei in Abrede. Es würde an den typisch weib­li­chen Be­ru­fen liegen, sagen diese. Aber das schlechte Image zum Beispiel von Aufgaben in den Bereichen Erziehung, Bildung der Kleinsten und Pflege und die Ergebnisse von Be­rufs­be­ra­tung hin zu der "richtigen" Aufgabe für die Bewerberin sind ja auch Pro­dukt unserer Gesellschaften.

NICE - NOT NICE
Gesehen in Berlin-Mitte
Beim aktu­el­len Tempo be­kom­men wir Frauen erst in 118 Jahren gerechte Ge­häl­ter, denn die Ver­bes­se­run­gen haben das Tempo einer Schnecke, da­rü­ber hat The Guardian schon 2015 be­rich­tet. In Deutsch­land ist Ar­mut ein überwiegend weib­li­ches Problem. Dabei sind in wes­tl­ichen Ländern Frauen im Durch­schnitt besser gebildet als Männer.

Nach dem Studium starten beide Geschlechter fast gleich ins Berufsleben. Doch Frauen können Kinder bekommen und werden im Beruf sogar am Aufstieg ge­hin­dert, weil sie welche bekommen könnten. (In Frankreich ist aufgrund der besseren Kinderbetreuung dieses Problem deutlich seltener.) Einen Uterus zu haben, ist auf unserer Seite des Rheins der größte Karrierekiller.

Frauen verhandeln aufgrund ihrer Sozialisation oft zaghafter, ihnen wird weniger zu­ge­traut, sie bekommen weniger Erfolgszulagen oder Dienstwagen als Männer. Über allem schwebt le plafond de verre, die gläserne Decke. Mann bleibt lieber unter seinesgleichen.

Da schwingt viel Verachtung für uns Frauen mit. Dieser Tage sorgt im Internet eine Story für Furore, die eine Reihe von Tweets er­zählt, das sind die Kurznachrichten des bei der Goldlocke beliebten Dienstes. Wie in einem Selbstversuch erprobte ein mutiger Mann, wie sich die Dis­kri­mi­nie­rung von Frauen anfühlt.

Und das kam so: Zwei Kollegen in einer Personalberatung, ein Mann, eine Frau, ein gemeinsamer Mailbriefkasten. Die Frau hatte wiederholt Ärger mit ihrem Chef, weil sie sich zu viel Zeit für ihre Kunden lassen würde. Eines Tages erlebte der Mann ohne jede Vorwarnung, out of the blue, dass ihn ein Kunde infrage stellt, wie er ruppig reagiert, nicht auf Fragen antwortet, ihn hinhält. Da fällt ihm auf, dass er die Signatur der Kollegin verwendet hatte. Er stellt sich als der Kollege vor, der das Projekt jetzt betreut.

Durch "Retweets" zu guter Reichweite
Der Angeschriebene ant­wor­tet prompt, geht auf Fragen ein, lobt sein Gegenüber für gute Ideen. Aus dem Pöbler wird ein Vor­zei­ge­kun­de.

Derjenige, der das be­rich­tet, Mar­tin R. Schneider, fasst zusammen: "Weder Tech­nik noch Rat wa­ren an­ders. Der einzige Un­ter­schied: Hier schrieb jetzt ein Mann."

Die beiden Arbeitskollegen haben dann zwei Wochen lang ganz bewusst die Rollen getauscht. Er sagt: "Es war die Hölle." Die Langsamkeit der Kollegin könne er jetzt damit er­klä­ren, dass eine Frau mehr Zeit braucht, um überhaupt anerkannt, respektiert zu werden. Und in den zwei Wochen erlebte die Kollegin die erfolgreichste Woche ihres gesamten Angestelltenlebens.

Der über den Vorgang informierte Chef wollte die Sache übrigens nicht glauben. Die Frau hat die Firma verlassen und ist heute selbständig. Hier ihr Bericht: Wor­king while female von Nicole Hallberg. Hier die Twitter-Story: Martin R. Schneiders A little story of the time.

Nicht alle Männer sind so, schreiben auch die Buddies ("Busenfreunde") Nicky und Marty. Leider dürfen wir nicht dem Glauben verfallen, dass Frauen immer die ge­rech­te­ren Chefs sind. Nicht alle praktizieren die Räuberinnenleiter. Ich selbst habe erlebt, wie eine zu Macht gekommene Frau mir aus mir bis heute unbekannten Grün­den 40 % meines Jahresumsatz durch böse Intrigen genommen hat. Be­güns­tig­ter war ... ein Mann.

Soll ich mir neben meiner Freiberuflertätigkeit eine Firma ans Bein bin­den und den jüngeren männlichen freien Mitarbeiter zum Geschäftsführer machen? Vom Hö­ren­sa­gen kenne ich solche Stroh­mann­ge­schich­ten aus islamischen Ländern. Unverlangt an Verlage eingesandte Manuskripte haben eine achtfach höhere Chance, gedruckt zu werden, wenn der Name eines Mannes als Urheber firmiert als der einer Frau. Das hat The Independent vor bald zwei Jahren beschrieben: Writing under a male name makes you eight times more likely to get published, one female author finds.

Ce sujet nous donnera encore du fil à retorde — This remains a hard nut to crack.



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Illustrationen: Twitter, C.E.,
Libby VanderPloeg

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