Montag, 25. April 2011

selbständig

In der Küche habe ich nicht unbedingt das Gefühl zu arbeiten
Böser Spruch, der da ... "Frage: Was bedeutet es, selbständig zu sein? Antwort: Wir arbeiten selbst und ständig."

Selbst bedeutet, ich suche mir meine Arbeit selbst und erledige sie auch selbst. Ich kann also nicht (wie in vielen Branchen üblich) den großen Mehrwert durch Weitervergabe meiner Aufträge realisieren. In unserer Branche gibt es derlei übrigens auch: Agenturen, die Jobs an Land ziehen und dann andere schicken, von deren Honorar sie sich einen erklecklichen Teil abschneiden. Wenn das (wie bei manchen Agenturen üblich) bis zu 50 % ausmacht, tut das jenen, die den Job letztendlich machen, weh. Daher gehen Vollprofis mit Berufserfahrung nur selten auf solche Angebote ein.

Meine Kollegen und ich arbeiten im Netzwerk, d.h. wir sind bei größeren Projekten in der Regel mit von der Partie - und ziehen im Wechsel Aufträge für Kolleginnen und Kollegen mit an Land. Der Teil, der dann für die buchende und beratende Kollegin als Aufwandsentschädigung von den Honoraren der Kabinencrews abgeht, ist mehr von symbolischer Natur und entspricht selten dem wirklichen Aufwand.

Ständig bedeutet, dass wir Eckdaten wie 38,5-Stunden-Woche, 28 Tage Jahresurlaub und 13. Monatsgehalt nicht kennen. Auch Wochenenden sind nicht immer Ruhezeiten. Heute, Ostermontag, sitze ich zum Beispiel am Schreibtisch: Ein Drehbuch will fertig übersetzt werden. Zum Glück kann ich inzwischen recht flott mit der Diktiersoftware arbeiten.

Erst Freitag flatterte mir wieder eine Bewerbung ins Haus, geschrieben von einer jungen Studentin, die zum nächsten Monatsersten als selbständige Fachkraft (oder lieber festangestellt) bei mir mitarbeiten möchte. Ganz offenbar schwächeln noch immer etliche Hochschulen, wenn es um konkrete Informationen zu den möglichen Berufsbildern geht. Noch hab ich mir ein wenig Zeit genommen, um auf die Anfrage zu antworten. Eigentlich dürfte ich das nicht, denn es geht von der knapp bemessenen Arbeitszeit ab ... Eine Kollegin macht sich's da einfacher, sie hat folgende Antwort "im Stehsatz": "Sehr geehrte Frau X, gern gebe ich Ihnen einen Tipp: Die wichtigste Eigenschaft, die eine selbständige Arbeit erfordert, ist das selbständige Arbeiten. Arbeiten Sie daran!" 


P.S.: Seit der Rechtschreibreform wird "selbständig" mit zweifachem "st" geschrieben; in offiziellen Dokumenten halte ich es auch so. Privat schreibe ich lieber, wie ich spreche, also "selbständig", denn dieses zweite "st" wird ja irgendwie nur angedeutet ...
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Foto: C. Elias (Archivbild der Arbeit an
"Small World")

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