Herzlich willkommen! Hier bloggt eine Dolmetscherin. Was Konferenzdolmetscher und Übersetzer machen, wie sie arbeiten, wie sie leben, ist hier seit 2007 regelmäßig Thema. Corona hat auch in meiner Branche alles bös durcheinandergewirbelt und auch sonst einiges verbockt. Dem Jahr 2020 bleiben noch einige Monate zur Rehabilitation.
Corona is a bitch!, stand neulich auf eine Hauswand gesprayt, ein Miststück also. So lässt sich das auch sehen. Hier bringt sie erneut einiges in Bewegung. Die eine Mitbewohnerin zieht aus meiner Wohnung aus, die nächste kündigt sich an, sie wird mit ihrem Mann kommen, Frankreich geht, England kommt. Und nein, ich wusste das nicht seit Monaten, mein regelmäßiges Hören von BBC4 ist alleine der Tatsache geschuldet, dass ich meine dritte Sprache pflegen muss.
Eine frühere Studienfreundin und geschätzte Übersetzerkollegin lebt seit
vielen Jahren mit ihrem britischen Ehemann in England.
Die hübsche Nachbarin (Pareidolie) |
Ihre Lage spitzt sich derzeit durch die Krise des Gesundheitssystems NHS, die aufflammende Seuche und den Brexit dramatisch zu.
Die beiden leben in London inmitten eines Viertels, in dem strengreligiöse Juden sehr traditionell wohnen und viele Familien kinderreich sind. Dort hat, ähnlich wie in anderen in sich geschlossenen Gruppen, die Kunde von der Prävention nicht unbedingt alle erreicht.
Der aktuelle Lockdown in Israel sowie überproportional hohe Opferzahlen in allen irgendwie abgeschotteten Gruppen sprechen ihre eigene Sprache. Für ihre aus Deutschland stammende und zur Risikogruppe zählende Nachbarin wurde leider so das risikofreihe Einkaufengehen zu einem frommen Wunsch, der schwer einzuhaltenden Coronaabstände wegen.
Jetzt dürfen wir Freunde zusammentrommeln, ein Team bilden, dann darf ich bei mir am Ufer den Auszug der Mitbewohnerin unterstützen und das Untermietzimmer so herrichten, dass es später im Jahr ein Ort der Ruhe und Genesung sein kann.
Dann gilt es Geld aufzutreiben (Notfallfonds der VG Wort? Verbände? Konsulat? Crowdfunding?), ein kompetentes medizinisches Team zu finden, dann Auto, Fahrer, Quarantänewohnung in Frankreich, schließlich Transfer nach Berlin.
Nebenbei sorgt mein Diktierprogramm für unverhoffte Komik. Ein Klassiker: Wir Menschen reagieren auf hochdramatische Momente häufig belustigt, müssen grinsen oder sogar lachen. Die Verhaltensforschung nennt dies eine Übersprungshandlung. Jetzt reagiert der Rechner derart menschlich, mein Anthropomorphismus am Vormittag. Illustrieren werde ich den Blogpost mit etwas Pareidolie.
Aber es ist schon schräg, wenn der kleine Drache* mit Bits und Bytes statt "chassidisches Wohnviertel" ein "rassistisches Wohnviertel" schreibt. Später macht er aus "Problemen mit Borrelien" "Problemen mit Bordellen".
Nein, nicht witzig. So, Liste schreiben, Energie sammeln und weitergeben. Corona, der Krisenmodus des Jahres hört nicht auf. Machen wir das Beste draus.
______________________________
Foto: C.E. (gesehen in Neukölln)
(*) Diktierprogramm ist Dragon
Keine Kommentare:
Kommentar veröffentlichen