Dienstag, 15. September 2020

COVIDiary (155)

Bon­jour, gu­ten Tag & hel­lo auf den Sei­ten des ers­ten deut­schen Dol­met­scher­blogs aus dem Inneren der Dol­metscherkabine. Die Sprachen, das Sprechen und die Tech­nik zu beobachten, ist eine der Grundlagen unserer Arbeit.

Diana Rigg als Agentin Emma Peel  (Mit Schirm, Charme und Melone)
ALS OB! — Hommage an Diana Rigg
Ein abendliches Treffen mit einer Studien­freun­din zum Eis­essen an einem der letzten lauschigen Sommerabende: Wir sehen uns ab uns zu, seit Coro­na häufiger, denn die Pan­demie macht unser direktes Lebens­umfeld wich­ti­ger. Sie wohnt eine Straße von mir entfernt, hat Rus­sisch und Englisch studiert (und arbeitet hauptsächlich mit Russisch), so dass wir nur in Theorie­se­mi­na­ren zu­sam­men­sa­ßen und uns die letzten Jahrzehnte nicht so oft gesehen haben.
Bei den Euro-Betriebsräten, Festivals, De­le­ga­tions­reisen und Konferenzen, die ich üb­li­cher­weise dolmetsche, kommt Russisch nur selten vor. Sie arbeitet öfter beim Eu­ro­päischen Rat, der Russisch­kollegen be­schäf­tigt, und ist auch sonst viel auf Achse.

Vielmehr: Sie war es. Dann kam Corona.

Ich habe Lust auf Ausgehen. Ich ziehe ein Lieblings­kleid an, dazu trage ich eine Ko­rallen­kette und ein rotes Arm­band aus Feuer­bohnen, elegante Hackenschuhe, die Haare frisch gewaschen, den Lippenstift aus den Untiefen der Tasche her­vor­ge­kramt.

Beschwingt komme ich zum Treffpunkt. "Hui!", sagt meine Bekannte, und fragt: "Wie lange hast Du Zeit?" Ich sage ihr, dass ich so viel Zeit mitgebracht hätte, wie wir brauchen. Sie schaut misstrauisch.

Ich ahne, was sie meint, gehe aber erstmal nicht drauf ein. Am Ende des Abends, sie: "Jetzt kannst Du mir's aber verraten: Hast Du eine neue Flamme? Mit wem bist Du gleich noch verabredet?"

Nein, ich wollte einfach mal in Coronazeiten auch privat mal so rumlaufen, als wür­de ich gleich neben Claude Chabrol auf die Ber­li­nale­bühne treten. Sonst frem­de­le ich später dieser öffentlichen Person ge­gen­über, die das (fast) lampen­fie­ber­frei kann, was die Privatfrau nie, nie, wirklich nie könnte.

Kom­munikation besteht nur aus einem geringen Teil aus Wörtern. Wie ich dastehe oder -sitze, wie ich die Kör­per­hal­tung ändere, die Art, wie ich die Hän­de be­nutze, die Finger, Gestik und Mimik ein­set­ze, au­ßer­dem Kleidung, Gesagtes und Auslas­sungen, das alles macht einen Subtext aus, mit dem nicht selten mehr vermittelt wird als mit direkt Aus­ge­spro­che­nem.

By the way ist dieser Subtext genau das, was Compu­ter nicht übertragen können, weshalb Computer­über­set­zungen nie akkurat sein werden. Sie sehen nicht, sie kön­nen nichts einschätzen oder be­werten, denn Computer arbeiten mit Einsen und Nullen. Nullen haben keine Gefühle. Das weiß jedes Kind.

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Foto: C.E.

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