Dienstag, 8. September 2020

COVIDiary (151)

Bon­jour, gu­ten Tag & hel­lo auf den Sei­ten des ers­ten deut­schen Dol­met­scher­blogs aus dem Inneren der Dol­metscherkabine. Gerade schreibe ich vom Büro aus, das seuchenbedingt deutlich ruhiger ist als sonst üblich. Grundlagen erkläre ich trotzdem immer wieder gerne.




Alte Telefone aus den Anfangsjahren der Fernkommunikation
Arbeitsgerät des Zwischenhandels
"Sind Ihre Dolmetscher alle festangestellt?", wollte eine Kundin neulich wissen.
Nein, "meine" Dolmetscher sind Freiberufler, wir ar­bei­ten im Netzwerk zusammen. Die meisten Dol­met­sche­rin­nen und Dol­metscher sind Freiberufler, nur wenige Kol­legin­nen und Kollegen sind bei öffentl­ichen Ein­rich­tun­gen wie Ministerien fest­an­gestellt.

Diese Arbeitgeber kön­nen einander bei Extra­bedarf untereinander über die so­ge­nann­te Amts­hilfe regelmäßig Arbeits­kräfte zur Verfügung stellen. Ist der Bedarf größer kommen wir Freien ins Gespräch, die wir aber auch für Kunden aus Wirt­schaft und Handel, aus der Kultur, der Veranstaltungs­industrie und für Privat­kunden tätig sind. (Also normalerweise, ohne Corona.)

Wir sind ähnlich wie Fachärzte oder Fach­anwälte spezialisiert, erweitern aber ständig unsere Bereiche. Andere arbeiten als Gerichts­dolmetscher und im me­di­zi­ni­schen Bereich. Darüber schreibe ich ein an­deres Mal.

Aus dem Dolmetschen wird dann ein Gewerbe, wenn sich jemand entschließt, eine Agentur zu gründen, also eine Firma. Der Begriff "Agentur" ist irreführend. Bei ei­ner Schauspiel­agentur kümmert sich ein Büro um eine feste Gruppe von Schau­spie­ler­in­nen und Schau­spielerin, vertritt sie, versucht, sie für sie Aufträge zu den für die Darsteller bestmöglichen Konditionen heranzuziehen und bekommt einen fes­ten Prozentsatz dafür.

Im Bereich Sprache arbeiten Agenturen allerdings nicht wie Agenten, sondern eher wie Makler: Billig einkaufen, teuer verkaufen. Sie ahnen, welche Abgründe diese Logik birgt. Dolmetsche­rinnen und Dolmetscher sind hier per se nicht fest­an­ge­stellt, nur die Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter, die die Bürotätigkeit erledigen.

Eine größere Struktur ist nicht unbedingt schlagkräftiger, besser, professioneller und der bessere Dienstleister, nur weil sie sich mit einer großen Firma einer an­de­ren Branche ver­glei­chen lässt. Aus der Perspektive von uns Freiberuflern, die von diesen Struk­tu­ren angefragt werden, ist meistens sogar das Gegenteil der Fall. Re­prä­sen­ta­ti­ve Büroräume, viele Mitarbeiter, IHK-­ und Gewer­be­steuerbeiträge und dann die oben­stehende Definition macht die Zusam­menarbeit mit diesen Firmen nicht unbedingt lukrativ.

Wer erfahren und gut im Geschäft ist, wird sich darauf eher nicht einlassen. Leider ist dieses Wissen in der Allgemeinheit nicht weit verbreitet. Wir haben sogar schon Gewerkschaften und Firmen der Sozial­wirtschaft erlebt, die über die Makler mit den ... allerschicksten Adressen gegangen sind, um die Chose di­plo­ma­tisch aus­zu­drücken. 

Dabei ist die Sache logisch: Wenn der Zwischenhandel eine Ware nicht teurer macht, wird wohl der Lieferant die Zeche zahlen müssen. Oder die Lieferantin.

Und mit Statussymbolen ist es es mit dem Wohnen: Wohn­wert­entscheidend ist letzten Endes nicht das Marmor­waschbecken nebst güldenem Wasserhahn, sondern die richtige Lage, ein guter Schnitt, solide Architektur, gerne etwas Gartengrün, freundliche Nachbarn, die Kosten sowie eine zuver­lässige, effiziente Verwaltung. Da kann einem ein Makler sonstwas erzählen!

Außerdem arbeiten wir schon lange mit Computern und anderen Gegenständen, die bis vor kurzer Zeit noch für manche Menschen "Neuland" waren; wir dol­met­schen jetzt manchmal sogar online und arbeiten eben nicht überwiegend mit der Technologie vergangener Zeiten wie Telefonie, Fax oder Brieftaube.

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Foto:
C.E.

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