Von Luft und Liebe und Speisewasser leben |
Das Problem verschiebt sich: Wer Rücklagen fürs Alter hat, darf erst die verknuspern, bevor ihm oder ihr geholfen wird. (Hier wird Altersarmut programmiert. Das Problem muss die Regierung lösen.)
Einschub: Jetzt folgt ein kleines Sherlock-Holmes-Wortspiel aus meiner zweiten Heimat. Der Superdetektiv belehrt oft seinen normalbegabten Wegbegleiter und Hausarzt, Dr. Watson, indem er sagt: Elementary, my dear Watson! "Das ist von grundlegender Bedeutung!" Franzosen machen daraus gerne mal ein C'est alimentaire, mon cher Watson! Auf Deutsch: "Das ist Teil der Ernährung, mein lieber Watson!" Und so gehört meine Arbeit für verschiedene Betriebs-, Groß- und Schulküchen seit geraumer Zeit zur elementaren Nahrungsgrundlage in Zeiten von Corona.
Diese Küchen reichen jetzt via Onlinedolmetschen bis in mein Büro hinein: Geflieste Wände, immer mal wieder läuft jemand mit Haube und Mundschutz durchs Bild, die Köche tragen weiße Kittel und moderne Kopfmützen. Nur der Koch der einen Betriebsküche sitzt zuhause, denn seine Tochter hat Covid-19 von der Schule oder vom Sport nachhause gebracht.
Es geht um Saucenherstellung, um das Binden von Saucen und wie diese im Falle des Vorkochens vielleicht sogar den Tiefkühlprozess überstehen. Hier wird nach den richtigen Zutaten gesucht. Denn die Klebebindung von normaler Stärke aus Getreidemehl wird von den Säuren und Enzymen, die in der Zubereitung enthalten sind, nach einigen Tagen zersetzt.
Trikolore in der Großküche (Energiezentrale) |
Der Koch in Quarantäne meint, das ginge für ihn leider erst wieder in einigen Wochen. Als ich ihn frage, ob sein Homeoffice nicht auch eine Homeküche habe, lacht er schallend und meint, dass es beim Kochen immer auch um Mengen gehe.
Und ich dachte immer, Großküchen würden alles nur "skalieren", einfach die Größenordnung ändern. Kochen ist ein faszinierender und auch ein etwas geheimnisumwitterterer Prozess. Ich habe mich nie gefragt, ob ich bei der Soßenherstellung eine (heiße) Einbrenne oder Mehlschwitze (le roux) mit kaltem oder heißem Fond ablösche. (Kalt wird hier empfohlen. Immer über Kreuz: Ist der Fond heiß, sollte die Mehlschwitze abgekühlt sein). Soßen lassen sich auch anders binden (lier). Eine Soße mit etwas Stärke und Flüssigkeit anbinden, lier une sauce avec un peu d'amidon et de liquide, heißt auf Französisch travailler à blanc, weiß arbeiten.
Das kam vor meiner Zeit an die Tür |
Das ist der Kochbrevier* des Küchenchemieerklärers Hervé This (in Deutschland als Hervé This-Benckhard bekannt), in dem so kuriose Hinweise stehen wie der da: "Flößen Sie zunächst dem Fasan ein Glas Schnaps ein."
Vokabeln
eine Soße andicken — épaissir une sauce
glutenfreies Maismehl — fleur de maïs sans gluten
Kartoffelstärke — fécule
Wir können beobachten, wie die Soße zerfällt. — On peut oberserver la dissocation de la sauce.
Stärke — amidon
ausgeprägte ↔ leichte Verdickung — épaississement léger ↔ notable de la sauce
Fette setzen sich ab — les graisses se délient
Klümpchenbildung ist zu vermeiden — on évitera les grumeaux
Suppengemüse — bouquet garni (Parallelbegriff: la garniture)
Als ich beim Dolmetschen mal kurz das Wort "Schöpfgerichte" nachschlagen will, werden mir "Schöffengerichte" angeboten oder tribunaux de la créativité, Gerichte, in denen über die Kreativität Recht gesprochen wird. Na klar ... Also erkläre ich: ein mit einem Schöpflöffel serviertes Gericht ist ein plat, servi à la louche, auf Englisch bowl food.
Nebenbei gelernt: Köche können am Geschmack erkennen, ob es sich bei einer Soße um eine weiße oder eine braune Soße handelt. Es sind eben doch Zauberer, c'est élémentaire, Watson!
______________________________
Fotos: C.E.
(*) Rätsel und Geheimnisse der Kochkunst: natur-
wissenschaftlich erklärt, München / Zürich 2014
Keine Kommentare:
Kommentar veröffentlichen