Donnerstag, 3. Mai 2018

Großraumbüro mit Zeitreise(n)

Bonjour, hel­lo und gu­ten Tag! Einblicke in das Leben von Spracharbeitern können Sie hier bekommen, vor allem mit­le­sen, wie Fran­zö­sisch­dol­met­scher und -über­setzer ar­bei­ten. Meine Fach­be­rei­che sind Politik, Wirt­schaft, Land­wirt­schaft, So­ziales und Kultur.

Im Groß­raum­bü­ro des Film­kunst­fests sitzen zwi­schen­durch fast alle, hier ist viel Trubel. Die Raum­situation hin­ter den Kulis­sen ist schon immer ähn­lich, nur die Adresse wech­selt ge­le­gent­­lich.

Treppe, die ins Nichts führt. Auf ihr lagert Festivalmaterial.
Treppe mit Regalfunktion
Vor ei­ni­gen Jah­ren waren Technik und Auf­en­thalts­raum im Vor­der­haus des Kinos selbst unter­ge­bracht. Das war legendär: Im Kino gab es im Foyer des ers­ten Stocks eine geheim­nis­volle Tür, durch die wir di­rekt in die Büros ge­lan­gen konnten. Der Gebäu­de­teil wurde danach saniert und meist­bie­tend wei­ter­ver­mie­tet. Diese Zei­ten sind also vorbei.
(Als Kind habe ich mir im­mer von einer solchen Woh­nung ge­träumt: Durch die ge­heime Tür in der Tapete oder der Holz­ver­klei­dung ins Kino­foyer gelangen oder am Fuß­bo­den in Bett­haupt­nä­he eine Klap­pe mit Spie­gel­sys­tem haben, durch die ich mir die Fil­me direkt auf die Zim­mer­decke pro­ji­zieren kann.)

Seit einiger Zeit werden für die Dauer des Festivals leer­ste­hende Büroräume oder Laden­ge­schäfte in der Nach­bar­schaft an­ge­mietet. Manchmal gibt es dann zwei Räume, manch­mal mehrere, aber im größten sitzen die meisten zu­sam­men und arbeiten.

Ich kann in diesem "Backstage-Bereich" ganz gut arbeiten. Das war mal anders, ich war früher kein Fan sol­cher Ar­beits­platz­si­tuatio­nen: Bei den Fran­zö­si­schen Film­ta­gen Tübingen, für die ich 2003 bis 2006 gearbeitet habe (in verschiedenen Rollen, als künstlerische Lei­terin, Kuratorin, Moderatorin, Dol­met­scherin ...), saß ich in zwei Jah­ren etliche Mo­na­te lang eng auf eng mit den an­de­ren und habe ge­lit­ten, weil ich po­ten­tiell über alles in­for­miert sein musste, mich aber lieber punk­tu­ell mit den Fragen be­schäf­tigt hätte. Hier in Schwe­rin habe ich eine klare Aufgabe zu er­fül­len und darf ansonsten die Ohren auf Durch­zug stellen. Bei zu viel Lärm hel­fen Oh­ro­pax.

Lus­tig dieses Jahr die Treppe, die der Vormieter abgehängt hat. Ich fühle mich, als ich diesen Anblick anspreche, zum ersten Mal im Leben alt, denn ich ha­be die Ber­li­ner Mau­er gesehen. Nur wer schon ei­ni­ge Jah­re mehr auf dem Buckel hat, kann sich an die U-Bahn-Linien erinnern, die unter Ost­berlin hin­durch­führ­ten von "West" nach "West" (als po­li­tische Him­mels­richtungen; geografisch war das aus dem Süden in den Norden beispielsweise). Die Zü­ge fuhren im Schritt­tempo durch die still­ge­leg­ten Bahn­höfe hindurch. Die Treppen wa­ren nach oben hin zu­ge­mauert und sa­hen dem Prin­zip nach genauso aus wie auf dem Fo­to hier, na­tür­lich ab­zü­glich des Mar­mors und der Ma­te­rial­hau­fen je Fes­­ti­­val­­sek­­tion. (Als Kind ha­be ich im­mer ge­dacht, dass diese Ber­lin­trep­­pen für Zwer­ge wä­­ren, die mit je­dem Schritt klei­ner wer­den müss­ten.)

Lesetipp: Heinz Knob­loch, Stadt­mit­te um­stei­gen — Ber­li­ner Phan­ta­sien. 1982, vie­le Neu­auf­la­gen bis 2002, Jaron Ver­lag Ber­lin 2002, ISBN 3-89773-042-1.

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Foto: C.E.

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