Ablagen |
Wobei: Jemandem Rede und Antwort zu stehen bedeutet eigentlich, dass man ihn oder sie zu Wort kommen lässt. Das, was ich von der Aufzeichnung von gestern bislang gesehen habe, klingt eher wie eine Reihe von Strafpredigten, ergänzt durch Ausflüchte des üblichen Verdächtigen.
Einmal in den nicht vorhandenen Bart „Tutmirleid“ gemurmelt reicht für das, was gewisse Imperien mit unseren Daten anstellen, nicht nur nach meinem Empfinden nicht aus. So stellt sich wieder das Gefühl ein, dass hier mit zweierlei Maß gemessen wird. Hier lax, jovial, nahezu schenkelklopfend plus Fensterreden, nächstes Jahr haben wir EU-Wahlen, auf der anderen Seite übergroße Schärfe, Drohgebärden hier und die Angst vor Abmahnkanzleien dort.
Die Auswirkungen sind fatal. Unsereiner schüttelt den Kopf über manche Ungereimtheit und verliert zwei Arbeitstage mit Sachen wie Datenschutzorganisation, Transparenz, Löschfristen, Vertraulichkeit und Datenschutzfolgenabschätzung. Kleine Blogs oder Initiativen machen reihenweise dicht, weil sie sich keine teuren Anwälte zur Erfüllung der Forderungen der Datenschutzgrundverordnung leisten können, die übermorgen „scharf gestellt“ werden wird, und die Mitarbeiter nicht haben, sich da einzufriemeln.
Jene Bürger, Vereinsmitglieder, Angestellte und Freiberufler, die sich dem stellen, lernen oder wiederholen viele Begriffe. Sie dürfen künftig Verzeichnisse anlegen, Extramails über Datenschutz schreiben, Kreuzchen setzen, Einwilligungen abspeichern, alles überprüfbar halten. Gerne, wenn mir die EU-Funktionäre eine Mitarbeiterin stellen, die das fünf Stunden die Woche in meinem Büro macht.
Und dann ploppen diese komischen Informationen ins Mailpostfach, wunderliche Blüten treibt die Verordnung da wie die Mutmaßung von Fachleuten, dass die Annahme von Visitenkarten künftig ein juristisches Problem darstellen könnte. Brauche ich ab morgen auf der Visitenkarte eine in etwas wie Dreieinhalbpunktschrift abgedruckte, juristisch wasserdichte Rechtsbehelfsbelehrung, die an Anschlägen jene der Kontaktdaten weit übersteigt?
Beweislastumkehr ist hier das Stichwort. Derjenige, der die Karte am Ende in Händen hält, muss nachweisen, dass es die Absicht desjenigen, der draufsteht, war und derzeit ist, dass Empfängerin oder Empfänger die Karte in Händen hält. Und während wir uns alle diese Gedanken machen, sitzen die die 200-Tausend-Dollar-die-Stunde-Anwälte der Giganten längst daran, die Nutzung der Schlupflöcher in den Gesetzestexten flankierend abzusichern.
Bis die juristische Umsetzung geklärt ist, werde ich hier die Kommentarfunktion deaktivieren. Auf https, die gesicherte Verbindung, habe ich bereits umgestellt. Morgen Abend werde ich meine Datenschutzerklärung oben über einen der Karteireiter erreichbar abgeben.
Ich muss mir jetzt als Nichtjuristin überlegen, ob diese Zustimmungen in bestehende Vorgänge eingebaut werden können. Wenn mich zum Beispiel ein Kunde per Mail kontaktiert wie eben: "Bitte senden Sie uns für den 12.9.18 ein Angebot!“, werte ich das als Laie als eindeutige Willensbekundung, denn um ein Angebot zu schreiben, muss ich die Kontaktdaten abspeichern. Genauso, wenn der Auftrag zustandekommt, um Details zur Veranstaltung und zur Rechnungslegung nachzufragen. Eine Extraschlaufe für die Datenschutzverordnung muss da noch rein, wo stört sie am wenigsten?
Irgendwie fällt mir Schilda ein. Und um heute Nacht schlauer ins Bett zu gehen, als ich am Morgen aufgestanden bin, werde ich David Bernets „Im Rausch der Daten“ sehen, den Dokumentarfilm zum DSGVO, den die ARD am späteren Abend ausstrahlen wird (anschließend in der Mediathek).
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Foto: C.E.
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