Mittwoch, 23. Mai 2018

DGSVO, die Zweite

Guten Tag oder guten Abend! Sie sind mit­ten in ein Ar­­beits­­ta­­ge­­buch hinein­ge­ra­ten, in dem sich al­les um Spra­che, Dol­met­schen, Über­setzen und Kult­uren dreht. Als frei­be­ruf­li­che Sprach­mitt­lerin überwiegend für die französische Sprache ar­bei­te ich in Pa­ris, Berlin, Toulouse, Frank­furt und dort, wo man mich braucht.

Regal mit bunten Ordnern (weiß, grün, orange, gelb und rot) sowie aus Holz und Büchern
Ablagen
„Als ob wir sonst nichts zu tun hätten!“, sagt der Büro­kollege und hat recht. Die DSGVO-Sache, die sich für kleine Un­ter­neh­men und Vereine wie eine Straf­arbeit anfühlt, beschäf­tigt mich auch heute. Am Rande bekomme ich das Medienecho mit, das Marc Zuckerberg ausgelöst hat. Ges­tern stand der Facebookchef den eu­­ro­­pä­­ischen Par­la­­men­­tariern Rede und Antwort.
Wobei: Jeman­dem Rede und Antwort zu stehen bedeutet eigentlich, dass man ihn oder sie zu Wort kommen lässt. Das, was ich von der Auf­zeich­nung von gestern bis­lang gesehen habe, klingt eher wie eine Reihe von Straf­pre­digten, ergänzt durch Aus­flüchte des üblichen Verdächtigen.

Einmal in den nicht vorhandenen Bart „Tut­mirleid“ ge­mur­melt reicht für das, was gewisse Imperien mit unseren Daten an­stel­len, nicht nur nach meinem Empfinden nicht aus. So stellt sich wieder das Gefühl ein, dass hier mit zweierlei Maß ge­mes­sen wird. Hier lax, jovial, nahezu schenkelklopfend plus Fenster­reden, nächs­tes Jahr haben wir EU-Wahlen, auf der anderen Seite übergroße Schär­fe, Droh­ge­bär­den hier und die Angst vor Abmahnkanzleien dort.

Die Auswir­kungen sind fatal. Unser­einer schüttelt den Kopf über manche Un­ge­reimt­heit und verliert zwei Arbeitstage mit Sachen wie Da­ten­schutz­or­ga­ni­sa­tion, Transpa­renz, Lösch­fristen, Vertrau­lichkeit und Da­ten­schutz­fol­genab­schätzung. Kleine Blogs oder Initiativen machen reihenweise dicht, weil sie sich keine teuren Anwälte zur Erfül­lung der Forderungen der Da­ten­schutz­grund­ver­ord­nung leisten kön­nen, die übermorgen „scharf gestellt“ werden wird, und die Mitar­beiter nicht ha­ben, sich da einzufriemeln.

Jene Bürger, Ver­eins­mit­glieder, Ange­stellte und Frei­be­ruf­ler, die sich dem stellen, lernen oder wiederholen viele Begriffe. Sie dürfen künftig Ver­zeich­nisse anlegen, Extra­mails über Daten­schutz schreiben, Kreuz­chen setzen, Einwil­ligun­gen ab­spei­chern, alles über­prüf­bar halten. Gerne, wenn mir die EU-Funktionäre eine Mitar­bei­terin stellen, die das fünf Stunden die Woche in mei­nem Büro macht.

Und dann ploppen diese ko­mi­schen Infor­ma­tionen ins Mail­post­fach, wunderliche Blüten treibt die Verordnung da wie die Mutmaßung von Fach­leu­ten, dass die An­nah­me von Vi­si­ten­kar­ten künftig ein juristisches Problem darstellen könnte. Brau­che ich ab morgen auf der Visiten­karte eine in etwas wie Dreiein­halb­punkt­schrift ab­ge­druckte, juris­tisch wasser­dichte Rechtsbehelfsbelehrung, die an Anschlägen jene der Kon­takt­da­ten weit übersteigt?

Beweis­last­umkehr ist hier das Stichwort. Derjenige, der die Karte am Ende in Hän­den hält, muss nachweisen, dass es die Absicht desjenigen, der draufsteht, war und derzeit ist, dass Empfängerin oder Empfänger die Karte in Händen hält. Und während wir uns alle diese Gedanken machen, sitzen die die 200-Tau­send-Dol­lar-die-Stun­de-An­wäl­te der Giganten längst daran, die Nutzung der Schlupflöcher in den Ge­set­zes­tex­ten flan­kie­rend ab­zu­sichern.

Bis die juristi­sche Um­setzung geklärt ist, werde ich hier die Kom­men­tar­funktion deaktivieren. Auf https, die gesi­cherte Ver­bin­dung, habe ich bereits umgestellt. Morgen Abend werde ich meine Daten­schutz­er­klä­rung oben über einen der Kar­tei­rei­ter erreichbar abgeben.

Ich muss mir jetzt als Nicht­ju­ris­tin überlegen, ob diese Zustimmungen in be­ste­hen­de Vorgänge eingebaut werden können. Wenn mich zum Beispiel ein Kunde per Mail kon­tak­tiert wie eben: "Bitte senden Sie uns für den 12.9.18 ein Angebot!“, werte ich das als Laie als eindeutige Willensbekundung, denn um ein Ange­bot zu schreiben, muss ich die Kon­takt­da­ten ab­spei­chern. Genauso, wenn der Auftrag zu­stan­de­kommt, um Details zur Veran­staltung und zur Rech­nungs­le­gung nach­zu­fra­gen. Eine Extra­schlaufe für die Da­ten­schutz­ver­ord­nung muss da noch rein, wo stört sie am wenigsten?

Ir­gend­wie fällt mir Schil­da ein. Und um heute Nacht schlauer ins Bett zu gehen, als ich am Mor­gen auf­ge­stan­den bin, werde ich David Bernets „Im Rausch der Daten“ sehen, den Do­kumen­tarfilm zum DSGVO, den die ARD am späteren Abend aus­strah­len wird (anschließend in der Mediathek).

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Foto: C.E.

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