Montag, 1. Februar 2016

Januar, Berlinale, März, April ...

Bon­jour, hello und gu­ten Tag! Sie le­sen ei­ne Sei­te mei­nes di­gi­ta­len Ar­beits­ta­ge­buchs. Als Dolmetscherin und Übersetzerin (Schwerpunkt: Französisch) notiere ich hier Momente meines Alltags.

"Denkerei"
Denkerei in Kreuzberg
Der Januar mit sei­nen Neu­jahrs­em­pfän­gen ist vorbei. Ich war auf fünf oder sechs! Musste dringend mal wieder Marketing machen, denn in den Jahren, in denen ich mich hauptsächlich in Dol­met­scher­ka­bi­nen rum­ge­trie­ben habe, auch auf der Ber­li­na­le, war ich weniger sicht­bar, er­go ka­men da­rü­ber auch kei­ne An­schluss­auf­trä­ge mehr rein.

Denn leider wartet niemand am unteren Ende der Treppe und fragt sich nach der ihm unbekannten Dol­met­scher­in durch; wenn ich aber auf der Berlinalebühne mei­ne Performance abgelegt habe und anschließend noch mit Regisseurin und Pro­du­zent einen Wein trinken war, kam doch öfter mal ein Nachfolgeprojekt ... à propos Sprache, übersetzen Sie auch Drehbücher?

Jetzt Akkordübersetzen im Berlinale-Vorfeld. Beim Wort "Akkord" spüre ich vor al­lem den Zeitdruck, der auf Französisch nicht so stark mitschwingt. Da heißt Ak­kord­ar­beit travail à la pièce — Bezahlung nach Stückzahl (und nicht nach Zeit) oder travail à la chaîne — Fließbandarbeit, der Transportmechanismus steht im Vor­der­grund.

Dann nehme ich lieber einen anderen Begriff aus einem anderen Arbeitsbereich, traductrice urgentiste, der/die urgentiste ist der Notarzt/die Notärztin und das DRINGEND streckt ja mit drin.

Flash back zum Empfang. Meinte da neulich einer:
Mon verre est plein, je le vide. 
Mon verre est vide, je le plains.

Plein und plains (von plaindre) klingen gleich, und zwar so: [plɛ̃].

Mein Glas ist voll, ich leere es.
|Mein Glas ist leer, ich beklage sein Schicksal|.
EDIT: Mein Glas ist leer, ich beklage dies. [Siehe unter "Kommentare".]

Schönes, unübersetzbares Wortspiel. Im Falle von Untertiteln müsste man wohl komplett umdichten, aber irgendwie im Bereich alkoholischer Getränke und ge­sell­schaft­li­cher Anlässe bleiben. Ob Bazon Brock jetzt der Schlenker zu be­wusst­seins­ver­än­dern­den Substanzen gefällt? Wer diese letzte Frage nicht versteht, folge dem ergänzten Bildlink unten.

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Foto: C.E., Motiv: Denkerei

4 Kommentare:

Anonym hat gesagt…

Hallo Caro,

>Mon verre est plein, je le vide.
>Mon verre est vide, je le plains.

>Plein und plains (von plaindre) klingen gleich, und zwar so: [plɛ̃].

>Mein Glas ist voll, ich leere es.
>Mein Glas ist leer, ich beklage sein Schicksal.

Ich habe ja zugegebenermaßen seit DDR-Schulzeiten kein Französisch mehr gehabt, aber glaubst du nicht, dass es eher in die Richtung:

Mein Glas ist leer, ich beklage dies

geht? Also dies im Sinne von "die Tatsache, dass ich jetzt nichts mehr zu trinken habe"? Das Glas an sich ist dem Sprecher doch vermutlich wurst wie piepe.

Susan

caro_berlin hat gesagt…

Liebe Susan,
total einverstanden!
Danke! Ich war zu flott mit dem Fingern, mit dem Kopf zu sehr beim übersetzerischen Notfall.
Und hach, endlich mal wieder eine Leserzuschrift.
:-)
Bonne soirée,
Caroline

Peter Hauff hat gesagt…

Warum sollte man nicht auch versuchen können, Wortspiele zu übersetzen? Es gibt auch im Deutschen beileibe nicht nur Holzwege ...

Mein Glas ist voll Wein, ich trinke.
Mein Glas ist getrunken, ich weine.

Anonym hat gesagt…

Ich ziehe meinen Hut vor Peter! Chapeau! :)

Susan