Was mir an meinem Beruf nicht gefällt, sind die vielen Toten. Da ich ja für sehr viele Menschen dolmetsche und schon gedolmescht habe, ist die Liste derer lang, die ich bei einer Konferenz, einem Interview oder sogar mehrtätigen Dreharbeiten vertont habe. Ein Aspekt der Spracharbeit ist die menschliche Begegnung, den anderen möglicherweise im Stress zu erleben oder völlig entspannt, abgeklärt bis fröhlich.
Ich denke jetzt, Berlinale oblige, an den fast bis zuletzt quicklebendigen und hochgradig kreativen Claude Chabrol, den ich über zehn Jahre lang vertonen durfte. Mir sitzt der Schrecken in den Gliedern, seit ich erfahren habe, dass Chantal Akerman nicht mehr lebt. Bei anderen Dolmetschkunden wie Nathalie Sarraute oder François Mitterrand (vor meiner Zeit als Dolmetscherin) liegt es anders: Das waren einzelne Begegnungen mit Menschen in bereits vorgerücktem Lebensalter, da kam der Tod nicht überraschend.
Anders bei Roger Willemsen. Im Jahr 2000 haben meine Schwester Friederike und ich an einem Dreh für einen Dokumentarfilmthemenabend teilgenommen. Wir fuhren mit der gläsernen S-Bahn um den gerade sich schließenden Berliner Ring, deutsche Dokumentarfilmer haben sich in Interviews zum Stand des dokumentarischen Schaffens in Deutschland geäußert, Beiträge stellten Berlin vor, Roger Willemsen führte durch den „blick.berlin.dok“-Abend.
Nun gehöre ich verschiedenen Verbänden und Vereinen an, und es war die Arbeitsgemeinschaft Dokumentarfilm (AG DOK), die dieses Programm initiiert hatte. Im Rahmen der Vereinsarbeit sind immer wieder diverse Aufträge zu übernehmen, in denen wir uns selbst neu erfinden. Ich jedenfalls war bei dem Projekt für "Maske" zuständig, das erste und bislang einzige Mal.
Zwischendurch kamen wir gut miteinander ins Gespräch. Seine kluge, bedächtige und zugleich liebenswürdige Art fand ich später wieder, als ich bei Arbeitsessen mit französischen und deutschen Produzenten gedolmetscht habe, bei denen er zugegen war. Es ging um ein Projekt für den deutsch-französischen Kulturkanal, aus dem leider nichts wurde. Reihen wie diese oder mit ähnlich differenzierten, zugewandten Menschen fehlen in den deutschen und französischen Medien.
Antworten von 2009 |
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Foto: DIE ZEIT
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