Freitag, 5. Februar 2016

Mimikry

Sie lesen im ersten Blog Deutsch­lands aus dem In­ne­ren der Dol­met­scher­ka­bi­ne. Wenn ich nicht in Paris, Berlin oder sonstwo meine Stim­me verleihe, sitze ich am Übersetzerschreibtisch, bereite mich vor oder bereite die Themen nach und halte nicht nur meine Sprachkenntnisse up to date, sondern verbessere sie.

Woman's Hour / BBC4
My favourite radio (besides France Culture)
An auftragsfreien Tagen ist es ganz normal, dass zur Mittags­stunde meine spontanen sprachlichen Reaktionen auf Englisch da­her­kom­men ... Das hatte ich eben erst am Te­le­fon: Es ist Tag zwei nach einem drei­tä­gi­gen Mega-Arbeit­seinsatz und ich mache ty­pisch englische Fehler! Peinlich! Vor allem dann, wenn der Anrufende vorschlägt, die Sprache zu wechseln.

Ich täusche kurz ein wenig british english an, außerhalb des Tandem-Lernens (ein bis zwei Termine in der Woche) ist meine Leh­re­rin die gute alte BBC, wie ich schon ein Großteil meiner Kenntnisse Radio France Culture verdanke, erkläre mich, dann geht es auf Fran­zösisch weiter.

Ich bin ein Lernfreak. Alle Babies und Kinder sind Lernfreaks. Bei den meisten geht das dann in der Schule verloren. Das ist auch mir in einigen Fächern passiert. Dass wir unsere Schulen dringend moderni­sieren müssen, ist eine Binse. Lernen geht über mensch­liche Beziehungen, persönliches An­ge­sprochensein, weshalb ich dem Computer als Lehrer allein nicht so viel zutraue. Die aktuelle Debatte geht stel­len­wei­se in eine komische Richtung.

Ist erstmal eine emotionale Beziehung vorhanden, kann Technik na­tür­lich als ein weiteres Me­dium genutzt werden. Denn so ein Rechner (oder Radio) ist an sich ge­nau­so dumm oder klug wie ein Buch im Regal. Es kommt eben ganz auf die Ver­mitt­lung und die Ver­wen­dung an. That's it ... (and it's so fuckin' easy. Sendung-mit-der-Maus-Stimme: "Das war US-Englisch").
 
Für mich ist Hörfunk seit Kindertagen etwas, das mich persönlich anspricht. BBC4 sendet täglich ten o'clock UK time eine exzellente Frauensendung, Woman's hour, sowas fehlt im deutschen Hörfunk! Zumal es sich anfühlt wie gutes, altes Dampf­ra­dio, es gibt manchmal sogar Livemusik, heute war die großartige Bonnie Raitt zu hören!

Ich finde in den Sen­dun­gen immer wieder Dinge, an die ich anknüpfen kann. Heute wurde eine Schau­spielerin gefragt, wie sie ihren Beruf gelernt habe. Ihre Antwort war, dass sie als Kind ein Fan von impersonation gewesen sei, von mimikry ... Das letzte Wort kenne ich natürlich, das erste landet reingebleistiftet im Wörterbuch und wird nachher nochmal geprüft.

In mir läuten alle Glocken: Ja, genau, super Lern­methode! Als Kind habe ich immer die Lektionen der Sprachbücher nachgespielt. Ich hatte die Ton­cassetten zum Buch bestellt, mit­ge­sprochen, Intonation geübt, am Ende mit der besten Freundin im­pro­vi­siert und die Texte in allen Tonlagen ausprobiert. Das waren sehr lustige Momente.

Leider waren nicht alle Texte dazu geeignet. (Liebe Schul­buch­autoren: Bietet bitte viele spielbare Texte an in Euren Büchern, am besten noch mit viel Humor.) In der Schule hatten wir einen Technikraum mit hellen Lampen und einer Video­kamera. Wir haben dort Kishon-Texte inszeniert, gerne auch auf Englisch. Ich glau­be, so sind wir darauf gekommen. (Noch heute kann ich ganze Lehr­buch­seiten aus­wen­dig, und manche waren dermaßen blöde, dass es schon wieder gut war.)

Dabei haben wir geübt: Hör­ver­mögen, Imitieren, Selbst­kontrolle und -korrektur, Wage­mut (sich trauen ist beim Sprachenlernen die halbe Miete), Selbstironie (auch wichtig in dem Zusam­men­hang), grund­legende Lerntricks (Ver­bin­dung von Sprache mit Emotionen, Mimik, Gestik und Be­we­gung im Raum).

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Illustration: BBC4

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