Montag, 21. Dezember 2015

Best of 2015 (I)

Bon­jour und hal­lo! Hier bloggt eine Dol­met­scher­in und Über­set­zer­in. Ich ar­be­ite und lebe in Paris, Berlin und dort, wo Sie mich brauchen. Heute startet eine neue Kategorie, wobei das Best of eher ironisch gemeint ist, weshalb ich auch keinen tag hinzufüge. Ich beschreibe hier eher unschöne Dinge, möchte das nicht so raus­hän­gen. Aber jetzt zu Jahresende sind wir hier unter uns. OK, ich starte: Was mich dieses Jahr am meisten gewundert hat.

Vorrede: Als Dolmetscherin arbeite ich bilateral mit Französisch und Deutsch als Ausgangs- und Zielsprache. Die dritte Sprache ist Englisch, allerdings nur als Aus­gangs­spra­che, im Fachjargon C-Sprache genannt. Sie ist nie, ich sage wirklich NIE die Zielsprache unserer Bemühungen. Ende der Vorrede.

TV-Interview
Dieses Jahr habe ich das zweite Mal in meinem Leben in die englische Sprache ge­dol­metscht. Wie schon beim ersten Mal, wo ich das Thema gut kannte, ich Zeit hat­te und mein Dolmetschen aufgrund der nun einmal gelernten Methode besser war als das, was die Aufnahmeleiterin zu­stan­de­ge­bracht hätte, war es ein kurzfristig anberaumter Termin: Wie beim ersten Mal, als ich im August vor zwei Jahren für eine New Yorker Psychoanalytikerin tätig wurde, siehe Foto, der Beitrag dazu kam wohl nie in die Schlussredaktion, war ich am Vor­tag einbestellt worden. Wie vor zwei Jahren sprach mein Endkunde Eng­lisch lediglich als Zweit- oder Dritt­spra­che.

Dieses Idiom ist meine "passive Sprache", ich verstehe fast alles, aber bin froh, wenn ich mich ausdrücken kann. Auf Englisch habe ich etwa zwei Sprachniveaus zu bieten (auf Französisch ca. fünf, auf Deutsch etwa sieben). Mein Kunde stammt aus einem englischsprachigen Land Afrikas. Kurzfristig muss er in einer Sor­ge­rechts­an­ge­le­gen­heit zum Jugendamt.

Ich habe lange simultan gedolmetscht, hatte ein Wörterbuch dabei (bzw. den Wör­ter­buch­ta­schen­com­puter), das auch verwendet wurde, fand mich selbst über­ra­schend gelassen. Kurz: Es war ähnlich wie 2013, die Routine der Arbeitsmethode hilft über so manchen Stress hinweg.

Am Ende sind mit der Kommunikation alle zufrieden. Beim nächsten Mal hat das Amt allerdings jemand anderen einbestellt. Naja, für 26,50 Euro die Stunde ar­bei­te ich sonst nicht (Berliner Jugendamtstarif). Später kamen dann freundliche Mails vom Endkunden: Ob ich nicht wieder für ihn dolmetschen könne, mein Englisch sei doch so viel besser als das der anderen Person. Moment mal, er (oder sie) müsste die Staatsprüfung absolviert haben und gerichtlich beeidigt sein, was wir als Kon­fe­renz­dol­met­scher­ nicht zwingend haben. Irgendwas stimmt hier nicht, an­ge­fan­gen bei der Honorarsumme.

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Foto: C.E. (Archiv)

2 Kommentare:

Winter hat gesagt…

Liebe Frau Elias,

der Satz, den Sie da angeben, kann so gar nicht stimmen. In Deutschland gilt das Justizvergütungs- und Entschädigungsgesetz, bei Simultandolmetschen stehen Ihnen 75 Euro zu.

Ich kann mir vorstellen, dass es für Sprachmittler in den heutigen Zeiten nicht leicht ist, aber ich bitte Sie auch, nicht zu übertreiben.

Mit freundlichen Grüßen,
M. Winter
(früher Justizangestellte)

caro_berlin hat gesagt…

Liebe Frau Winter,

Ihren Einwand hatte ich letzte Woche leider übersehen. Leider stimmen diese Sätze, auch wenn sie grundfalsch sind als Honorarpolitik. Sie machen aus Dolmetschern und Übersetzern nämlich Menschen, die über den ganzen Tag gerechnet bei weniger als Mindestlohn landen. Und das führt dazu, dass hier demnächst Profis kaum noch anzutreffen sein dürften.

Ja, das Tarifgefüge sieht bereits "Entschädigungen" für Laien vor. Welche Folgen falsche Übertragungen haben können, dürfen Sie sich gerne ausmalen. Mir gefällt dads nicht.

Anfang Januar schreibe ich mehr darüber und zeige Ihnen auch Tariflisten.

Mit freundlichen Grüßen,
Caroline Elias