Montag, 23. Juni 2014

Das Runde und das Eckige

Ob Sie es be­­ab­­sich­­tigt ha­­ben oder nicht, Sie sind mit­­ten in mei­­nem di­­­gi­­­ta­­­len Log­buch aus der Dol­­met­­scher­­ka­­bine ge­­lan­­det! Herzlich will­kom­men! Hier schreibe ich über meinen Berufsalltag.

Nicht alles endet dieser Tage auf Fußball
Das ist mal wieder die Quadratur des Kreises. Ich verstehe den Ausgangstext nicht, an dem eine Kollegin rumfrickelt, obwohl er in meiner Mutters­pra­che ge­schrie­ben wurde. Als Teil eines Netz­werks habe ich auch Pflichten wie das Gegenlesen von Übersetzungen oder eben das Er­klä­ren von Texten. Es han­delt sich um einen Schachtelsatz von Proustschen Ausmaßen: Zwei Punkte finden sich auf der Din A 4-Seite, dazu etliche Einschübe, Gedankenstriche, Klammern; ein Semikolon. Ein echter Kopfschmerztext.

Ich nehme farbige Stifte in die Hand, markiere und sortiere neu. Es ist, als legte ich mir Spuren durchs Labyrinth.

Im Grunde müsste ich den Textteil reformulieren. Ich zögere. Ich muss ihn um­schrei­ben. Ich starte einen Versuch. Das Ergebnis gefällt mir. Ich bespreche mich mit der Kollegin, wir schreiben den Kunden an. Seine Antwort lässt nicht lange auf sich warten. Er ist hocherfreut, schreibt, dass diese Seite ihm auch enor­me Bauch­schmer­zen bereitet habe, freut sich über die neuen Zeilen (den Inhalt hatte ich wohl richtig erfasst, naja, ich hab mich ja auch vorher im Netz informiert). Er bittet da­rum, die Extraarbeit gesondert in Rechnung zu stellen.

So macht die Arbeit Spaß. Dazu gleich noch ein Zitat: "Nun kommt der Übersetzer. Im Netz seiner Zusammenhänge sollte wohl stehen 'übersetze funktionsgerecht!'
— Das heißt unter Umständen auch: Vertexte teilweise neu, bis die Sache für den intendierten Zielrezipienten verständlich ist! — Ein Übersetzer sollte keine Angst haben, schlecht verfaßte Ausgangstexte zur Erfüllung seines gesetzten Ziels neu zu vertexten!"

Quelle: Vermeer, Hans J. 1994: "Übersetzen als kultureller Transfer." In: Snell-Horn­by, Mary [Hrsg.] Übersetzungswissenschaft — Eine Neuorientierung. Zur In­te­grie­rung von Theorie und Praxis. Tübingen/Basel: Francke. S. 21f. Die veraltete Recht­schrei­bung stammt aus dem Original.

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Foto: Archiv

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