Willkommen auf meinem Blog. Die Welt der Französischdolmetscher und -übersetzer beschreibe ich hier. Seit Wochen spreche ich über die Berlinale. Dienstag hat sie angefangen. Wie? Was soll das heißen? Das Feuilleton berichtet nicht darüber?
OK, sie hat noch nicht angefangen. Aber seit Wochen eilen Journalisten und die Filmdolmetscherin in Pressevorführungen, Dienstag war die große Pressekonferenz, auf der das Programm vorgestellt wurde. Die ersten Kunden haben uns schon vor zwölf Tagen gebucht, in vier weiteren Fällen sind wir am Termineschieben und Angeboteschreiben.
Das war ein guter Anlass, mal wieder einiges hervorzukramen an gesprochener und geschriebener Danksagung von Kunden für meine Arbeit. (Das meiste findet sich auf den Blogseiten).
Kundenstimmen
"Brillant, wie immer", Claude Chabrol
"Simply the best", Claire Denis
"Übersetzung, die mehr als perfekt ist", Dany Boon
"Profi mit Leidenschaft und Herz", Johannes Kirchlechner, Kameramann
"Ihre Erfahrung macht sie souverän", Madgar Hische, Regieassistentin
"Meine Lieblingsdolmetscherin", Dieter Kosslick, Berlinale (das sagt er auch zu Helen Ferguson, und das ist schön!)
"Wir können ihre Arbeit nur wärmstens empfehlen", Pascal Thibaut, Hörfunkjournalist und 1. Vorsitzender des Vereins Bleublancrose
"lebendige, wortgewandte Verdolmetschung", Dunja Bialas, Vorstandssprecherin, Verband der deutschen Filmkritik
"ausgezeichnet, unentbehrlich", Alissa Jung, Mitinitiatorin "Schulen für Haiti"
"lebendig und mit viel Verve", Kay Hoffmann, Haus des Dokumentarfilms, früher Berlinale
Kleiner Blick ins Gästebuch: Gästebuchseite, Marburger Kameragespräche
So, ich darf jetzt versuchen, die Bücher des Vorjahres aus dem Lesesesselbereich ins Hauptregal umzuziehen, um Platz für die Berlinale-WG zu schaffen, dann wandern noch zwei Anzüge in die Reinigung, dann Blusen bügeln und vorkochen. Ach, dieses Jahr habe ich zwei Partyeinladungen für die Berlinale, in Ziffern: 2! Film ist für Übersetzer und Dolmetscher ein echter Knochenjob, das hat mit Glamour nicht viel zu tun. Party war gestern, gut so.
(Wer das liest und vielleicht doch noch irgendwo ein Kärtchen übrig hat ... vielleicht passt es ja?)
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Foto: privat
Was ich anbiete
Freitag, 31. Januar 2014
Donnerstag, 30. Januar 2014
Blick auf den Schreibtisch
Willkommen auf den Seiten eines virtuellen Arbeitstagebuchs aus der Welt der Sprachen. Ich bin Dolmetscherin und Übersetzerin für die französische Sprache und aus dem Englischen. Honorartage sind das eine, unbezahlte Arbeitstage, an denen ich mich à jour halte, mich bewerbe, berate und selbst verwalte, das andere.
Meine Routine am Morgen beginnt so: Zeitungsübersicht, dabei vier, fünf Zeitungsartikel abspeichern, studieren, Lexiken ergänzen. Und wenn ich auf eine Frage oder Widersprüche stoße, suche ich weiter. Dabei springe ich wild zwischen den drei Sprachen hin und her. Mittags, beim Kochen, höre ich oft Programme zum Thema.
Ich ergänze meine Beschäftigung gern mit Online-Radiosendungen (die ich anschließend nicht selten als Podcast zum Spaziergang mitnehme). Lese ich mich in den Morgenstunden fest, geht die Vormittagstätigkeit auch schon mal in die Mittagsbeschäftigung über. Beim Lernen ist es wichtig, alle Bewusstseinsebenen anzusprechen. Mit der Zeitung unter dem Arm kehre ich heim und setze die Spracharbeit auf dem Papier fort.
Heute: Wirtschaft, allgemeine Politik, deutsche Regierungserklärung und das Medienecho darauf. Außerdem natürlich Filmwirtschaft und Filmgestaltung. Beim Lernen fällt mir auf, dass ich immer öfter nur noch Englisch-Französisch pauke, weil das Deutsche unausgesprochen mitschwingt.
Vokabelnotiz
the french bashing — le dénigrement des français
the stress test — le test de résistance bancaire
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Foto:eigenes Archiv
Meine Routine am Morgen beginnt so: Zeitungsübersicht, dabei vier, fünf Zeitungsartikel abspeichern, studieren, Lexiken ergänzen. Und wenn ich auf eine Frage oder Widersprüche stoße, suche ich weiter. Dabei springe ich wild zwischen den drei Sprachen hin und her. Mittags, beim Kochen, höre ich oft Programme zum Thema.
Ich ergänze meine Beschäftigung gern mit Online-Radiosendungen (die ich anschließend nicht selten als Podcast zum Spaziergang mitnehme). Lese ich mich in den Morgenstunden fest, geht die Vormittagstätigkeit auch schon mal in die Mittagsbeschäftigung über. Beim Lernen ist es wichtig, alle Bewusstseinsebenen anzusprechen. Mit der Zeitung unter dem Arm kehre ich heim und setze die Spracharbeit auf dem Papier fort.
Heute: Wirtschaft, allgemeine Politik, deutsche Regierungserklärung und das Medienecho darauf. Außerdem natürlich Filmwirtschaft und Filmgestaltung. Beim Lernen fällt mir auf, dass ich immer öfter nur noch Englisch-Französisch pauke, weil das Deutsche unausgesprochen mitschwingt.
Vokabelnotiz
the french bashing — le dénigrement des français
the stress test — le test de résistance bancaire
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Foto:eigenes Archiv
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Mittwoch, 29. Januar 2014
Berufsethos
Bonjour und guten Tag! Hier bloggt eine Spracharbeiterin und Sie können Einblick nehmen in die Art und Weise, wie eine Dolmetscherin und Übersetzerin die Welt sieht. In einem ersten Berufsleben war ich Journalistin, das ist heute noch wichtig zu erwähnen.
Letzte Woche ein Halbsatz in der "Zeit", Montag ein Artikel in der "Saarbrücker Zeitung", Dienstag das große Rauschen im Blätterwald: Angeblich solle der einstige VW-Personalvorstand Peter Hartz den französischen Präsidenten François Hollande darin beraten, wie bei der französischen Sozialpolitik "gespart" werden könne.
Das französische Dementi kam sehr schnell. Es erschien Dienstagfrüh um 5.39 Uhr in "Le Monde". Die Herren hatten sich eine Stunde lang während eines geheimgehaltenen Treffens gesprochen, mehr nicht. Da blähte sich das deutsche Medienrauschen gerade in Richtung Tosen auf. Es ist den Tag über kaum abgeflaut.
Mir bereitet das ungute Gefühle, es ist, als könnten die Journalisten nur noch abschreiben. Vermutlich können eben (fast) alle kein Französisch lesen oder verstehen. Und sie sind offenbar auch nicht dazu imstande, Sprachkundige zu beauftragen mit der Frage, was denn nun in diesen oder jenen offiziellen Verlautbarungen steht. Nee, die Blöße gibt sich hierzulande kaum einer mehr. Dann lieber Sturm im Blätterwald.
Einige Ausnahmen finden sich in den deutschen Medien. "Die Zeit" ergänzt am frühen Nachmittag ihre Infos, die SZ auch (siehe unten). Heute, Mittwoch, stehen an weniger prominenten Stellen mancher Zeitungen Widerrufe, die Story wird aber auch stellenweise so kommentiert, als handele es sich um eine Tatsache. Anderenorts keine Spur von Selbstkritik oder gar Rücknahmen in einem Umfang, dass sich die Ergebnisse der Suchmaschinen nennenswert ändern würden.
Zwei Fragen: Wo ist der journalistische Grundsatz hin verschwunden, dass jede Nachricht von zwei voneinander unabhängigen Quellen bestätigt werden muss?
Und wo sind die ganzen Mitstudentinnen und -studenten hin, mit denen ich in den 1980-er, 90-er Jahren im deutsch-französischen Bildungsapparat steckte zwischen zweisprachigem Studienprogramm und Redaktionspraktikum? Haben die wie ich auch alle aufgegeben, weil die Honorare in keinem Verhältnis zu den Lebenshaltungskosten standen?
Und nach welchen Kriterien landeten die happy few am Ende in der Festanstellung?
Not amused. Schon wieder. Okay, ich eile eine Runde ans Licht mit einer literarischen Radiosendung von France Culture auf den Lauschern, dann geht's mit Berlinale-Buchungen weiter, im Anschluss Vertragsübersetzung.
P.S.: Laut Radio France Internationale (RFI), dem französischen Auslandsrundfunksender, sollen sich die Herren Hartz und Hollande am Dienstag in Paris wiedergesehen haben.
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Illustrationen: Le Monde, startpage.com
Letzte Woche ein Halbsatz in der "Zeit", Montag ein Artikel in der "Saarbrücker Zeitung", Dienstag das große Rauschen im Blätterwald: Angeblich solle der einstige VW-Personalvorstand Peter Hartz den französischen Präsidenten François Hollande darin beraten, wie bei der französischen Sozialpolitik "gespart" werden könne.
Das französische Dementi kam sehr schnell. Es erschien Dienstagfrüh um 5.39 Uhr in "Le Monde". Die Herren hatten sich eine Stunde lang während eines geheimgehaltenen Treffens gesprochen, mehr nicht. Da blähte sich das deutsche Medienrauschen gerade in Richtung Tosen auf. Es ist den Tag über kaum abgeflaut.
Mir bereitet das ungute Gefühle, es ist, als könnten die Journalisten nur noch abschreiben. Vermutlich können eben (fast) alle kein Französisch lesen oder verstehen. Und sie sind offenbar auch nicht dazu imstande, Sprachkundige zu beauftragen mit der Frage, was denn nun in diesen oder jenen offiziellen Verlautbarungen steht. Nee, die Blöße gibt sich hierzulande kaum einer mehr. Dann lieber Sturm im Blätterwald.
Einige Ausnahmen finden sich in den deutschen Medien. "Die Zeit" ergänzt am frühen Nachmittag ihre Infos, die SZ auch (siehe unten). Heute, Mittwoch, stehen an weniger prominenten Stellen mancher Zeitungen Widerrufe, die Story wird aber auch stellenweise so kommentiert, als handele es sich um eine Tatsache. Anderenorts keine Spur von Selbstkritik oder gar Rücknahmen in einem Umfang, dass sich die Ergebnisse der Suchmaschinen nennenswert ändern würden.
Und wo sind die ganzen Mitstudentinnen und -studenten hin, mit denen ich in den 1980-er, 90-er Jahren im deutsch-französischen Bildungsapparat steckte zwischen zweisprachigem Studienprogramm und Redaktionspraktikum? Haben die wie ich auch alle aufgegeben, weil die Honorare in keinem Verhältnis zu den Lebenshaltungskosten standen?
Und nach welchen Kriterien landeten die happy few am Ende in der Festanstellung?
Not amused. Schon wieder. Okay, ich eile eine Runde ans Licht mit einer literarischen Radiosendung von France Culture auf den Lauschern, dann geht's mit Berlinale-Buchungen weiter, im Anschluss Vertragsübersetzung.
P.S.: Laut Radio France Internationale (RFI), dem französischen Auslandsrundfunksender, sollen sich die Herren Hartz und Hollande am Dienstag in Paris wiedergesehen haben.
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Illustrationen: Le Monde, startpage.com
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Dienstag, 28. Januar 2014
Aufgebot
Notizen aus dem Alltag einer Konferenzdolmetscherin veröffentliche ich hier regelmäßig. Als Französischdolmetscherin und -übersetzerin werde ich fast überall tätig, von der Wiege bis zur Bahre gewissermaßen. Zwischendurch ist auch schon mal eine Hochzeitsvorbereitung dabei.
Das Neuköllner Rathaus scheint besonders erfolgreich zu sein, die hier geschlossenen Ehen überaus haltbar: Im Warteraum für die Anmeldung zur Eheschließung steht eine große Vitrine voller Pokale und Medaillen. Sie sprechen Bände davon, dass wir uns an einem Ort exzellenter Arbeit befinden. Wir fühlen uns gleich in besten Händen. Wir, das sind die deutsche Braut, der kanadische Bräutigam und ich, die Dolmetscherin.
An den Wänden hängen "Brautstraußreportagen" verschiedener Fotografen, Magazine von Hochzeitsmessen liegen zum Blättern bereit und der größte Berliner Stadtteil Neukölln preist die bezirkseigene Britzer Mühle als Austragungsort einer möglichen "Vermehlung" an.
Im Zimmer der Standesbeamtin geht es deutlich profaner zu, aber ein gewisser Zauber entsteht durchaus über den vielen Formularen, die die Dame vor uns ausfüllt und immer vor dem Unterschreibenlassen feierlich verliest. Mir fällt auf, dass das Wort "Aufgebot" abgeschafft wurde, ich frage nach. Das heiße jetzt "Eheschließung anmelden". (Meine letzten Verdolmetschungen in diesem Vorgang betrafen vor allem den eigentlichen Ringetausch, beim Anmeldungstermin waren Kollegen aktiv.) Auch, so setzt die Dame von der Verwaltung fort, werde nichts mehr draußen an der Pforte des Rathauses ausgehängt.
Geblieben ist das "Ehefähigkeitszeugnis", ein besonders deutsches Dokument. Es ist offenbar weit aussagekräftiger als der Ledigennachweis aus der Heimat des Verlobten, weshalb eine Richterin im Kammergericht die Unterlagen begutachten und den Herrn extra von der Beibringung eines solches Dokuments befreien muss, Begründung: "Das geforderte Dokument gibt es in meiner Heimat nicht."
Der Fall scheint häufiger vorzukommen. In anderer Herren Länder mangele es sehr häufig an diesem Zertifikat, so die Amtsdame. Warum ausgerechnet die Deutschen besonders befähigt scheinen, die Fähigkeit zur Eheschließung ausländischer Neubürger zu prüfen, will mir nicht einleuchten.
Der junge Mann versichert also an Eides statt (§ 56 StGB), dass er mit der hier anwesenden jungen Dame nicht verwandt ist (bzw. von keinem etwaigen Verwandschaftsverhältnis weiß) und dass er weder nach gesetzlichen noch nach religiösen oder gar nach traditionellen Regeln bereits eine Ehe eingegangen ist (oder eine gleichgeschlechtliche Lebensgemeinschaft begründet hat).
Die Formeln werden länger mit den sich verändernden Lebensweisen.
Andere Punkte regeln offenbar zwischenstaatliche Abkommen. So gilt zum Beispiel das "Domizilprinzip", weshalb es sich mit dem Namensrecht so verhält: Hier sind erstens die Gesetze der Länder der künftigen Eheleute gleichberechtigt gültig, da aber zweitens nämliches Prinzip greift, dominiert das jenes Landes, in dem sich das Paar im Moment der Eheschließung aufhält. Aha.
Dieser Passus lässt sich kinderleicht verdolmetschen, er besteht aus vielen schönen übersichtlich konstruierten Fachtermini, die sich brav aneinanderreihen und miteinander verknüpfen lassen. Wohingegen ich wenig später nicht mehr weiß, was das Wort "Rückverweisung" bedeutet, das ich mir auf meinem Schmierzettel notiert habe. Ich habe mir auch nicht gemerkt, auf welche juristische Realität sich das bezieht. Die Standesbeamtin erklärte den Begriff, ich dolmetschte.
Dann kommt der Satz, weswegen die Behörden unsereiner unter Eid nehmen bzw. vielerorts gerichtlich beeidigte Dolmetscher vorziehen: "Wir wissen, dass unvollständige oder falsche Angaben rechtlich geahndet werden können" — was, wenn es ganz schlimm kommt, zur "Aufhebung der Ehe" führen kann.
Dann erhalten die beiden nebst vielen Merkblättern noch einen Zettel zur Musikauswahl für die Hochzeitszeremonie in die Hände gedrückt. Zur Wahl stehen unter anderem Stücke von den "Toten Hosen", aber auch der Titel "somethin' stupid" von Robbie Williams.
Als wir nach getaner Anmeldung die Pokale noch für den Blogeintrag fotografieren wollten, war der Warteraum leider verschlossen. Dann liefern wir beim nächsten Mal dieses wunderbare Bild nach.
Vokabelnotiz:
begründen — etwas entstehen lassen, die Grundlagen für etwas aufbauen — fonder, établir, édifier
begründen — etwas mit Argumenten untermauern — justifier, expliquer
célibataire — ledig. Das deutsche Wort ist einfacher, das Französische mir sprachlich zu nah am "Zölibat" dran und damit sicher in der großen Mehrzahl der Fälle eine glatte Lüge, weshalb es mir einst schwerfiel, die unabhängig voneinander gelernten Begriffe zusammenzubringen.
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Foto: kommt noch
Das Neuköllner Rathaus scheint besonders erfolgreich zu sein, die hier geschlossenen Ehen überaus haltbar: Im Warteraum für die Anmeldung zur Eheschließung steht eine große Vitrine voller Pokale und Medaillen. Sie sprechen Bände davon, dass wir uns an einem Ort exzellenter Arbeit befinden. Wir fühlen uns gleich in besten Händen. Wir, das sind die deutsche Braut, der kanadische Bräutigam und ich, die Dolmetscherin.
An den Wänden hängen "Brautstraußreportagen" verschiedener Fotografen, Magazine von Hochzeitsmessen liegen zum Blättern bereit und der größte Berliner Stadtteil Neukölln preist die bezirkseigene Britzer Mühle als Austragungsort einer möglichen "Vermehlung" an.
Im Zimmer der Standesbeamtin geht es deutlich profaner zu, aber ein gewisser Zauber entsteht durchaus über den vielen Formularen, die die Dame vor uns ausfüllt und immer vor dem Unterschreibenlassen feierlich verliest. Mir fällt auf, dass das Wort "Aufgebot" abgeschafft wurde, ich frage nach. Das heiße jetzt "Eheschließung anmelden". (Meine letzten Verdolmetschungen in diesem Vorgang betrafen vor allem den eigentlichen Ringetausch, beim Anmeldungstermin waren Kollegen aktiv.) Auch, so setzt die Dame von der Verwaltung fort, werde nichts mehr draußen an der Pforte des Rathauses ausgehängt.
Geblieben ist das "Ehefähigkeitszeugnis", ein besonders deutsches Dokument. Es ist offenbar weit aussagekräftiger als der Ledigennachweis aus der Heimat des Verlobten, weshalb eine Richterin im Kammergericht die Unterlagen begutachten und den Herrn extra von der Beibringung eines solches Dokuments befreien muss, Begründung: "Das geforderte Dokument gibt es in meiner Heimat nicht."
Der Fall scheint häufiger vorzukommen. In anderer Herren Länder mangele es sehr häufig an diesem Zertifikat, so die Amtsdame. Warum ausgerechnet die Deutschen besonders befähigt scheinen, die Fähigkeit zur Eheschließung ausländischer Neubürger zu prüfen, will mir nicht einleuchten.
Der junge Mann versichert also an Eides statt (§ 56 StGB), dass er mit der hier anwesenden jungen Dame nicht verwandt ist (bzw. von keinem etwaigen Verwandschaftsverhältnis weiß) und dass er weder nach gesetzlichen noch nach religiösen oder gar nach traditionellen Regeln bereits eine Ehe eingegangen ist (oder eine gleichgeschlechtliche Lebensgemeinschaft begründet hat).
Die Formeln werden länger mit den sich verändernden Lebensweisen.
Andere Punkte regeln offenbar zwischenstaatliche Abkommen. So gilt zum Beispiel das "Domizilprinzip", weshalb es sich mit dem Namensrecht so verhält: Hier sind erstens die Gesetze der Länder der künftigen Eheleute gleichberechtigt gültig, da aber zweitens nämliches Prinzip greift, dominiert das jenes Landes, in dem sich das Paar im Moment der Eheschließung aufhält. Aha.
Dieser Passus lässt sich kinderleicht verdolmetschen, er besteht aus vielen schönen übersichtlich konstruierten Fachtermini, die sich brav aneinanderreihen und miteinander verknüpfen lassen. Wohingegen ich wenig später nicht mehr weiß, was das Wort "Rückverweisung" bedeutet, das ich mir auf meinem Schmierzettel notiert habe. Ich habe mir auch nicht gemerkt, auf welche juristische Realität sich das bezieht. Die Standesbeamtin erklärte den Begriff, ich dolmetschte.
Dann kommt der Satz, weswegen die Behörden unsereiner unter Eid nehmen bzw. vielerorts gerichtlich beeidigte Dolmetscher vorziehen: "Wir wissen, dass unvollständige oder falsche Angaben rechtlich geahndet werden können" — was, wenn es ganz schlimm kommt, zur "Aufhebung der Ehe" führen kann.
Dann erhalten die beiden nebst vielen Merkblättern noch einen Zettel zur Musikauswahl für die Hochzeitszeremonie in die Hände gedrückt. Zur Wahl stehen unter anderem Stücke von den "Toten Hosen", aber auch der Titel "somethin' stupid" von Robbie Williams.
Als wir nach getaner Anmeldung die Pokale noch für den Blogeintrag fotografieren wollten, war der Warteraum leider verschlossen. Dann liefern wir beim nächsten Mal dieses wunderbare Bild nach.
Vokabelnotiz:
begründen — etwas entstehen lassen, die Grundlagen für etwas aufbauen — fonder, établir, édifier
begründen — etwas mit Argumenten untermauern — justifier, expliquer
célibataire — ledig. Das deutsche Wort ist einfacher, das Französische mir sprachlich zu nah am "Zölibat" dran und damit sicher in der großen Mehrzahl der Fälle eine glatte Lüge, weshalb es mir einst schwerfiel, die unabhängig voneinander gelernten Begriffe zusammenzubringen.
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Foto: kommt noch
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Montag, 27. Januar 2014
We're paid for waiting
Willkommen auf den Blogseiten einer Sprachmittlerin. Was Französischdolmetscher machen, die nebenbei auch übersetzen, können sie hier erfahren. Neben
der Konferenz- und Messearbeit übersetze ich auch, und zwar Treatments
und Drehbücher, Projektkonzepte und Finanzierungspläne. Hier blogge
ich seit Februar 2007.
Es gibt Tage im Übersetzer- und Dolmetscherleben, die sind kurios. Letzte Woche habe ich zwei Pressetexte für einen Filmproduzenten übersetzt, der zur Berlinale kommen wird. Einer war (auf Französisch) höchst ungewöhnlich formuliert. Diese Redewendung ist bewusst höflich gehalten. Mein Umfeld hat da Sätze von anderer Deutlichkeit vernommen.
Sonntag zur besten Mittagszeit landete eine überarbeitete Fassung in meinem Mailbriefkasten. Ich habe mich geärgert, dass ich überhaupt reingesehen hatte, aber immerhin stand da: "EILT! Bitte aus drucktechnischen Gründen bis Montag, 7.00 Uhr liefern. Berechnen Sie einen Sonntagszuschlag."
Die Arbeit bestand, fünf Absätze lang, im Wesentlichen aus Textkürzung. Es waren genau jene Stellen, an denen ich mich neulich so abgemüht hatte, die dem hausinternen Cheflektor, der aus dem Skiurlaub zurückgekehrt war, missfallen haben. In seiner Kritik trifft er genau meinen Geschmack. Aber ist er auch Autor eines neu hinzugekommenen Textteils? Der liest sich so kryptisch, dass ich gestern gleich eine Liste von Fragen zurückgeschickt habe. Denn vieles ist doppeldeutig, ein Satz findet überhaupt kein Ende, hängt punktlos in der Luft.
Auf meine Fragen lag um fünf Uhr morgens, als ich mich für die letzte Korrekturschleife aus dem Bett geschält habe, noch keine Antwort vor. Auch um sechs Uhr nicht. Sogar um sieben Uhr stand die Antwort noch aus. Zu dieser Stunde schickte ich jedenfalls wie erbeten meine Überarbeitung — beim letzten Absatz gab es bei zwei Sätzen jeweils zwei Möglichkeiten, je Interpretation, der Rest war mit Fragen versehen.
Es ist Montag, 13.00 Uhr. Bis zur Stunde liegt noch keine Antwort vor. Hm, wie war das gleich noch? Eilauftrag, Sonntagszuschlag, Drucker?
Eigentlich säße ich längst schon wieder bei Berlinale-Pressevorführungen, so blockiert dieser Auftrag hier auch noch die Abläufe.
Not amused.
So, jetzt rasch wieder ein Kilo Selbstmotivation auspacken, Mittagessenstermin mit einem Kunden wahrnehmen, dann eine Vertragsübersetzung anfangen, auch Berlinale-Vorlauf.
Als|Rausschmeißer| Abmoderation fällt mir ein Schnack vom Filmdreh ein: We're paid for waiting, performance is for free. Wer einmal gedreht oder ein Team dabei beobachtet hat, versteht die Tiefe des Satzes.
P.S.: Bei der vorgetragenen Episode kann es sich auch um ein Moment aus dem Vorjahr handeln, exakt zwei Wochen vor der Berlinale. Ich will ja nicht, dass sich hier jemand auf den Schlips getreten fühlt, es geht mir nur um den Vorgang.
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Foto: C.E.
Statt Erleuchtung | Licht auf dem Tisch (R. Exner) |
Sonntag zur besten Mittagszeit landete eine überarbeitete Fassung in meinem Mailbriefkasten. Ich habe mich geärgert, dass ich überhaupt reingesehen hatte, aber immerhin stand da: "EILT! Bitte aus drucktechnischen Gründen bis Montag, 7.00 Uhr liefern. Berechnen Sie einen Sonntagszuschlag."
Die Arbeit bestand, fünf Absätze lang, im Wesentlichen aus Textkürzung. Es waren genau jene Stellen, an denen ich mich neulich so abgemüht hatte, die dem hausinternen Cheflektor, der aus dem Skiurlaub zurückgekehrt war, missfallen haben. In seiner Kritik trifft er genau meinen Geschmack. Aber ist er auch Autor eines neu hinzugekommenen Textteils? Der liest sich so kryptisch, dass ich gestern gleich eine Liste von Fragen zurückgeschickt habe. Denn vieles ist doppeldeutig, ein Satz findet überhaupt kein Ende, hängt punktlos in der Luft.
so sehen wirklich komplizierte Jobs aus: Arte-Dreh dolmetschen |
Eigentlich säße ich längst schon wieder bei Berlinale-Pressevorführungen, so blockiert dieser Auftrag hier auch noch die Abläufe.
Not amused.
So, jetzt rasch wieder ein Kilo Selbstmotivation auspacken, Mittagessenstermin mit einem Kunden wahrnehmen, dann eine Vertragsübersetzung anfangen, auch Berlinale-Vorlauf.
Als
P.S.: Bei der vorgetragenen Episode kann es sich auch um ein Moment aus dem Vorjahr handeln, exakt zwei Wochen vor der Berlinale. Ich will ja nicht, dass sich hier jemand auf den Schlips getreten fühlt, es geht mir nur um den Vorgang.
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Foto: C.E.
Sonntag, 26. Januar 2014
Sonntagsspaziergang ...
Bonjour oder bonsoir ! Hier bloggt eine Dolmetscherin und Übersetzerin. Ich wohne in Berlin an der Grenze zu Kreuzberg, bin das Jahr über aber viel unterwegs, z.B. für Berufseinsätze in Paris, Köln, Lyon, Hamburg, Marseille, München oder Cannes. Sonntags werde ich privat.
... in Kreuzberg. Das Schöne und das Schreckliche sind hier Nachbarn, und ja, es besteht Kausalität, wenngleich auch keine direkte. Wir sind an der Kreuzberger Admiralsbrücke. Die anschließend abgebildeten Orte sind von der Brücke nur wenige (hundert) Meter entfernt. Die Exteme liegen nur 850 Meter auseinander.
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Fotos: C.E.
... in Kreuzberg. Das Schöne und das Schreckliche sind hier Nachbarn, und ja, es besteht Kausalität, wenngleich auch keine direkte. Wir sind an der Kreuzberger Admiralsbrücke. Die anschließend abgebildeten Orte sind von der Brücke nur wenige (hundert) Meter entfernt. Die Exteme liegen nur 850 Meter auseinander.
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Fotos: C.E.
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Am Wegesrand aufgelesen,
Sonntagsbilder
Donnerstag, 23. Januar 2014
aufgedreht und übermüdet zugleich
Den Berufsalltag einer Sprachmittlerin können Sie hier verfolgen. Wie Französischdolmetscher und -übersetzer leben und arbeiten, ist zwar im Einzelfall sicher sehr unterschiedlich, vieles von dem, was ich so erlebe, ist trotzdem exemplarisch.
Gestern schrieb ich hier in der Fotolegende, dass ich in meinem Französischlernkrimi für Kinder eine Dolmetscherin karikiert habe. Hier nun auf Wunsch einiger Leserinnen und Leser der besagte Ausschnitt, einmal in der Originalfassung, einmal eingedeutscht.
Ort der Handlung: Ein Restaurant. Bonne lecture !
Da kommt Françoise zur Tür herein. Sie sieht müde aus. Sie spricht zu schnell.
"Ça va? Avez-vous une idée comme mon travail est fatigant? Vous avez déjà commandé?", fragt sie.
Die Kinder sehen sich an und schweigen.
"Maman, à quelle question dois-je répondre en premier?", fragt Louis betont langsam. Er kennt seine Mama nach Arbeitseinsätzen: aufgedreht und übermüdet zugleich.
"Je suis désolée." Françoise lacht. "Ce n'est pas facile quand la maman est interprète", sagt sie, halb zu Louis, halb zu Anna.
"Qu'est-ce que tu fais en tant qu'interprète?", fragt diese sogleich.
"J'aide les personnes qui ne parlent pas la même langue à ce comprende. Ce matin par exemple, j'ai travaillé à la police. Quelqu'un à volé le numéro de la carte de crédit à des touristes de la Suisses romande", erzählt sie, während sie in der Speisekarte blättert, auswählt und bestellt.
Da kommt Françoise zur Tür herein. Sie sieht müde aus. Sie spricht zu schnell.
"Wie geht's? Könnt ihr euch vorstellen, wie anstrengend meine Arbeit ist? Habt ihr schon bestellt?", fragt sie.
Die Kinder sehen sich an und schweigen.
"Mama, auf welche Frage soll ich zuerst antworten? ", fragt Louis betont langsam. Er kennt seine Mama nach Arbeitseinsätzen: aufgedreht und übermüdet zugleich.
"Tut mir leid." Françoise lacht. "Das ist nicht einfach, eine Dolmetscherin zur Mutter zu haben", sagt sie, halb zu Louis, halb zu Anna.
"Was machst du denn als Dolmetscherin?", fragt diese sogleich.
"Ich helfe Menschen, die nicht dieselbe Sprache sprechen, einander zu verstehen. Heute Morgen zum Beispiel, da habe ich bei der Polizei gearbeitet. Jemand hat Touristen aus der französischsprachigen Schweiz ihre Kreditkartennummer gestohlen", erzählt sie, während sie in der Speisekarte blättert, auswählt und bestellt.
Quelle: Les paquets mystérieux — Die geheimnisvollen Pakete, Caroline Elias, Illustrationen von Rüdiger Trebels, aus der Reihe französische Krimis für Kids, Langenscheidt 2011, 6,99 €. (Auf Wunsch versende ich gewidmete Exemplare mit einer kleinen Errata-Liste.)
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Foto: C.E.
Gestern schrieb ich hier in der Fotolegende, dass ich in meinem Französischlernkrimi für Kinder eine Dolmetscherin karikiert habe. Hier nun auf Wunsch einiger Leserinnen und Leser der besagte Ausschnitt, einmal in der Originalfassung, einmal eingedeutscht.
Ort der Handlung: Ein Restaurant. Bonne lecture !
Da kommt Françoise zur Tür herein. Sie sieht müde aus. Sie spricht zu schnell.
"Ça va? Avez-vous une idée comme mon travail est fatigant? Vous avez déjà commandé?", fragt sie.
Die Kinder sehen sich an und schweigen.
"Maman, à quelle question dois-je répondre en premier?", fragt Louis betont langsam. Er kennt seine Mama nach Arbeitseinsätzen: aufgedreht und übermüdet zugleich.
"Je suis désolée." Françoise lacht. "Ce n'est pas facile quand la maman est interprète", sagt sie, halb zu Louis, halb zu Anna.
"Qu'est-ce que tu fais en tant qu'interprète?", fragt diese sogleich.
"J'aide les personnes qui ne parlent pas la même langue à ce comprende. Ce matin par exemple, j'ai travaillé à la police. Quelqu'un à volé le numéro de la carte de crédit à des touristes de la Suisses romande", erzählt sie, während sie in der Speisekarte blättert, auswählt und bestellt.
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Da kommt Françoise zur Tür herein. Sie sieht müde aus. Sie spricht zu schnell.
"Wie geht's? Könnt ihr euch vorstellen, wie anstrengend meine Arbeit ist? Habt ihr schon bestellt?", fragt sie.
Die Kinder sehen sich an und schweigen.
"Mama, auf welche Frage soll ich zuerst antworten? ", fragt Louis betont langsam. Er kennt seine Mama nach Arbeitseinsätzen: aufgedreht und übermüdet zugleich.
"Tut mir leid." Françoise lacht. "Das ist nicht einfach, eine Dolmetscherin zur Mutter zu haben", sagt sie, halb zu Louis, halb zu Anna.
"Was machst du denn als Dolmetscherin?", fragt diese sogleich.
"Ich helfe Menschen, die nicht dieselbe Sprache sprechen, einander zu verstehen. Heute Morgen zum Beispiel, da habe ich bei der Polizei gearbeitet. Jemand hat Touristen aus der französischsprachigen Schweiz ihre Kreditkartennummer gestohlen", erzählt sie, während sie in der Speisekarte blättert, auswählt und bestellt.
Quelle: Les paquets mystérieux — Die geheimnisvollen Pakete, Caroline Elias, Illustrationen von Rüdiger Trebels, aus der Reihe französische Krimis für Kids, Langenscheidt 2011, 6,99 €. (Auf Wunsch versende ich gewidmete Exemplare mit einer kleinen Errata-Liste.)
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Foto: C.E.
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Am Wegesrand aufgelesen
Mittwoch, 22. Januar 2014
Geheimnisse
Hallo, WAS Dolmetscher und Übersetzer machen, hat sich in der Öffentlichkeit rumgesprochen. WIE sie arbeiten, allerdings eher nicht. Darüber schreibe ich hier regelmäßig in meinem digitalen Arbeitstagebuch.
Der gestrige Blogeintrag wurde sehr viel gelesen, die Fakten in einer news group diskutiert. In der Tat findet der potentielle Dolmetsch- und Übersetzerkunde nicht leicht zu seinem idealen Anbieter.
Aufgrund des Eintrags bekam ich auch manche Mail. Eine Kollegin fasste zusammen: "Die meisten Menschen brauchen im Leben ja nur sehr selten Dolmetscher. Daher wissen sie nichts über unsere Branche. Sie denken nicht selten, dass Agenturen die bessere Arbeit liefern, weil sie größer sind und die Mitarbeiter festanstellen, die Qualität also einer regelmäßigen Kontrolle untersteht. Dass Agenturen nur ihre Mitarbeiter fürs Projektmanagement, die Buchhaltung usw. anstellen, weiß "draußen" fast niemand. Dass sie sich oft jene, die den Auftrag dann als Subunternehmer ausführen, schnell aus dem Branchenbuch oder einer eigenen Kartei fischen und sich dabei in der Regel für das billigste Angebot entscheiden, ahnen die Kunden nicht."
Vielen Dank, Julia! Gut beschrieben! Und so kümmere mich heute wieder um den Haushalt und eile zu Berlinale-Pressevorführungen, statt Umsatz zu machen. Gerade sind zwei Kostenvoranschläge draußen: Einmal eine Direktkundin, Filmproduktionsfirma, spannendes Projekt, aber sie können nur 70 % dessen zahlen, was die Arbeit wert ist. (Die Firma ist noch recht jung und versucht ja gerade, für ein neues Projekt frisches Filmfördergeld zu bekommen.) Zweitens die Anfrage einer Agentur, nicht so spannend aber auch gut, für einen Wirtschaftskunden.
Auf seriöse Agenturanfragen antworte ich, wenn ich Zeit habe. Ich habe einen oberen Durchschnitt als Wunschpreis angegeben. Meine Angst ist nun, dass beide klappen könnten, weil ich für das Wirtschaftsdings mich gerade erst besonders qualifiziert habe. Die Höhe der Kostenvoranschläge ist immer ein Vabanquespiel, also mein eigenes, hohes Risiko, selbst, wenn ich es hier auf zwei Karten verteilt habe.
Dass Agenturen eigentlich Makler genannt werden müssten, hat sich noch nicht rumgesprochen. (Moment mal, haben Makler nicht gesetzlich gedeckelte Provisionen? Ich habe in meinem Dolmetscherleben leider schon Momente erlebt, wo gewisse ARGenturen 50, ja sogar 75 % des Honorars für die Vermittlungsleistung kassiert haben.)
Hm, vielleicht sollte ich einen schicken Politkrimi schreiben, der im Dolmetscher- und Übersetzermilieu spielt, das skandalös ist und en passant viel über den Beruf vermittelt. Denn wenn die Worte "Dolmetscher" und "Literatur" fallen, denken alle nur an Javier Marías. Was er beschreibt, ist undenkbar: in einer Flirtsituation 'falsch' zu dolmetschen.
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Fotos: C.E. (Berliner Festspiele und mein Französischlernkrimi
für Schüler, in dem ich auch eine Dolmetscherin karikiert habe.)
Der gestrige Blogeintrag wurde sehr viel gelesen, die Fakten in einer news group diskutiert. In der Tat findet der potentielle Dolmetsch- und Übersetzerkunde nicht leicht zu seinem idealen Anbieter.
Fachdolmetscher mit Weitsicht |
Vielen Dank, Julia! Gut beschrieben! Und so kümmere mich heute wieder um den Haushalt und eile zu Berlinale-Pressevorführungen, statt Umsatz zu machen. Gerade sind zwei Kostenvoranschläge draußen: Einmal eine Direktkundin, Filmproduktionsfirma, spannendes Projekt, aber sie können nur 70 % dessen zahlen, was die Arbeit wert ist. (Die Firma ist noch recht jung und versucht ja gerade, für ein neues Projekt frisches Filmfördergeld zu bekommen.) Zweitens die Anfrage einer Agentur, nicht so spannend aber auch gut, für einen Wirtschaftskunden.
Auf seriöse Agenturanfragen antworte ich, wenn ich Zeit habe. Ich habe einen oberen Durchschnitt als Wunschpreis angegeben. Meine Angst ist nun, dass beide klappen könnten, weil ich für das Wirtschaftsdings mich gerade erst besonders qualifiziert habe. Die Höhe der Kostenvoranschläge ist immer ein Vabanquespiel, also mein eigenes, hohes Risiko, selbst, wenn ich es hier auf zwei Karten verteilt habe.
Dass Agenturen eigentlich Makler genannt werden müssten, hat sich noch nicht rumgesprochen. (Moment mal, haben Makler nicht gesetzlich gedeckelte Provisionen? Ich habe in meinem Dolmetscherleben leider schon Momente erlebt, wo gewisse ARGenturen 50, ja sogar 75 % des Honorars für die Vermittlungsleistung kassiert haben.)
Hm, vielleicht sollte ich einen schicken Politkrimi schreiben, der im Dolmetscher- und Übersetzermilieu spielt, das skandalös ist und en passant viel über den Beruf vermittelt. Denn wenn die Worte "Dolmetscher" und "Literatur" fallen, denken alle nur an Javier Marías. Was er beschreibt, ist undenkbar: in einer Flirtsituation 'falsch' zu dolmetschen.
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Fotos: C.E. (Berliner Festspiele und mein Französischlernkrimi
für Schüler, in dem ich auch eine Dolmetscherin karikiert habe.)
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Dienstag, 21. Januar 2014
Mechanik
Willkommen auf den digitalen Tagebuchseiten einer Dolmetscherin und Übersetzerin. Ich transformiere nicht nur Sprache, ich beobachte auch meine Zeit. Heute: Beobachtungen, die ich lieber nicht gemacht hätte.
Ein überaus mechanisches Weltverständnis vieler Mitbürger erschüttert mich dieser Tage. Vor allem, dass es immer weitere Kreise zieht.
Da ruft neulich Frau Meier an, eine potentielle Kundin, und fragt nach Konditionen und Preisgefüge. Um eine Einschätzung zu erhalten, sagt sie, und "Thema ist ganz leicht". Sie brauche mich nur für eine Stunde.
Meine Nachfragen gehen auch dieses Mal über das Übliche hinaus, also Anlass, Hintergrund, Ziel, Tag, Uhrzeit usw. Ich sage, dass eine Stunde absolut unüblich sei, außer vielleicht bei Routinesachen im benachbarten Krankenhaus, wenn sonst nichts zu tun ist. Dass Vorbereitung immer aufwändig sei, dass das Hin- und Herschalten auch Energie koste, kurz: geistige Präsenz.
So erklärt, könne sie gut folgen, das sagt sie laut und atmet dabei merklich auf. (Meine Telefonate werden immer didaktischer, hoffentlich wird das nicht peinlich.) Dann möchte ich wissen, wie sie mich gefunden hat. Über die bekannte Suchmaschine, lautet die Antwort. Die ersten drei auf der Liste hätten übrigens nicht so gut erklärt, die hätten eine (hohe) Summe aufgerufen und fertig.
Was die Anrufende nicht bemerkt hat: Die ersten drei Kontakte auf der Liste, die sie nach Eingabe der Worte Dolmetscher und Berlin findet, führen zu sales agents. Sie sitzen bei einem Dolmetschmakler im call center, das auch unter dem Dach der betreffenden Firma angesiedelt sein kann. Fachliche Nachfragen zählen hier weniger, es geht ums Verkaufen. Leider hinterlegt seit einiger Zeit Tante Gugl gewerbliche Anzeigen nicht mehr so auf der Seite der Suchergebnisse mit einer Farbe, dass sie deutlich als solche erkannt werden können, jedenfalls bei PCs.
Nächster Anruf. Herr Müller ist dran, dessen Tochter Übersetzerin und Dolmetscherin werden möchte. Das sei doch kein Beruf mit Zukunft, das würden doch bald alles Maschinen übernehmen. Ich erzähle ihm von meinen Einsätzen bei Politikern und Filmstars, von nicht zuende gesprochenen und vernuschelten Sätzen, von kulturellen Bezügen, Dialekten und sich zum Teil stündlich ändernden Anspielungsmöglichkeiten aus allen Themengebieten oder aus dem direkten Umfeld, Stichwort private joke. Hier kommen Maschinen nicht mit, und es steht auch nicht zu erwarten, dass sie es tun werden.
Drittes Beispiel. Heute morgen auf Facebook, wo sich viele Dolmetscher und Übersetzer in einer "geschlossenen Gruppe" austauschen. Dort lud heute eine Studentin, nennen wie sie Frau Schmidtowa, folgende Anfrage hoch, die ich einfach rasch kommentieren musste, bevor sie die Moderatoren gelöscht haben (und sorry, Frau Merkel, so war das nicht gemeint.)
Ich rekapituliere die Damen und den Herren MüllerMeierSchmidtowa:
⇒ Was Tante Gugl und andere Suchsysteme ausspucken, ist immer objektiv, und ganz oben stehen die besten Antworten.
⇒ Das Weltwissen wird in Maschinen eingegeben, die können anschließend alles automatisch richtig zuordnen und umsetzen.
⇒ Um zu dolmeschen/zu übersetzen reicht es aus, die betreffenden Sprachen ganz ordentlich zu beherrschen.
Was mich nachhaltig schockiert: Alle drei Anrufer waren Akademiker oder auf dem Weg dorthin. Alle darf ich zur Elite des Landes zählen. In Zeiten, in denen wir immer leichter Zugang zu Informationen finden, werden wir offenbar alle dümmer. Und ich schreibe jetzt hier nicht über die Masse der Bevölkerung.
Bei solchen Stories denke ich an die Jahrmarktsattraktion des Schachtürken, le Turc mécanique oder mechanical turk. Ende des 18. Jahrhunderts ließ ein Österreicher einen "Automaten" bauen, der angeblich schachspielen konnte. Natürlich war im Kastentisch darunter ein Mensch versteckt. (Der Begriff, einen Türken bauen, könnte von diesem Gerät aus dem Rokoko kommen.)
Nicht ohne Ironie hat Amazon, einer der bekannten Sweatshops der erweiterten Netzindustrie, nun eine Plattform für digitale Minijobs Mechanical Turk genannt. Wer Recherchen, Fotoretuschen oder die Beschreibung von Bildern zum Preis kleinerer Rupienbeträge sucht, ist hier richtig. Ach, und wen wundert es, sogar Übersetzungen werden hier angeboten! Ich liiiebe den Ausdruck "menschlich unterstützte Übersetzungsdienste". Die Automatendienste brauchen nur ein winzigkleines bisschen Unterstützung durch menschliche Lebewesen. Das ist in der Tat "künstliche künstliche Intelligenz", wie es heute so wunderschön Xavier de la Porte auf France Culture zitierte. Ihm verdanke ich auch den Amazon-Hinweis, merci beaucoup !
P.S.: Eigentlich dürften mich diese Tendenzen nicht stören. Die Preise für Qualitätsübersetzungen und -dolmetschungen steigen. Aber mit dem Dolmetschmarkt verhält es sich wie mit der Gesellschaft: Die Mittelschicht wird immer dünner. Und ich möchte nicht mein Geld für Werbung raushauen, wo ich es für Korrektorate investieren kann. Noch ein Problem: Qualität scheint immer weniger nachgefragt zu werden. Wenn's schlimm kommt, kann ich immer noch Lehrerin werden, Dozentin für praktische Kommunikation, Sloganerfinderin für die Werbeindustrie oder Stadt|führerin|bilderklärerin (auf Ostdeutsch) oder sogar Lobbyistin für unabhängigen Dokumentarfilm und die Genossenschaftsidee. Voilà !
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Illustrationen: Wikicommons, facebook
Ein überaus mechanisches Weltverständnis vieler Mitbürger erschüttert mich dieser Tage. Vor allem, dass es immer weitere Kreise zieht.
Da ruft neulich Frau Meier an, eine potentielle Kundin, und fragt nach Konditionen und Preisgefüge. Um eine Einschätzung zu erhalten, sagt sie, und "Thema ist ganz leicht". Sie brauche mich nur für eine Stunde.
Meine Nachfragen gehen auch dieses Mal über das Übliche hinaus, also Anlass, Hintergrund, Ziel, Tag, Uhrzeit usw. Ich sage, dass eine Stunde absolut unüblich sei, außer vielleicht bei Routinesachen im benachbarten Krankenhaus, wenn sonst nichts zu tun ist. Dass Vorbereitung immer aufwändig sei, dass das Hin- und Herschalten auch Energie koste, kurz: geistige Präsenz.
So erklärt, könne sie gut folgen, das sagt sie laut und atmet dabei merklich auf. (Meine Telefonate werden immer didaktischer, hoffentlich wird das nicht peinlich.) Dann möchte ich wissen, wie sie mich gefunden hat. Über die bekannte Suchmaschine, lautet die Antwort. Die ersten drei auf der Liste hätten übrigens nicht so gut erklärt, die hätten eine (hohe) Summe aufgerufen und fertig.
Was die Anrufende nicht bemerkt hat: Die ersten drei Kontakte auf der Liste, die sie nach Eingabe der Worte Dolmetscher und Berlin findet, führen zu sales agents. Sie sitzen bei einem Dolmetschmakler im call center, das auch unter dem Dach der betreffenden Firma angesiedelt sein kann. Fachliche Nachfragen zählen hier weniger, es geht ums Verkaufen. Leider hinterlegt seit einiger Zeit Tante Gugl gewerbliche Anzeigen nicht mehr so auf der Seite der Suchergebnisse mit einer Farbe, dass sie deutlich als solche erkannt werden können, jedenfalls bei PCs.
Nächster Anruf. Herr Müller ist dran, dessen Tochter Übersetzerin und Dolmetscherin werden möchte. Das sei doch kein Beruf mit Zukunft, das würden doch bald alles Maschinen übernehmen. Ich erzähle ihm von meinen Einsätzen bei Politikern und Filmstars, von nicht zuende gesprochenen und vernuschelten Sätzen, von kulturellen Bezügen, Dialekten und sich zum Teil stündlich ändernden Anspielungsmöglichkeiten aus allen Themengebieten oder aus dem direkten Umfeld, Stichwort private joke. Hier kommen Maschinen nicht mit, und es steht auch nicht zu erwarten, dass sie es tun werden.
Drittes Beispiel. Heute morgen auf Facebook, wo sich viele Dolmetscher und Übersetzer in einer "geschlossenen Gruppe" austauschen. Dort lud heute eine Studentin, nennen wie sie Frau Schmidtowa, folgende Anfrage hoch, die ich einfach rasch kommentieren musste, bevor sie die Moderatoren gelöscht haben (und sorry, Frau Merkel, so war das nicht gemeint.)
Ich rekapituliere die Damen und den Herren MüllerMeierSchmidtowa:
⇒ Was Tante Gugl und andere Suchsysteme ausspucken, ist immer objektiv, und ganz oben stehen die besten Antworten.
⇒ Das Weltwissen wird in Maschinen eingegeben, die können anschließend alles automatisch richtig zuordnen und umsetzen.
⇒ Um zu dolmeschen/zu übersetzen reicht es aus, die betreffenden Sprachen ganz ordentlich zu beherrschen.
Was mich nachhaltig schockiert: Alle drei Anrufer waren Akademiker oder auf dem Weg dorthin. Alle darf ich zur Elite des Landes zählen. In Zeiten, in denen wir immer leichter Zugang zu Informationen finden, werden wir offenbar alle dümmer. Und ich schreibe jetzt hier nicht über die Masse der Bevölkerung.
Bei solchen Stories denke ich an die Jahrmarktsattraktion des Schachtürken, le Turc mécanique oder mechanical turk. Ende des 18. Jahrhunderts ließ ein Österreicher einen "Automaten" bauen, der angeblich schachspielen konnte. Natürlich war im Kastentisch darunter ein Mensch versteckt. (Der Begriff, einen Türken bauen, könnte von diesem Gerät aus dem Rokoko kommen.)
Nicht ohne Ironie hat Amazon, einer der bekannten Sweatshops der erweiterten Netzindustrie, nun eine Plattform für digitale Minijobs Mechanical Turk genannt. Wer Recherchen, Fotoretuschen oder die Beschreibung von Bildern zum Preis kleinerer Rupienbeträge sucht, ist hier richtig. Ach, und wen wundert es, sogar Übersetzungen werden hier angeboten! Ich liiiebe den Ausdruck "menschlich unterstützte Übersetzungsdienste". Die Automatendienste brauchen nur ein winzigkleines bisschen Unterstützung durch menschliche Lebewesen. Das ist in der Tat "künstliche künstliche Intelligenz", wie es heute so wunderschön Xavier de la Porte auf France Culture zitierte. Ihm verdanke ich auch den Amazon-Hinweis, merci beaucoup !
P.S.: Eigentlich dürften mich diese Tendenzen nicht stören. Die Preise für Qualitätsübersetzungen und -dolmetschungen steigen. Aber mit dem Dolmetschmarkt verhält es sich wie mit der Gesellschaft: Die Mittelschicht wird immer dünner. Und ich möchte nicht mein Geld für Werbung raushauen, wo ich es für Korrektorate investieren kann. Noch ein Problem: Qualität scheint immer weniger nachgefragt zu werden. Wenn's schlimm kommt, kann ich immer noch Lehrerin werden, Dozentin für praktische Kommunikation, Sloganerfinderin für die Werbeindustrie oder Stadt
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Montag, 20. Januar 2014
Hintergrundarbeit
Das Blog, das Sie hier lesen, entsteht in einer zwei Quadratmeter kleinen Box. Denn meine Notizen (und manchmal ganze Beiträge) schreibe ich in der Dolmetscherkabine ... oder an einem meiner nicht immer viel größeren Übersetzerschreibtische.
Dieser Monat zeichnet sich durch Ruhe an der Dolmetscherfront aus. Bis auf drei Tage saß ich bislang viel am Schreibtisch. Davon war ich einen Tag in der Staatsbibliothek, einen (halben) in einem Regierungsgebäude und einen Tag hätte ich eigentlich beim Kunden in der Kabine gesessen, wäre der französische Gast nicht kurzfristig erkrankt.
Im Januar auf dem Programm: Übersetzungen, Verwaltung, Fortbildungen und Berlinale-Pressevorführungen. Dolmetscher sind Lernfreaks und üben eigentlich ständig. Ich halte mich in meinen Fachgebieten auf dem Laufenden. Als da wären: Wirtschaft, Arbeitsmarkt- und Sozialpolitik ... und viele mehr.
Dann lese ich weiter zum Thema Filmwirtschaft, auf Französisch und auf Englisch, z.B. in der digitalen Ausgabe der New York Times. Darin ein Beitrag über das letzten Donnerstag in Park City (USA) angelaufende Sundance Festival. Die Veranstalter des von Robert Redford gegründeten Events sind von Filmen geradezu überflutet worden, ca. 4000 Streifen haben sie zur Sichtung erhalten. Ein amerikanischer Filmconsultant schätzte nun, dass ihre Herstellung rund drei Milliarden USD gekostet hat und die Filme am Ende in den USA 60 Millionen USD Umsatz machen werden.
Das entspricht gerade einmal 2 % der Herstellungskosten. Die New York Times beobachtet, dass Käufer auf den Messen und Märkten immer häufiger aus dem Bereich der small screens kommen, das hat für mich keinen Neuigkeitswert. Von 2000 an habe ich acht Jahre lang für den mitgliederstärksten Filmverband Marketing auf Auslandsmessen gemacht, die explosionsartige Zunahme der unrentablen Nischen war am Ende mein bitteres Résumé und veranlasste mich auch zum Aussstieg.
Die Filmindustrie leidet also an zwei Problemen. Da ist einerseits die große Überproduktion, viele Filme, die im Kino starten sollen, haben dort kaum noch Überlebenschancen. Auf der anderen Seite gelten die tradierten Distributionswege gerade in Zeiten von Internetpiraterie nicht mehr. Ich bin gespannt, wie sich das entwickelt. Langsam interessiere ich mich für dieses Thema nur noch als Kinofan, denn die Übersetzungs- und Dolmetschaufträge werden immer seltener. Durch Dumping gehen Preise in den Keller, was mich bei manchem Geschäftsmodell nicht wundert, leider sind manche Töchterfirmen öffentlich-rechtlicher Sender derzeit oft kaum besser. Tja, haben wohl auch nicht genug Geld ...
Auch die Nachrichten zu Netzsicherheit und Spionage beobachte ich als Sprachfachfrau. Bei Texten, die uns anvertraut werden, handelt es sich ja oft um Firmeninterna, daher sind auch wir verpflichtet, so sicher wie möglich zu arbeiten. (Dass es hier seit Jahrzehnten Sicherheitsproblemen gibt, weiß ich nicht erst seit dem Übersetzungskunden, der Tintenstrahlausdrucke per Kurier liefern und die handschriftlichen Übersetzungen wieder abholen ließ. Es ging um Patente im Milliardenwert.) Friedrich Kittler schrieb über "No Such Agency" schon 1986 in der taz, hier der Link.
Ich lese/sehe/höre außerdem zum Thema Börse sowie Rohstoff- und Lebensmittelspekulation, hier ein aktueller Film auf Arte, leider nur noch bis Dienstagabend (21.01.14) online: "Die geheimen Deals der Rohstoffhändler" (Traders — Le marché secret des matières premières) par/von Jean Crépu.
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Foto: C.E. (Archiv)
Dieser Monat zeichnet sich durch Ruhe an der Dolmetscherfront aus. Bis auf drei Tage saß ich bislang viel am Schreibtisch. Davon war ich einen Tag in der Staatsbibliothek, einen (halben) in einem Regierungsgebäude und einen Tag hätte ich eigentlich beim Kunden in der Kabine gesessen, wäre der französische Gast nicht kurzfristig erkrankt.
Im Januar auf dem Programm: Übersetzungen, Verwaltung, Fortbildungen und Berlinale-Pressevorführungen. Dolmetscher sind Lernfreaks und üben eigentlich ständig. Ich halte mich in meinen Fachgebieten auf dem Laufenden. Als da wären: Wirtschaft, Arbeitsmarkt- und Sozialpolitik ... und viele mehr.
Dann lese ich weiter zum Thema Filmwirtschaft, auf Französisch und auf Englisch, z.B. in der digitalen Ausgabe der New York Times. Darin ein Beitrag über das letzten Donnerstag in Park City (USA) angelaufende Sundance Festival. Die Veranstalter des von Robert Redford gegründeten Events sind von Filmen geradezu überflutet worden, ca. 4000 Streifen haben sie zur Sichtung erhalten. Ein amerikanischer Filmconsultant schätzte nun, dass ihre Herstellung rund drei Milliarden USD gekostet hat und die Filme am Ende in den USA 60 Millionen USD Umsatz machen werden.
Das entspricht gerade einmal 2 % der Herstellungskosten. Die New York Times beobachtet, dass Käufer auf den Messen und Märkten immer häufiger aus dem Bereich der small screens kommen, das hat für mich keinen Neuigkeitswert. Von 2000 an habe ich acht Jahre lang für den mitgliederstärksten Filmverband Marketing auf Auslandsmessen gemacht, die explosionsartige Zunahme der unrentablen Nischen war am Ende mein bitteres Résumé und veranlasste mich auch zum Aussstieg.
Die Filmindustrie leidet also an zwei Problemen. Da ist einerseits die große Überproduktion, viele Filme, die im Kino starten sollen, haben dort kaum noch Überlebenschancen. Auf der anderen Seite gelten die tradierten Distributionswege gerade in Zeiten von Internetpiraterie nicht mehr. Ich bin gespannt, wie sich das entwickelt. Langsam interessiere ich mich für dieses Thema nur noch als Kinofan, denn die Übersetzungs- und Dolmetschaufträge werden immer seltener. Durch Dumping gehen Preise in den Keller, was mich bei manchem Geschäftsmodell nicht wundert, leider sind manche Töchterfirmen öffentlich-rechtlicher Sender derzeit oft kaum besser. Tja, haben wohl auch nicht genug Geld ...
Auch die Nachrichten zu Netzsicherheit und Spionage beobachte ich als Sprachfachfrau. Bei Texten, die uns anvertraut werden, handelt es sich ja oft um Firmeninterna, daher sind auch wir verpflichtet, so sicher wie möglich zu arbeiten. (Dass es hier seit Jahrzehnten Sicherheitsproblemen gibt, weiß ich nicht erst seit dem Übersetzungskunden, der Tintenstrahlausdrucke per Kurier liefern und die handschriftlichen Übersetzungen wieder abholen ließ. Es ging um Patente im Milliardenwert.) Friedrich Kittler schrieb über "No Such Agency" schon 1986 in der taz, hier der Link.
Ich lese/sehe/höre außerdem zum Thema Börse sowie Rohstoff- und Lebensmittelspekulation, hier ein aktueller Film auf Arte, leider nur noch bis Dienstagabend (21.01.14) online: "Die geheimen Deals der Rohstoffhändler" (Traders — Le marché secret des matières premières) par/von Jean Crépu.
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Foto: C.E. (Archiv)
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Sonntag, 19. Januar 2014
Berlin im Rückblick
Bonjour ! Interessieren Sie sich für Dolmetschen und Übersetzen? Dann sind Sie hier auf meinen digitalen Tagebuchseiten richtig. Sonntags werde ich privat, das muss dann nicht unbedingt mit Sprachen zu tun haben: Sonntagsbilder!
Ein Jahr voller historischer Rückblicke hat begonnen. Heute schaue ich mit dem Sonntagsbild auch zurück, vor allem in Textform, mit ein em Archivbild und einem Link. Fürs Fotografieren ist mir in diesen grauen Januartagen das Licht zu knapp.
Ich muss um die sechs, sieben Jahre alt gewesen sein, als ich zum ersten Mal Berlin besucht habe. Ich erinnere mich an die Landung in Tempelhof, wir gingen zu Fuß übers Flugfeld und musste an die TV-Nachrichten denken. Meine Mutter hatte ein Jahr zuvor ein Fernsehgerät angeschafft. Ich durfte Informationssendungen sehen, sesame street, Les Gammas und die Nachrichten, danach ging es "ohne Kommentar und Wetterkarte" ins Bett.
Flugzeugcrashs kamen bei den Abendnachrichten auch vor. Meine Mutter hat mir bei schlimmen Bildern immer die Augen zugehalten. Auf jeden Fall soll ich, halb als Witz, halb ernsthaft, bei unserem Marsch übers Flugfeld kommentiert haben: "Wir sind ja gar nicht abgestürzt!"
Ich war als Göre für meine teils spontanen, teils naiv-gespielten Sprüche bekannt. Als sich Tante L. einmal über meine Altklugheit beschwerte, wandte ich ein: "Was kann ich denn dafür, dass ich klüger bin, als ich alt bin, das muss ich wohl geerbt haben!" Und ein wenig flackert die Flughafen-Kommentarszene in meiner Erinnerung noch auf. Hier ist vor allem das kinetische Gedächtnis aktiv: Ich sehe links von uns Hangars und habe noch ein Gefühl für meine eigene Körpergröße im Verhältnis zu der meiner Mutter.
Wir fuhren auch in den Osten Berlins. Als Kind mit sächsischer Großfamilie im Hintergrund kannte ich die DDR. Ich sehe auch noch das Bild vor Augen, das sich mir von der S-Bahn herunter in Straßen bot. Sie kamen mir mir wie Spielzeugstraßen vor, wenige Autos fuhren dort, viele Menschen eilten mit 'Einholbeuteln' über die Straße und es war am Abend dunkler als im Westen.
Die S-Bahn hatte gerade den Bahnhof Friedrichstraße gen Westen verlassen. Einige Meter weiter befestigten (oder erneuerten) Arbeiter auf der Brücke links und rechts der Geleise riesige Metallplatten, die die Sicht behinderten. Ich werde in Richtung Berliner Ensemble und Albrechtstraße gesehen haben.
An noch etwas erinnere mich mich lebhaft: Die Geisterbahnhöfe im DDR-Untergrund. Einige Linien führten weiterhin unter Ostberliner Stadtgelände hindurch (Netzplan hier), verbanden den Nordwesten der Stadt mit dem politisch "westlich" liegenden, südlichen Teil des Berliner Ostens, Kreuzberg genannt. Ich drückte mir in der langsam fahrenden U-Bahn die Nase platt beim Betrachten der toten Bahnsteige, der Zugwärterhäuschen ohne Licht und Ansage, bei manchen waren die Fenster zugemauert und nur noch schießschartenartige Löcher und manchmal schemenhaft ein, zwei Aufpasser zu sehen.
An den Wänden hing an manchen Stellen noch uralte Werbung für längst nicht mehr im Handel befindliche Waren. (Schade, dass da nach der Wende nicht etwas für spätere Generationen unter Glas gesichtert wurde.) Und in der Mitte des Bahnsteigs waren Treppen, die nur jene Geister hochgehen konnten, die ab einer gewissen Höhe Stufe für Stufe schrumpfen konnten — bis sie am Ende Mauerwerk durchdringen mussten. (Hier war die Treppe wohl im Bereich der Decke bzw. des Fußbodens des darüberliegenden Geschosses dichtgemacht worden.)
Daran hat mich die Rezension eines Buches erinnert, hier, auf "Spiegel online". SPON zeigt eine schöne Bilderstrecke aus dem Buch von Gerhard Sälter und Tina Schaller: "Grenz- und Geisterbahnhöfe im geteilten Berlin". Letztes Jahr im Berliner Christoph Links Verlag erschienen, 144 Seiten.
Gleich noch ein Lesetipp dazu: Heinz Knobloch, "Stadtmitte umsteigen" (1982). Er erzählt von einem "wohnzimmergroßen Fleck" auf dem Boden in der Station gleichen Namens. Von ihm stammt auch ein von mir gerne zitierter Satz: "Misstraut den Grünanlagen!"
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Foto: Heiner Elias (Archiv)
Ein Jahr voller historischer Rückblicke hat begonnen. Heute schaue ich mit dem Sonntagsbild auch zurück, vor allem in Textform, mit ein em Archivbild und einem Link. Fürs Fotografieren ist mir in diesen grauen Januartagen das Licht zu knapp.
Ich muss um die sechs, sieben Jahre alt gewesen sein, als ich zum ersten Mal Berlin besucht habe. Ich erinnere mich an die Landung in Tempelhof, wir gingen zu Fuß übers Flugfeld und musste an die TV-Nachrichten denken. Meine Mutter hatte ein Jahr zuvor ein Fernsehgerät angeschafft. Ich durfte Informationssendungen sehen, sesame street, Les Gammas und die Nachrichten, danach ging es "ohne Kommentar und Wetterkarte" ins Bett.
Flugzeugcrashs kamen bei den Abendnachrichten auch vor. Meine Mutter hat mir bei schlimmen Bildern immer die Augen zugehalten. Auf jeden Fall soll ich, halb als Witz, halb ernsthaft, bei unserem Marsch übers Flugfeld kommentiert haben: "Wir sind ja gar nicht abgestürzt!"
Ich war als Göre für meine teils spontanen, teils naiv-gespielten Sprüche bekannt. Als sich Tante L. einmal über meine Altklugheit beschwerte, wandte ich ein: "Was kann ich denn dafür, dass ich klüger bin, als ich alt bin, das muss ich wohl geerbt haben!" Und ein wenig flackert die Flughafen-Kommentarszene in meiner Erinnerung noch auf. Hier ist vor allem das kinetische Gedächtnis aktiv: Ich sehe links von uns Hangars und habe noch ein Gefühl für meine eigene Körpergröße im Verhältnis zu der meiner Mutter.
Die Autorin dieser Zeilen bei der Oma in Sachsen |
Die S-Bahn hatte gerade den Bahnhof Friedrichstraße gen Westen verlassen. Einige Meter weiter befestigten (oder erneuerten) Arbeiter auf der Brücke links und rechts der Geleise riesige Metallplatten, die die Sicht behinderten. Ich werde in Richtung Berliner Ensemble und Albrechtstraße gesehen haben.
An noch etwas erinnere mich mich lebhaft: Die Geisterbahnhöfe im DDR-Untergrund. Einige Linien führten weiterhin unter Ostberliner Stadtgelände hindurch (Netzplan hier), verbanden den Nordwesten der Stadt mit dem politisch "westlich" liegenden, südlichen Teil des Berliner Ostens, Kreuzberg genannt. Ich drückte mir in der langsam fahrenden U-Bahn die Nase platt beim Betrachten der toten Bahnsteige, der Zugwärterhäuschen ohne Licht und Ansage, bei manchen waren die Fenster zugemauert und nur noch schießschartenartige Löcher und manchmal schemenhaft ein, zwei Aufpasser zu sehen.
An den Wänden hing an manchen Stellen noch uralte Werbung für längst nicht mehr im Handel befindliche Waren. (Schade, dass da nach der Wende nicht etwas für spätere Generationen unter Glas gesichtert wurde.) Und in der Mitte des Bahnsteigs waren Treppen, die nur jene Geister hochgehen konnten, die ab einer gewissen Höhe Stufe für Stufe schrumpfen konnten — bis sie am Ende Mauerwerk durchdringen mussten. (Hier war die Treppe wohl im Bereich der Decke bzw. des Fußbodens des darüberliegenden Geschosses dichtgemacht worden.)
Daran hat mich die Rezension eines Buches erinnert, hier, auf "Spiegel online". SPON zeigt eine schöne Bilderstrecke aus dem Buch von Gerhard Sälter und Tina Schaller: "Grenz- und Geisterbahnhöfe im geteilten Berlin". Letztes Jahr im Berliner Christoph Links Verlag erschienen, 144 Seiten.
Gleich noch ein Lesetipp dazu: Heinz Knobloch, "Stadtmitte umsteigen" (1982). Er erzählt von einem "wohnzimmergroßen Fleck" auf dem Boden in der Station gleichen Namens. Von ihm stammt auch ein von mir gerne zitierter Satz: "Misstraut den Grünanlagen!"
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Foto: Heiner Elias (Archiv)
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Sonntagsbilder
Donnerstag, 16. Januar 2014
Wasserspeier
Willkommen auf den Blogseiten einer Französischdolmetscherin. Neben der Konferenz- und Messearbeit übersetze ich auch, und zwar Treatments und Drehbücher, Projektkonzepte und Finanzierungspläne. Hier blogge ich fast seit sieben Jahren.
Als Kind habe ich Vokabeln gesammelt, wie andere Gleichaltrige zum Beispiel Figürchen aus Überraschungseiern. Ich fand Wörter viel spannender. Mich konnte der Klang mancher Begriffe regelrecht berauschen. Auf einer großen Sommertour durch das Loiretal, damals war ich acht, habe ich das wunderschöne Wort gargouille gelernt.
Also: [ɡa.ʁuj], [ɡa.ʁuj], [ɡa.ʁuj]. In Blois hörte ich auf dem Schlosshof einer englischen Touristenführerin zu, als sie in Richtung "Regenrinnen" und Figuren zeigte, sie sagte gargoyle, [ˈgɑː.gɔɪl], [ˈgɑː.gɔɪl].
Beide Vokabeln habe ich dann umgehend den Erwachsenen zugetragen, um die Aussprache zu trainieren. Bis heute löst der Klang der Worte wunderbare Feriengefühle aus. Die Plastikteile aus den Ü-Eiern hingegen liegen sicher zu 98 % im Müll.
Natürlich hat mir damals Schlemihl, der stets irgendwelche Buchstaben als Konterbande unter dem Rock mit sich führte, total eingeleuchtet mit seinem: "Psst! Schau mal, ich hab was für dich! Hier, ein wunderschönes 'A'!" Und der weltbeste Patensohn kennt den Schlosshof von Blois auch schon. Der jeune homme wird gerade zehn Lenze jung! Joyeux anniversaire !
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Fotomontage: C.E.
Als Kind habe ich Vokabeln gesammelt, wie andere Gleichaltrige zum Beispiel Figürchen aus Überraschungseiern. Ich fand Wörter viel spannender. Mich konnte der Klang mancher Begriffe regelrecht berauschen. Auf einer großen Sommertour durch das Loiretal, damals war ich acht, habe ich das wunderschöne Wort gargouille gelernt.
Also: [ɡa.ʁuj], [ɡa.ʁuj], [ɡa.ʁuj]. In Blois hörte ich auf dem Schlosshof einer englischen Touristenführerin zu, als sie in Richtung "Regenrinnen" und Figuren zeigte, sie sagte gargoyle, [ˈgɑː.gɔɪl], [ˈgɑː.gɔɪl].
Beide Vokabeln habe ich dann umgehend den Erwachsenen zugetragen, um die Aussprache zu trainieren. Bis heute löst der Klang der Worte wunderbare Feriengefühle aus. Die Plastikteile aus den Ü-Eiern hingegen liegen sicher zu 98 % im Müll.
Natürlich hat mir damals Schlemihl, der stets irgendwelche Buchstaben als Konterbande unter dem Rock mit sich führte, total eingeleuchtet mit seinem: "Psst! Schau mal, ich hab was für dich! Hier, ein wunderschönes 'A'!" Und der weltbeste Patensohn kennt den Schlosshof von Blois auch schon. Der jeune homme wird gerade zehn Lenze jung! Joyeux anniversaire !
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Fotomontage: C.E.
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Sprachschatz
Mittwoch, 15. Januar 2014
Ringefirma, die Zwote
Willkommen auf den Seiten eines virtuellen Arbeitstagebuchs aus der Welt der Sprachen. Ich bin Französischdolmetscherin und -übersetzerin. Hier denke ich über unsere Berufswelt nach und erzähle von besonderen Momenten.
Gestern machte ich mir Sorgen um ein junges, binationales Paar, das demnächst heiraten möchte. Die Frage war die, ob das Standesamt dafür einen gerichtlich beeidigten Dolmetscher fordern darf, oder ob ich mich als nicht gerichtlich beeidigte Konferenzdolmetscherin ad hoc beeidigen lassen kann.
Seit Jahren taucht diese Frage immer wieder auf.
Unter Kollegen und im Netz finden sich dazu die unterschiedlichsten Informationen. Mal hat ein Bruder als Laiendolmetscher fungiert, mal eine Sprachlehrerin, oder aber es war ein Dolmetscher, der 400, ja in einem Fall sogar 750 Euro für einen ganzen Tag berechnet hat — mit der auch verständlichen Erklärung, dass er sich für diesen Zeitraum ja kein zweites Mal buchen lassen könne. Wer weiß, vielleicht hat sich dieses Paar weitab jeder Zivilisation das Jawort gegeben und das Honorar entschädigte vor allem für die mit An- und Abreise verbrachte Zeit.
Wie ist es nun in der Großstadt Berlin, in der es für die gängigen Sprachen viele Kollegen und Kolleginnen gibt? Dürfen Ämter aufgrund einer anderen geografischen oder sozialen Situation mehr Forderungen stellen, die den Bürger unterm Strich mehr kosten? Nehmen wir die gebührenpflichtige Anmeldung eines Kraftfahrzeuges. Darf eine Behörde in der Pampa fordern, dass eine bestimmte, weit entfernte Autokennzeichenfirma das Schild herstellt, die sich zur Angewohnheit gemacht hat, die Metallteile persönlich und in weißen Glacéhandschuhen zu überbringen? Darf sie natürlich nicht.
Sorry für das abseitige Bild, mir fiel kein schrägeres ein. Was eine Behörde darf, regelt in Deutschland Gesetze, die genauso für Kleinhühnersdorf, Bonn oder Berlin gelten. Was hat es dann also mit diesen unterschiedlichen Forderungen der Standesämter auf sich? Liegt es vielleicht an einer fehlerhaften Übertragung? Dokumente und Urkunden müssen ja selbstverständlich von öffentlich bestellten und beeidigten Übersetzern gefertigt und gestempelt werden.
So, und nach dem Parlando sind wir unter uns, jetzt kommen die harten Fakten. Ich hörte mich also gestern um. Nein, die Worte waren keine rechtsverbindliche Auskunft, dir mir ein Anwalt aus meinem Umfeld nach kurzer Zeit zuraunte. Es war ungefähr das Folgende:
Damit alle zufrieden sind, bringe ich am Tag X einen Beweis für meine Dolmetschqualifikation bei. Und natürlich hat mein Gegenüber wiederholt versichert, dass es sich um eine "absolute Ausnahme" handeln solle. Wer wollte ihm dabei ernsthaft widersprechen?
Der Grund, warum offenbar Standesämter in Orten oder Bezirken mit besonders hohem Ausländeranteil gerne die doppelte Kann-Bestimmung, die da in einem Gesetzeskommentar auftaucht, zur Grundlage ihrer Forderung nehmen — der Dolmetscher "soll nach Möglichkeit öffentlich beeidigt und anerkannt sein" —, liegt schlicht in der Minimierung von Ärger begründet. Auch hier: mein größtes Verständnis.
Der Neuköllner erste Standesbeamte erzählte mir, sein Amt habe letztes Jahr Menschen aus 97 Nationen unter die Haube gebracht. Und als beurkundender Beamter müsse er sich sicher sein, dass die Kommunkation effizient verlaufen sei. Leider seien die Neuköllner Standesbeamten wiederholt in aufenthaltsrechtlichen Problemen vor den Kadi gezogen worden und hätten verloren ... mit der Begründung, dass kein gerichtlich beeidigter Dolmetscher hinzugezogen worden sei. Als Nicht-Juristin frage ich mich denn doch: Auf welcher gesetzlichen Grundlage konnte das passieren, wenn der Gesetzgeber gar keine gerichtlich beeidigten Dolmetscher für die Trauung fordert? Aber das ist jetzt wirklich nicht mehr mein Problem!
Woran erinnert mich diese Episode? An die Erkenntnis, dass fragen hilft.
Vokabelnotiz:
"stolz wie Bolle" sein ist ein Berliner Ausdruck für "besonders stolz sein"
der Kadi — der Richter
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Illustration: Kinowerbung der 1920-er Jahre,
von mir coloriert (Archiv).
Gestern machte ich mir Sorgen um ein junges, binationales Paar, das demnächst heiraten möchte. Die Frage war die, ob das Standesamt dafür einen gerichtlich beeidigten Dolmetscher fordern darf, oder ob ich mich als nicht gerichtlich beeidigte Konferenzdolmetscherin ad hoc beeidigen lassen kann.
Seit Jahren taucht diese Frage immer wieder auf.
Unter Kollegen und im Netz finden sich dazu die unterschiedlichsten Informationen. Mal hat ein Bruder als Laiendolmetscher fungiert, mal eine Sprachlehrerin, oder aber es war ein Dolmetscher, der 400, ja in einem Fall sogar 750 Euro für einen ganzen Tag berechnet hat — mit der auch verständlichen Erklärung, dass er sich für diesen Zeitraum ja kein zweites Mal buchen lassen könne. Wer weiß, vielleicht hat sich dieses Paar weitab jeder Zivilisation das Jawort gegeben und das Honorar entschädigte vor allem für die mit An- und Abreise verbrachte Zeit.
Wie ist es nun in der Großstadt Berlin, in der es für die gängigen Sprachen viele Kollegen und Kolleginnen gibt? Dürfen Ämter aufgrund einer anderen geografischen oder sozialen Situation mehr Forderungen stellen, die den Bürger unterm Strich mehr kosten? Nehmen wir die gebührenpflichtige Anmeldung eines Kraftfahrzeuges. Darf eine Behörde in der Pampa fordern, dass eine bestimmte, weit entfernte Autokennzeichenfirma das Schild herstellt, die sich zur Angewohnheit gemacht hat, die Metallteile persönlich und in weißen Glacéhandschuhen zu überbringen? Darf sie natürlich nicht.
Sorry für das abseitige Bild, mir fiel kein schrägeres ein. Was eine Behörde darf, regelt in Deutschland Gesetze, die genauso für Kleinhühnersdorf, Bonn oder Berlin gelten. Was hat es dann also mit diesen unterschiedlichen Forderungen der Standesämter auf sich? Liegt es vielleicht an einer fehlerhaften Übertragung? Dokumente und Urkunden müssen ja selbstverständlich von öffentlich bestellten und beeidigten Übersetzern gefertigt und gestempelt werden.
So, und nach dem Parlando sind wir unter uns, jetzt kommen die harten Fakten. Ich hörte mich also gestern um. Nein, die Worte waren keine rechtsverbindliche Auskunft, dir mir ein Anwalt aus meinem Umfeld nach kurzer Zeit zuraunte. Es war ungefähr das Folgende:
Personenstandsgesetz und Ausführungsverordnung sehen vor: Die Hinzuziehung eines allgemein beeidigten Dolmetschers oder es wird vor Ort die Richtigkeit der Dolmetschung an Eides statt versichert, das müsste ausreichen ... mehr darf Neukölln nicht verlangen ;-) Bundesrecht bricht Landesrecht (wobei ich hier nicht einmal Landesrecht sehe, sondern lediglich eine (rechtsgrundlose) Anordnung der Verwaltung Neukölln.) Ohne gesetzliche Ermächtigung darf die Verwaltung nicht handeln ..."Stolz wie Bolle" war ich, weil ich mit meiner Intuition und dem Rechtsbrechersprüchlein richtig lag. In einem Telefonat mit dem zuständigen Behördenchef war die Sache schnell klar. Ich darf mich vor Ort beeidigen lassen. Den Namen des Gesetzes und des jeweiligen Abschnitts zu kennen, hat im Gespräch sicher geholfen. Auch habe ich ein wenig mit familienbedingter juristischer Vorbelastung angegeben, sorry for that, aber es geht ja hier schließlich um eine Familien(stands)sache.
Damit alle zufrieden sind, bringe ich am Tag X einen Beweis für meine Dolmetschqualifikation bei. Und natürlich hat mein Gegenüber wiederholt versichert, dass es sich um eine "absolute Ausnahme" handeln solle. Wer wollte ihm dabei ernsthaft widersprechen?
Der Grund, warum offenbar Standesämter in Orten oder Bezirken mit besonders hohem Ausländeranteil gerne die doppelte Kann-Bestimmung, die da in einem Gesetzeskommentar auftaucht, zur Grundlage ihrer Forderung nehmen — der Dolmetscher "soll nach Möglichkeit öffentlich beeidigt und anerkannt sein" —, liegt schlicht in der Minimierung von Ärger begründet. Auch hier: mein größtes Verständnis.
Der Neuköllner erste Standesbeamte erzählte mir, sein Amt habe letztes Jahr Menschen aus 97 Nationen unter die Haube gebracht. Und als beurkundender Beamter müsse er sich sicher sein, dass die Kommunkation effizient verlaufen sei. Leider seien die Neuköllner Standesbeamten wiederholt in aufenthaltsrechtlichen Problemen vor den Kadi gezogen worden und hätten verloren ... mit der Begründung, dass kein gerichtlich beeidigter Dolmetscher hinzugezogen worden sei. Als Nicht-Juristin frage ich mich denn doch: Auf welcher gesetzlichen Grundlage konnte das passieren, wenn der Gesetzgeber gar keine gerichtlich beeidigten Dolmetscher für die Trauung fordert? Aber das ist jetzt wirklich nicht mehr mein Problem!
Woran erinnert mich diese Episode? An die Erkenntnis, dass fragen hilft.
Vokabelnotiz:
"stolz wie Bolle" sein ist ein Berliner Ausdruck für "besonders stolz sein"
der Kadi — der Richter
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Illustration: Kinowerbung der 1920-er Jahre,
von mir coloriert (Archiv).
Dienstag, 14. Januar 2014
Ringefirma
Guten Tag oder guten Abend! Sie lesen die Seiten eines digitalen
Arbeitstagebuchs. Hier berichte ich in Deutschlands erstem Blog aus dem
Inneren der Dolmetscherkabine über den Berufsalltag von uns
Spracharbeitern, stets unter Wahrung von Geheimnissen. Für einen Kostenvoranschlag erreichen Sie mich unter caroline[at]adazylla.de.
Auf dem Schreibtisch gerade Juristisches. Einerseits ein Koproduktionsvertrag fürs Kino, die Berlinale wirft ihre Schatten voraus, dann ein Vertrag einer deutschen Bühnentruppe, die ein Gastspiel in Frankreich vorbereitet.
Zum Dolmetscherberuf gehört auch, gelegentlich Leute unter die Haube zu bringen.
Ab und zu werden Dolmetscher für die "Ringefirma" angefordert, ich bin regelmäßig im Standesamt Schöneberg aktiv, werde dort ad hoc beeidigt, weil ich mich nach reiflicher Überlegung nicht in Berlin gerichtlich beeidigen ließ. (Die Aufträge, die das Gericht anbietet, passen mir in ihren Arbeitsbedingungen nicht, Dolmetscher müssen dort meistens allein arbeiten, die Honorarsätze bei Übersetzungen sind im letzten Jahr durch Wegfall der höchsten Stufe sogar gekürzt worden. Nein, kein Interesse.)
Dass ich auch vor Ort spontan beeidigt werden kann, entspricht der Gesetzeslage. Viele Rathäuser akzeptieren bei exotischen Sprachen sogar Bekannte, die über exzellente Sprachkenntnisse verfügen.
Jetzt wollen Freunde von mir heiraten, ein Studentenpärchen, schwanger bis unter die Ohren, beide freuen sich sehr. Der werdende Vater will sich nicht nur voll und ganz verantwortlich zeigen, ihm machen die deutschen Gesetze Angst, die unverheirateten Vätern keine selbstverständliche Teilnahme an der Erziehung garantieren. Angesichts dieser schönen Episode erweist sich nun ein Mitarbeiter des örtlichen Rathauses als wenig verantwortungsvoll dem künftigen kosmopolitischen Neuberliner gegenüber.
In Neukölln bestehen sie nun auf einem gerichtlich beeidigten Dolmetscher — es gibt sogar einen Vordruck dafür (während in Schöneberg das Formular zur ad hoc-Beeidigung aufliegt.) Ich frage mich, ob diese Forderung zulässig ist. Ich lese nach und finde die Verordnung zur Ausführung des Personenstandsgesetzes (Personenstandsverordnung - PStV) vom 22.11.2008. (In Änderungen aus dem Jahr 2013 habe mich eingelesen, sie beziehen sich auf Fragen der Lebenspartnerschaft, der digitalen Einwohnerregister usw.)
Nach meinem Rechtsverständnis darf sich ein Bezirk nicht über Bundesrecht hinwegsetzen (... das jeweils höhere Recht bricht das "darunterliegende").
Hier, was ich über die Seite des Bundesministeriums der Justiz und für Verbraucherschutz fand: "Gesetze im Internet". Meine Überraschung ist groß, wird doch die ad hoc-Beeidigung sogar als erster Regelfall vorgestellt.
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Illustrationen: C.E. und privat
Auf dem Schreibtisch gerade Juristisches. Einerseits ein Koproduktionsvertrag fürs Kino, die Berlinale wirft ihre Schatten voraus, dann ein Vertrag einer deutschen Bühnentruppe, die ein Gastspiel in Frankreich vorbereitet.
Zum Dolmetscherberuf gehört auch, gelegentlich Leute unter die Haube zu bringen.
Ab und zu werden Dolmetscher für die "Ringefirma" angefordert, ich bin regelmäßig im Standesamt Schöneberg aktiv, werde dort ad hoc beeidigt, weil ich mich nach reiflicher Überlegung nicht in Berlin gerichtlich beeidigen ließ. (Die Aufträge, die das Gericht anbietet, passen mir in ihren Arbeitsbedingungen nicht, Dolmetscher müssen dort meistens allein arbeiten, die Honorarsätze bei Übersetzungen sind im letzten Jahr durch Wegfall der höchsten Stufe sogar gekürzt worden. Nein, kein Interesse.)
Dass ich auch vor Ort spontan beeidigt werden kann, entspricht der Gesetzeslage. Viele Rathäuser akzeptieren bei exotischen Sprachen sogar Bekannte, die über exzellente Sprachkenntnisse verfügen.
Jetzt wollen Freunde von mir heiraten, ein Studentenpärchen, schwanger bis unter die Ohren, beide freuen sich sehr. Der werdende Vater will sich nicht nur voll und ganz verantwortlich zeigen, ihm machen die deutschen Gesetze Angst, die unverheirateten Vätern keine selbstverständliche Teilnahme an der Erziehung garantieren. Angesichts dieser schönen Episode erweist sich nun ein Mitarbeiter des örtlichen Rathauses als wenig verantwortungsvoll dem künftigen kosmopolitischen Neuberliner gegenüber.
In Neukölln bestehen sie nun auf einem gerichtlich beeidigten Dolmetscher — es gibt sogar einen Vordruck dafür (während in Schöneberg das Formular zur ad hoc-Beeidigung aufliegt.) Ich frage mich, ob diese Forderung zulässig ist. Ich lese nach und finde die Verordnung zur Ausführung des Personenstandsgesetzes (Personenstandsverordnung - PStV) vom 22.11.2008. (In Änderungen aus dem Jahr 2013 habe mich eingelesen, sie beziehen sich auf Fragen der Lebenspartnerschaft, der digitalen Einwohnerregister usw.)
Nach meinem Rechtsverständnis darf sich ein Bezirk nicht über Bundesrecht hinwegsetzen (... das jeweils höhere Recht bricht das "darunterliegende").
Hier, was ich über die Seite des Bundesministeriums der Justiz und für Verbraucherschutz fand: "Gesetze im Internet". Meine Überraschung ist groß, wird doch die ad hoc-Beeidigung sogar als erster Regelfall vorgestellt.
Verordnung zur Ausführung des Personenstandsgesetzes, § 2 Übersetzung in die deutsche SpracheWie sehen Sie das? Das ist heute eine erweiterte Kollegenumfrage ... ich sammele Argumente für den Anruf beim Amt.
(1) Werden einem Standesamt fremdsprachige Urkunden vorgelegt, so soll eine Übersetzung in die deutsche Sprache gefordert werden.
(2) Versteht ein Beteiligter die deutsche Sprache nicht, ist ein Dolmetscher hinzuzuziehen, wenn der Standesbeamte oder der mit der Amtshandlung befasste Mitarbeiter des Standesamts die fremde Sprache nicht selbst beherrscht. Der Dolmetscher hat gegenüber dem Standesbeamten eine Versicherung an Eides statt darüber abzugeben, dass er treu und gewissenhaft übertragen werde. Ist der Dolmetscher für Übertragungen der betreffenden Art in einem Land nach den landesrechtlichen Vorschriften allgemein beeidigt, genügt die Berufung auf diesen Eid. (Hervorhebung von mir.)
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Illustrationen: C.E. und privat
Sonntag, 12. Januar 2014
Königlich!
Bienvenue auf den Seiten einer Sprachmittlerin. Wir Französischdolmetscher sind derzeit gefragte Menschen, wenn es um die Geheimnisse der Reichen, Mächtigen und Schönen geht. Als Dolmetscherin zwischen Politik, Kino und Wirtschaft mache ich da keine Ausnahme. Auch nicht darin, dass ich mein Schweigegebot ernst nehme. Und ich blogge,
stets unter Wahrung der im Dienst erfahrenen Geheimnisse.
Nein, kein Kommentar zu den Ereignissen im Elysée-Palast. In der letzten Woche wurde mir vier Mal "Kaffee und Kuchen" serviert, was ja eine sehr deutsche Tradition ist, allerdings immer auf Französisch.
Die kleine Welt der Berliner Auslandsfranzosen und deutsch-französischen Vereine hatte über eine Woche lang fast jeden Tag irgendwo zur galette des rois geladen.
Eigentlich wird der Dreikönigskuchen am 6. Januar verspeist. Das Blätterteiggebäck mit Marzipanfüllung, wie es in Berlin z.B. von au délices normands hergestellt wird, ist zum Glück weniger süß als in Südfrankreich und enthält noch eine besondere Zutat, une fève. Diese Vokabel bezeichnet eigentlich eine Saubohne; heute verwenden die Bäcker ein Figürchen aus Porzellan oder Kunststoff.
Den Kuchen begleitet ein festes Zeremoniell: In Frankeich nimmt das jüngste Kind (das sprechen kann), unter dem Tisch Platz, während der Kuchen aufgeschnitten wird. Jedes Mal, wenn nun ein Stück verteilt werden soll, fragt ein Großer: "Für wen ist dieses Stück?" Und das Mini unter dem Tisch nennt Empfängerin oder Empfänger. Dann wird gegessen. Wer die fève im Kuchen findet, ist für den Rest des Tages Königin oder König und darf sich außerdem Königin oder König aussuchen. Beide bekommen Kronen aus Pappe aufgesetzt, die mit dem Kuchen geliefert werden.
Was jetzt kommt, kann familientypisch sein, aber ich habe es so erlebt, dass bei Tisch immer dann, wenn Königin oder König zu Tasse oder Saftglas gegriffen haben, alle laut riefen: La reine boit, la reine boit! (oder eben le roi ...). Ist man selbst Königin oder König, kann das schon sehr irritierend sein. Soviel zur Neigung französischer Untertanen, die Lebenszeichen ihrer Herrscher kommentieren zu müssen.
Die Berliner Dreikönigskuchenessen waren weniger familiär geprägt. Aber diese Art von Neujahrsempfängen ist nicht nur nahrhaft, sondern auch unterhaltsam. Als Spracharbeiterin genieße ich den Austausch auch über Aktuelles, wir diskutierten so manchen Begriff. Zum Beispiel das Wort concubin/concubine für Lebensgefährten, viele waren ja mit Anhang erschienen. Das Wort ist auch auf Deutsch bekannt. Diskutiert wurde logischerweise auch, ob man seine concubine mit einer maîtresse betrügen kann. Und hier meine ich nicht den Wortsinn von maîtresse, den viele Kinder im Kopf haben, sie nutzen die Vokabel als Bezeichnung für die Grundschullehrerin (von maître d'école — Grundschullehrer).
Die Tradition wird übrigens nicht nur in Familien gepflegt, die dem Christentum nahestehen. Auch der Elysée-Palast wird mit Königskuchen beliefert. Und jetzt habe ich sogar noch einen echten scoop: Der Bäcker backt diese galettes des rois für den präsidialen Palast ohne Saubohne. Manche mögen das für republikanisch verklemmt halten, aber niemand möchte natürlich ein gewähltes Haupt in Verlegenheit bringen.
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Foto: C.E.
Galette des Rois |
Die kleine Welt der Berliner Auslandsfranzosen und deutsch-französischen Vereine hatte über eine Woche lang fast jeden Tag irgendwo zur galette des rois geladen.
Eigentlich wird der Dreikönigskuchen am 6. Januar verspeist. Das Blätterteiggebäck mit Marzipanfüllung, wie es in Berlin z.B. von au délices normands hergestellt wird, ist zum Glück weniger süß als in Südfrankreich und enthält noch eine besondere Zutat, une fève. Diese Vokabel bezeichnet eigentlich eine Saubohne; heute verwenden die Bäcker ein Figürchen aus Porzellan oder Kunststoff.
Den Kuchen begleitet ein festes Zeremoniell: In Frankeich nimmt das jüngste Kind (das sprechen kann), unter dem Tisch Platz, während der Kuchen aufgeschnitten wird. Jedes Mal, wenn nun ein Stück verteilt werden soll, fragt ein Großer: "Für wen ist dieses Stück?" Und das Mini unter dem Tisch nennt Empfängerin oder Empfänger. Dann wird gegessen. Wer die fève im Kuchen findet, ist für den Rest des Tages Königin oder König und darf sich außerdem Königin oder König aussuchen. Beide bekommen Kronen aus Pappe aufgesetzt, die mit dem Kuchen geliefert werden.
Was jetzt kommt, kann familientypisch sein, aber ich habe es so erlebt, dass bei Tisch immer dann, wenn Königin oder König zu Tasse oder Saftglas gegriffen haben, alle laut riefen: La reine boit, la reine boit! (oder eben le roi ...). Ist man selbst Königin oder König, kann das schon sehr irritierend sein. Soviel zur Neigung französischer Untertanen, die Lebenszeichen ihrer Herrscher kommentieren zu müssen.
Die Berliner Dreikönigskuchenessen waren weniger familiär geprägt. Aber diese Art von Neujahrsempfängen ist nicht nur nahrhaft, sondern auch unterhaltsam. Als Spracharbeiterin genieße ich den Austausch auch über Aktuelles, wir diskutierten so manchen Begriff. Zum Beispiel das Wort concubin/concubine für Lebensgefährten, viele waren ja mit Anhang erschienen. Das Wort ist auch auf Deutsch bekannt. Diskutiert wurde logischerweise auch, ob man seine concubine mit einer maîtresse betrügen kann. Und hier meine ich nicht den Wortsinn von maîtresse, den viele Kinder im Kopf haben, sie nutzen die Vokabel als Bezeichnung für die Grundschullehrerin (von maître d'école — Grundschullehrer).
Die Tradition wird übrigens nicht nur in Familien gepflegt, die dem Christentum nahestehen. Auch der Elysée-Palast wird mit Königskuchen beliefert. Und jetzt habe ich sogar noch einen echten scoop: Der Bäcker backt diese galettes des rois für den präsidialen Palast ohne Saubohne. Manche mögen das für republikanisch verklemmt halten, aber niemand möchte natürlich ein gewähltes Haupt in Verlegenheit bringen.
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Donnerstag, 9. Januar 2014
Stadtplanung und Europapolitik
Bonjour, hier bloggt eine Übersetzerin und Dolmetscherin. Heute: Blick auf den Schreibtisch.
Am Sprachberuf liebe ich die Tatsache, dass wir uns ständig weiterbilden. Dieser Tage lese ich viel zum Thema Urbanismus. Dieser Begriff erhält derzeit eine neue Bedeutungsebene, denn innerstädtische grüne Flächen wie Felder, Brachen und Gärten, die künftig auch zur Ernährung der Menschen und Tiere beitragen könnten, werden immer öfter als urbanes Moment empfunden.
Konkret geht es um Klimafragen in Großstädten. Ich bin irritiert, wenn ich in dem Zusammenhang über die Pläne einer Berliner GmbH lesen muss, die im Auftrag des Berliner Senats über 1/3 des Tempelhofer Felds vermarkten (= bebauen) soll. Hier starteten und landeten bis 2008 innerhalb des S-Bahn-Rings Flugzeuge.
Bislang war mein Kenntnisstand der, dass wir diese Freifläche als Lunge Berlins dringend brauchen, konkret: für die Frischluftzufuhr. Vor vielen Jahren schien das die Standardmeinung der Wissenschaft zu sein, die auch häufig publiziert wurde. Hier ein ntv-Bericht von 2009.
Der Sender ntv zitiert Manuela Damianakis, damals Sprecherin der Senatsverwaltung für Stadtentwicklung, über das Kaltluftentstehungsgebiet Flughafenfeld: "Seine Kühlschrank-Funktion muss erhalten werden".
Heute scheinen das viele vergessen zu haben. Im Zusammenhang mit der Tempelhofer Fläche beklagt Historikerin Marion Detjen den Ausverkauf des öffentlichen Raums im FAZ-Blog, auch das ein wichtiger Gedanke: Berlin lebt von seinem Ruf als Ort mit Freiräumen und Spielflächen. Das Image zieht auch die Touristen an, immerhin Berlins wichtigster "Industrie"zweig.
Ich erlebe Berlin als eine Stadt, die im Vergleich mit Paris deutlich weniger zementiert ist (das gilt sowohl für die Architektur als für Entscheidungswege bzw. Durchlässigkeit der Eliten). Und was die Tempelhofer Randbebauung an S-Bahn-Linie und Autobahn angeht, so fällt mir immer nur der Stoßseufzer ein, der mir regelmäßig angesichts diverser Trumms entfleucht, mit denen die Bauindustrie in diesen Jahrzehnten gemäß der Formel Geschossflächenoptimierung multipliziert mit Gewinnmaximierung geteilt durch Mindeststandards der Bauverordnungen die Stadtlandschaft zustellt: "Und wo bitte bauen wir, wenn wir wieder Geschmack haben?"
Oft wird in der Rückschau Zeit zum Nachdenken als großer Glücksfall empfunden. Die oft vom bürgerlichen Lager gescholtenen Hausbesetzer Kreuzbergs beispielsweise haben im 20. Jahrhundert den großflächigen Abriss alter Wohnquartiere und die Ausrichtung ihrer Standflächen auf den massenhaften Autoverkehr verhindert. Ich bin froh, dass in meiner Nachbarschaft keine sechsspurige Autorennpiste entlangführt und wir nur wenige Problemstandorte wie den Hochhausblock vom 'Neuen Kreuzberger Zentrum' haben. Zur Würdigung der Besetzer der Hinweis auf eine Buchveröffentlichung im Tagesspiegel, das Buch von Lothar Schmid: "Häuserkampf im Berlin der 1980er Jahre" erschien im Berlin Story Verlag.
So, weiter mit den Städteplanern von heute, die mit ähnlichen Argumenten wie noch 2009 üblich aufwarten, es geht um Luft, Klima, Nachhaltigkeit. Ein nicht mehr ganz so neuer urbaner Trend heißt übrigens urban gardening bzw. urban farming, auch dazu bin ich als Sprachmittlerin regelmäßig aktiv, hier dazu ein Webseiteneintrag der Stadt Berlin.
Mal sehen, ob sich die Lexiken kombinieren lassen. Und weg vom Lesen und Lernen hin zur Recherche: Europapolitik-Lexik, allgemeine Trends, FR/DE/EN, hat da jemand was in der Schublade zum Abgleich/Weiterführen?
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Foto: C.E. (Archiv)
Am Sprachberuf liebe ich die Tatsache, dass wir uns ständig weiterbilden. Dieser Tage lese ich viel zum Thema Urbanismus. Dieser Begriff erhält derzeit eine neue Bedeutungsebene, denn innerstädtische grüne Flächen wie Felder, Brachen und Gärten, die künftig auch zur Ernährung der Menschen und Tiere beitragen könnten, werden immer öfter als urbanes Moment empfunden.
Konkret geht es um Klimafragen in Großstädten. Ich bin irritiert, wenn ich in dem Zusammenhang über die Pläne einer Berliner GmbH lesen muss, die im Auftrag des Berliner Senats über 1/3 des Tempelhofer Felds vermarkten (= bebauen) soll. Hier starteten und landeten bis 2008 innerhalb des S-Bahn-Rings Flugzeuge.
Bislang war mein Kenntnisstand der, dass wir diese Freifläche als Lunge Berlins dringend brauchen, konkret: für die Frischluftzufuhr. Vor vielen Jahren schien das die Standardmeinung der Wissenschaft zu sein, die auch häufig publiziert wurde. Hier ein ntv-Bericht von 2009.
Der Sender ntv zitiert Manuela Damianakis, damals Sprecherin der Senatsverwaltung für Stadtentwicklung, über das Kaltluftentstehungsgebiet Flughafenfeld: "Seine Kühlschrank-Funktion muss erhalten werden".
Heute scheinen das viele vergessen zu haben. Im Zusammenhang mit der Tempelhofer Fläche beklagt Historikerin Marion Detjen den Ausverkauf des öffentlichen Raums im FAZ-Blog, auch das ein wichtiger Gedanke: Berlin lebt von seinem Ruf als Ort mit Freiräumen und Spielflächen. Das Image zieht auch die Touristen an, immerhin Berlins wichtigster "Industrie"zweig.
Ich erlebe Berlin als eine Stadt, die im Vergleich mit Paris deutlich weniger zementiert ist (das gilt sowohl für die Architektur als für Entscheidungswege bzw. Durchlässigkeit der Eliten). Und was die Tempelhofer Randbebauung an S-Bahn-Linie und Autobahn angeht, so fällt mir immer nur der Stoßseufzer ein, der mir regelmäßig angesichts diverser Trumms entfleucht, mit denen die Bauindustrie in diesen Jahrzehnten gemäß der Formel Geschossflächenoptimierung multipliziert mit Gewinnmaximierung geteilt durch Mindeststandards der Bauverordnungen die Stadtlandschaft zustellt: "Und wo bitte bauen wir, wenn wir wieder Geschmack haben?"
Oft wird in der Rückschau Zeit zum Nachdenken als großer Glücksfall empfunden. Die oft vom bürgerlichen Lager gescholtenen Hausbesetzer Kreuzbergs beispielsweise haben im 20. Jahrhundert den großflächigen Abriss alter Wohnquartiere und die Ausrichtung ihrer Standflächen auf den massenhaften Autoverkehr verhindert. Ich bin froh, dass in meiner Nachbarschaft keine sechsspurige Autorennpiste entlangführt und wir nur wenige Problemstandorte wie den Hochhausblock vom 'Neuen Kreuzberger Zentrum' haben. Zur Würdigung der Besetzer der Hinweis auf eine Buchveröffentlichung im Tagesspiegel, das Buch von Lothar Schmid: "Häuserkampf im Berlin der 1980er Jahre" erschien im Berlin Story Verlag.
So, weiter mit den Städteplanern von heute, die mit ähnlichen Argumenten wie noch 2009 üblich aufwarten, es geht um Luft, Klima, Nachhaltigkeit. Ein nicht mehr ganz so neuer urbaner Trend heißt übrigens urban gardening bzw. urban farming, auch dazu bin ich als Sprachmittlerin regelmäßig aktiv, hier dazu ein Webseiteneintrag der Stadt Berlin.
Mal sehen, ob sich die Lexiken kombinieren lassen. Und weg vom Lesen und Lernen hin zur Recherche: Europapolitik-Lexik, allgemeine Trends, FR/DE/EN, hat da jemand was in der Schublade zum Abgleich/Weiterführen?
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Foto: C.E. (Archiv)
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Werkstatt
Mittwoch, 8. Januar 2014
le pêle-mêle — der Mischmasch
Hallo! Sie sind auf den Blogseiten einer Französischdolmetscherin gelandet, hier schreibe ich unter Wahrung dienstlicher Geheimnisse über den Berufsalltag. Heute folgt einiges ganz kunterbunt: Nachlese, Lesefrüchte und Filmtipp.
Gestern schrieb ich über eine misslungene Dolmetschanfrage. Die erste Veranstaltung der anrufenden Person war dolmetschtechnisch schiefgelaufen, wir fanden den Grund: Der Kunde hatte weniger als ein Zehntel des Marktpreises für die Dienstleistung bezahlt. Es waren keine Profis am Werk.
Hier und bei ähnlich gelagerten "Anfragen" fällt auf, dass Kulturprojekte, die oft von mehreren Institutionen gemeinsam getragen werden, gern dem schwächsten Partner das Anheuern von Sprachmittlern überlassen. Vermutlich, weil nur sie sagen können, dass kein Geld vorhanden sei, weil sie vielleicht auch jüngere Leute kennen, die wiederum jemanden kennen ... und weil sie unbeeinflusst von Vorkenntnissen ihr Sätzchen frisch abspulen können von der Chance, es doch einmal miteinander auszuprobieren und beim nächsten Mal ist dafür echt richtiges Geld in der Kasse, wirklich jetzt.
So wirkt es mir jedenfalls auf mich. Ich beobachte nur. Vor allem der Kultursektor ist betroffen. Ich streiche bald dieses Fachgebiet, so wie ich Film nur noch selten bearbeite, letztes Jahr: 40 % der Arbeitszeit, dafür nur 15 % der Umsätze. Wobei — hier steigt die Anfragehäufigkeit gerade wieder. Vielleicht spricht sich doch rum, wozu Profis taugen.
Am Montag hatte ich eine Gastautorin, die über eine andere Art des Übersetzens berichtet hat, Elke Zobel. Und genau diese Elke wurde gestern von Susanne Ackstaller, einer anderen Textine (wie sich Texttreff-Wortfrauen nennen), in ihrem Modeblog portraitiert, hier der Link. Den Text finde ich besonders spannend, weil es um "Modesozialisation" geht und Elke in Rumänien und der DDR aufgewachsen ist. (Durch Weiterklicken habe ich gelernt, wie man szeklerisch ausspricht.)
Auch ich habe Montag eine Texterin beschenkt, mir fiel ein Unterschied zwischen Übersetzern und Dolmetschern ein, nachzulesen hier bei Birte Mirbach.
Themenwechsel. Dieser Mann hieß fast wie ein Zinssatz: Mark Lombardi. Zwei meiner Lieblingsgebiete, Wirtschaft und Kunst, hat er genial verbunden. Der deutsch-französische Heimatsender zeigt heute Abend den ihm gewidmeten Dokumentarfilm Mark Lombardi — Kunst und Konspiration von Mareike Wegener, allerdings in einer leicht gekürzten Fassung (21.45 Uhr auf Deutsch, 22h20 en français, danach eine Woche lang auf Arte +7).
In Frankreich darf man sich bis zum 31. Januar noch ein gutes Neues wünschen, das schrieb vor wenigen Tagen Le Figaro, auch hier der Link. Dieser Grußaustausch sei eine Art, die Angestellten zu vereinheitlichen und ihr Zusammengehörigkeitsgefühl durch ein gemeinsames Erlebnis zu stärken, analysiert in dem Beitrag die Arbeitssoziologin Danièle Linhart. Nun denn.
Was für Angestellte gut ist, mag für unsereinen auch gelten. Aus Deutschland kenne ich die Regel mit dem einstelligen Datum, am besten ganz niedrig, und habe als gute Deutsch-Französin gestern meinen Gruß unter dem Datum vom 1.1. versteckt. Die Jalousie, auf der die Berliner Youngsters ihre Buchstaben hinterließen (womit sie ihre Gruppenzugehörigkeit unterstreichen, was Elke so schön als Modefunktion beschreibt), verdeckt bei mir gleich um die Ecke ein Restaurantfenster. Ich musste nur mit Pixlr.com zwei Worte aus dem durchgehenden Schriftzug 'bauen'.
So, rasch weiterlernen. Europa ruft! Nachdem die Bundestagswahl faktisch erst kurz vor Weihnachten mit der Ernennung der neuen Minister beendet wurde, weshalb wir Dolmetscher im Herbst in Sachen Politik fast nichts zu tun hatten, geht diese Woche der Europawahlkampf los. Und Samstag beginnt für uns Berlinale-Dolmetscher auch schon das Filmfestival mit den ersten Pressevorführungen! Wie war das noch, im Alter schnurrt die Zeit zusammen? Oder ist das einfach nur mein dolmetschtypischer Alltagsmischmasch (le pêle-mêle)?
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Foto: C.E. (Wer mit dem Cursor über das
Foto geht, findet die Übersetzung.)
Gestern schrieb ich über eine misslungene Dolmetschanfrage. Die erste Veranstaltung der anrufenden Person war dolmetschtechnisch schiefgelaufen, wir fanden den Grund: Der Kunde hatte weniger als ein Zehntel des Marktpreises für die Dienstleistung bezahlt. Es waren keine Profis am Werk.
Hier und bei ähnlich gelagerten "Anfragen" fällt auf, dass Kulturprojekte, die oft von mehreren Institutionen gemeinsam getragen werden, gern dem schwächsten Partner das Anheuern von Sprachmittlern überlassen. Vermutlich, weil nur sie sagen können, dass kein Geld vorhanden sei, weil sie vielleicht auch jüngere Leute kennen, die wiederum jemanden kennen ... und weil sie unbeeinflusst von Vorkenntnissen ihr Sätzchen frisch abspulen können von der Chance, es doch einmal miteinander auszuprobieren und beim nächsten Mal ist dafür echt richtiges Geld in der Kasse, wirklich jetzt.
So wirkt es mir jedenfalls auf mich. Ich beobachte nur. Vor allem der Kultursektor ist betroffen. Ich streiche bald dieses Fachgebiet, so wie ich Film nur noch selten bearbeite, letztes Jahr: 40 % der Arbeitszeit, dafür nur 15 % der Umsätze. Wobei — hier steigt die Anfragehäufigkeit gerade wieder. Vielleicht spricht sich doch rum, wozu Profis taugen.
Am Montag hatte ich eine Gastautorin, die über eine andere Art des Übersetzens berichtet hat, Elke Zobel. Und genau diese Elke wurde gestern von Susanne Ackstaller, einer anderen Textine (wie sich Texttreff-Wortfrauen nennen), in ihrem Modeblog portraitiert, hier der Link. Den Text finde ich besonders spannend, weil es um "Modesozialisation" geht und Elke in Rumänien und der DDR aufgewachsen ist. (Durch Weiterklicken habe ich gelernt, wie man szeklerisch ausspricht.)
Auch ich habe Montag eine Texterin beschenkt, mir fiel ein Unterschied zwischen Übersetzern und Dolmetschern ein, nachzulesen hier bei Birte Mirbach.
Themenwechsel. Dieser Mann hieß fast wie ein Zinssatz: Mark Lombardi. Zwei meiner Lieblingsgebiete, Wirtschaft und Kunst, hat er genial verbunden. Der deutsch-französische Heimatsender zeigt heute Abend den ihm gewidmeten Dokumentarfilm Mark Lombardi — Kunst und Konspiration von Mareike Wegener, allerdings in einer leicht gekürzten Fassung (21.45 Uhr auf Deutsch, 22h20 en français, danach eine Woche lang auf Arte +7).
In Frankreich darf man sich bis zum 31. Januar noch ein gutes Neues wünschen, das schrieb vor wenigen Tagen Le Figaro, auch hier der Link. Dieser Grußaustausch sei eine Art, die Angestellten zu vereinheitlichen und ihr Zusammengehörigkeitsgefühl durch ein gemeinsames Erlebnis zu stärken, analysiert in dem Beitrag die Arbeitssoziologin Danièle Linhart. Nun denn.
Was für Angestellte gut ist, mag für unsereinen auch gelten. Aus Deutschland kenne ich die Regel mit dem einstelligen Datum, am besten ganz niedrig, und habe als gute Deutsch-Französin gestern meinen Gruß unter dem Datum vom 1.1. versteckt. Die Jalousie, auf der die Berliner Youngsters ihre Buchstaben hinterließen (womit sie ihre Gruppenzugehörigkeit unterstreichen, was Elke so schön als Modefunktion beschreibt), verdeckt bei mir gleich um die Ecke ein Restaurantfenster. Ich musste nur mit Pixlr.com zwei Worte aus dem durchgehenden Schriftzug 'bauen'.
So, rasch weiterlernen. Europa ruft! Nachdem die Bundestagswahl faktisch erst kurz vor Weihnachten mit der Ernennung der neuen Minister beendet wurde, weshalb wir Dolmetscher im Herbst in Sachen Politik fast nichts zu tun hatten, geht diese Woche der Europawahlkampf los. Und Samstag beginnt für uns Berlinale-Dolmetscher auch schon das Filmfestival mit den ersten Pressevorführungen! Wie war das noch, im Alter schnurrt die Zeit zusammen? Oder ist das einfach nur mein dolmetschtypischer Alltagsmischmasch (le pêle-mêle)?
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Foto: C.E. (Wer mit dem Cursor über das
Foto geht, findet die Übersetzung.)
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Link der Woche,
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Dienstag, 7. Januar 2014
Wortschatzarbeit
Willkommen auf den Blogseiten einer Französischdolmetscherin. Neben der Konferenz- und Messearbeit übersetze ich auch, und zwar Treatments und Drehbücher, Projektkonzepte und Finanzierungspläne. Hier blogge ich seit Februar 2007.
Wortschatzarbeit ist das A und O unserer Tätigkeit. Dazu freuen wir uns immer über Hinweise und Material von unseren Kunden. Dann beginnt der unsichtbare Teil unserer Arbeit: Hintergründe lesen, Zusammenhänge verstehen, Lexiken aufbauen, abgleichen, ergänzen, denn wir arbeiten hier oft mit dem Kollegen oder der Kollegin aus der Kabine eng zusammen.
Dass unsere Vorbereitungsarbeit
auch das Lernen von Redewendungen, das Lesen und Verwalten von Dokumenten wie Zeitungsausschnitten oder eigens erstellten Datenbanken einschließt, mag einleuchten. Dass viele unserer Kunden sich dieser Vorarbeiten nicht bewusst sind, leider ebenso.
Wir sind ja in der Vorbereitungszeit nicht für sie sichtbar. Aber es wie mit diesem abgebildeten Wortschatz hier, der mir vor einiger Zeit in einem Hamburger Schaufenster auffiel: Mit Schlagschatten ist nur Wortsatz lesbar, normal belichtet ist der Wortschatz erkennbar, das Bild oszilliert aber in Richtung Wortsatz. Mit sehr viel Licht, ja einer Überbelichtung, sind die sonst hellen Teile zum Teil wie ausgefressen, das Wort ist aber eindeutig.
Mit der Lernerei ist es wie mit den Kontrasten: Je mehr wir wissen, desto mehr können wir das Gehörte in der anderen Sprache als Eindruck rekonstruieren, hier: den schillernden Effekt nachbauen. Bei einer oberflächlichen Beschäftigung mit einem Thema, wenn die akustischen Bedingungen des Einsatzes schlecht sind oder der Redner in Rekordtempo durch ein geschriebenes Manuskript eilt, gibt es allerdings nur einen flüchtigen Eindruck wie von einem unterbelichteten Bild, oder aber es fehlt die Zweideutigkeit und die hellen Partien sind hässlich verfärbt bzw. nicht erkennbar.
Manchen Kunden lässt sich diese einfache Erkenntnis allerdings nicht vermitteln. Letztes Beispiel: Eine 1,5-stündige Talkshow zu einem aktuellen politischen Thema, im Rahmen von Theaterarbeit soll die Debatte über einen Internetkanal verbreitet werden, es werden zwei Leute für je 375 Euro angefragt.
Das Vorgängerteam bekam insgesamt 250, "leider war das Ergebnis nicht verwendbar!" Wir wundern uns, dass man so viel Großzügigkeit und "nur" 1,5 Stunden netto nicht einen Vierteltagessatz aufgerufen hat.
Profis rechnen so: Voller Dolmetschtag, 750 Euro je Person, da eine Woche Vorbereitung nötig ist. Dieses Honorar müsste zudem je Nase mal zwei gerechnet werden — für die Übertragung der Nutzungsrechte. Für den Kunden wären das 3000 Euro statt der beim ersten Einsatz bezahlten 250 Euro, also mehr als zehn Mal so viel, wie die Veranstalter ursprünglich veranschlagt hatten.
Der Job inklusive richtiger Vorbereitung macht ca. 43 Stunden Arbeit nötig. Bei den anschließend angebotenen 375 Euro pro Person kommen wir auf 8,72 €. Das liegt schon mal über Mindestlohn für Nicht- oder Geringqualifizierte, super!
Abgesagt. Irgendein Berufsanfängerteam wird sich da wohl leider reinreiten.
So, weiterlernen für den nächsten gutbezahlten Dolmetscheinsatz. Tagsüber habe ich Kostenvoranschläge geschrieben, mich gewundert ... und Kernthesen eines Interviews exzerpiert. Am Rande hier noch der Tagesumsatz: Null Euro, weil es Vorbereitung bzw. Nacharbeiten waren.
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Foto/Montage: C.E.
auch das Lernen von Redewendungen, das Lesen und Verwalten von Dokumenten wie Zeitungsausschnitten oder eigens erstellten Datenbanken einschließt, mag einleuchten. Dass viele unserer Kunden sich dieser Vorarbeiten nicht bewusst sind, leider ebenso.
Wir sind ja in der Vorbereitungszeit nicht für sie sichtbar. Aber es wie mit diesem abgebildeten Wortschatz hier, der mir vor einiger Zeit in einem Hamburger Schaufenster auffiel: Mit Schlagschatten ist nur Wortsatz lesbar, normal belichtet ist der Wortschatz erkennbar, das Bild oszilliert aber in Richtung Wortsatz. Mit sehr viel Licht, ja einer Überbelichtung, sind die sonst hellen Teile zum Teil wie ausgefressen, das Wort ist aber eindeutig.
Mit der Lernerei ist es wie mit den Kontrasten: Je mehr wir wissen, desto mehr können wir das Gehörte in der anderen Sprache als Eindruck rekonstruieren, hier: den schillernden Effekt nachbauen. Bei einer oberflächlichen Beschäftigung mit einem Thema, wenn die akustischen Bedingungen des Einsatzes schlecht sind oder der Redner in Rekordtempo durch ein geschriebenes Manuskript eilt, gibt es allerdings nur einen flüchtigen Eindruck wie von einem unterbelichteten Bild, oder aber es fehlt die Zweideutigkeit und die hellen Partien sind hässlich verfärbt bzw. nicht erkennbar.
Manchen Kunden lässt sich diese einfache Erkenntnis allerdings nicht vermitteln. Letztes Beispiel: Eine 1,5-stündige Talkshow zu einem aktuellen politischen Thema, im Rahmen von Theaterarbeit soll die Debatte über einen Internetkanal verbreitet werden, es werden zwei Leute für je 375 Euro angefragt.
Das Vorgängerteam bekam insgesamt 250, "leider war das Ergebnis nicht verwendbar!" Wir wundern uns, dass man so viel Großzügigkeit und "nur" 1,5 Stunden netto nicht einen Vierteltagessatz aufgerufen hat.
Profis rechnen so: Voller Dolmetschtag, 750 Euro je Person, da eine Woche Vorbereitung nötig ist. Dieses Honorar müsste zudem je Nase mal zwei gerechnet werden — für die Übertragung der Nutzungsrechte. Für den Kunden wären das 3000 Euro statt der beim ersten Einsatz bezahlten 250 Euro, also mehr als zehn Mal so viel, wie die Veranstalter ursprünglich veranschlagt hatten.
Der Job inklusive richtiger Vorbereitung macht ca. 43 Stunden Arbeit nötig. Bei den anschließend angebotenen 375 Euro pro Person kommen wir auf 8,72 €. Das liegt schon mal über Mindestlohn für Nicht- oder Geringqualifizierte, super!
Abgesagt. Irgendein Berufsanfängerteam wird sich da wohl leider reinreiten.
So, weiterlernen für den nächsten gutbezahlten Dolmetscheinsatz. Tagsüber habe ich Kostenvoranschläge geschrieben, mich gewundert ... und Kernthesen eines Interviews exzerpiert. Am Rande hier noch der Tagesumsatz: Null Euro, weil es Vorbereitung bzw. Nacharbeiten waren.
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Foto/Montage: C.E.
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Montag, 6. Januar 2014
Deutsch-nach-Deutsch mit Tücken
Am Dreikönigstag endet hierzulande die Weihnachtszeit. In Spanien aber bekommen Kinder am 6. Januar ihre Weihnachtsgeschenke, und ich präsentiere heute stolz mein letztes Geschenk der Winterzeit, das leider etwas warten musste. Im weltbesten Netzwerk professioneller Texterinnen, dem „Texttreff“, gibt es in den Winterwochen die schöne Tradition des Blogwichtelns: Jeweils zwei Bloggerinnen wechseln, einander zugelost, die Fachgebiete, in denen sie sonst im Kundenauftrag ihren Lebensunterhalt verdienen, und verfassen Texte der anderen Art. Weil Europa groß ist, reisen wir nach Rumänien, merci bien, chère Elke!
Zum zweiten Mal habe ich meinen eher privaten Netz-Notizblock „Heimatkonstruktionen“ in den großen Loshut werfen lassen. Und wie's der Zufall so wollte — diesmal wurde ich ins Dolmetscherinnen- und Übersetzerinnenlager hineinkatapultiert! Bonjour, Caroline!
Was nun? Als Fachjournalistin für technische Themen habe ich in meinem normalen Berufsalltag rein gar nichts mit Übersetzungen zu tun. Meine Schreibtätigkeit besteht vor allem daraus, dass ich Texte ent-„ung“e und de-„tion“iere. Ich wecke Verben aus dem Wachkoma, treibe Stichwortlisten die Magersucht aus und verordne schwergewichtigen Wortmonstern eine Diät.
Es ist eine Art Ton-in-Ton-Stickerei, ich verarbeite deutschsprachige Rohtexte zu deutschsprachigen Liefertexten, Deutsch-nach-Deutsch. Aber kann man das nicht auch anders sehen? Übersetze ich etwa nicht Tag für Tag Ingenieurdeutsch ins Handwerkerdeutsche? Mache aus der „Applikation eines Metallstiftes in eine Horizontalfläche, die mittels eines neuartigen Schlagtools soundoptimiert erfolgt“ ein einfaches: „Mit diesem Hammer können Sie den Nagel jetzt leiser in die Wand schlagen“?
Dafür muss ich mehrere Fachterminologien, Sprachebenen, Branchensoziolekte beherrschen, aufeinander beziehen, ineinander übertragen können. Und die Quell- und die Zielkultur sind ähnlich unterschiedlich wie bei der Übertragung eines Textes aus, zum Beispiel, dem Rumänischen ins Deutsche. Ein solcher Vergleich liegt für mich nahe, denn ich bin mit diesen beiden Sprachen aufgewachsen. Wenn mein Rumänisch heute auch recht eingerostet ist, habe ich es doch als Zweit- und Landessprache gelernt und nie als Fremdsprache empfunden. Und ich weiß nicht erst seit meinem Gaststudium bei den angehenden Sprachmittlerinnen der Rumänistik an der Universität Leipzig, dass mehr zum Übersetzen und Dolmetschen gehört als die Kenntnis beider Sprachen.
Wir hatten in den Seminaren sowohl Doppelsprachlerinnen als auch Leute, die eine der beiden Sprachen als Fremdsprache erlernt hatten. So erlebten wir oft, dass gerade wir Doppelsprachlichen uns schwer taten, einen Sachverhalt aus der einen Sprache in die andere zu befördern, nicht obwohl, sondern gerade weil wir ihn in der einen Sprache so gut (zu gut?) verstanden. Und weil wir wussten, dass es eine Entsprechung nicht nur in der jeweils anderen Sprache, sondern auch in der jeweils anderen Kultur, dem jeweils anderen Regelsystem, so nicht gab. Die Fremdsprachlerinnen waren da unbefangener: Sie wählten einfach das Zweitbeste (vielleicht auch das Drittbeste), und sie konnten überzeugend erklären, warum sie das taten. Wurden wir als Doppelsprachlerinnen dagegen nach dem Warum gefragt, mussten wir oft passen. Es „klang“ halt besser. Wir lagen meist richtig mit unseren Ideen, aber vermitteln konnten wir sie selten.
Auch Deutsch-nach-Deutsch-Muster, fällt mir dabei ein, sind übrigens nicht immer problemlos vermittelbar. Gerade Leute, die ihr Deutsch außerhalb der deutschsprachigen Kerngebiete gelernt haben, beherrschen gelegentlich mehr Synonyme als Menschen, die in einer dieser Regionen aufgewachsen sind und den Regiolekt ihrer Umgebung für die einzig richtige Sprachvarietät halten. Das kann zu Missverständnissen führen, wenn nämlich der Mensch, der für eine Sache drei (deutschsprachige!) Begriffe kennt, aber nicht weiß, welche Vokabel in welcher Region gebräuchlich ist, das „falsche“ (= regional ungebräuchliche) Wort wählt, um die Sache zu bezeichnen. Ein Beispiel ist die Bezeichnung für Johannisbeeren, die in Österreich Ribisel, in Baden-Württemberg aber Träuble heißen: Wer auf der Schwäbischen Alb Johannisbeeren will und auf Nachfrage erklärt, dass er oder sie „Ribisel“ meint, wird als Dummkopf wahrgenommen, denn „richtig“ wäre nur „Träuble“ gewesen …
Wenn ich bedenke, wie viele derartiger Feinheiten Dolmetscherinnen und Übersetzerinnen beherrschen müssen, wenn sie ihren Beruf ausüben wollen, kann ich nur sagen: „Chapeau!“ Was ich mit „Hut ab“ übersetzen würde. Liege ich sehr daneben? Dann schiebe ich ein „Sorry“ nach und meine: „Tut mir leid“. Und um keine weiteren Fehler zu machen, verabschiede ich mich mit einem freundlichen „Sărbători fericite“ in meine Plätzchenbäckerei. Das heißt wörtlich „glückliche Feiertage“ und gilt auf Rumänisch unter anderem als Weihnachtsgruß. Obwohl „Weihnachten“ eigentlich „Crăciun“ hieße. Und „fröhlich“ „vesel“ wäre. Ja, man kann auch „Crăciun vesel“ sagen, aber in der Gegend, in der ich aufgewachsen bin, tut man es nicht. Übersetzen bedeutet eben kaum jemals einfach nur Vokabelntauschen.
Elke H. Zobel (elk) Redaktionsbüro / Public Relations und Verlag GmbH
Nonnenstraße 21/103 * 04229 Leipzig
Tel. / Mail 0341 / 25 34 850 * info@elk-prverlag.de
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Foto: elk
Zum zweiten Mal habe ich meinen eher privaten Netz-Notizblock „Heimatkonstruktionen“ in den großen Loshut werfen lassen. Und wie's der Zufall so wollte — diesmal wurde ich ins Dolmetscherinnen- und Übersetzerinnenlager hineinkatapultiert! Bonjour, Caroline!
Der steinige Weg zum richtigen Wort |
Es ist eine Art Ton-in-Ton-Stickerei, ich verarbeite deutschsprachige Rohtexte zu deutschsprachigen Liefertexten, Deutsch-nach-Deutsch. Aber kann man das nicht auch anders sehen? Übersetze ich etwa nicht Tag für Tag Ingenieurdeutsch ins Handwerkerdeutsche? Mache aus der „Applikation eines Metallstiftes in eine Horizontalfläche, die mittels eines neuartigen Schlagtools soundoptimiert erfolgt“ ein einfaches: „Mit diesem Hammer können Sie den Nagel jetzt leiser in die Wand schlagen“?
Dafür muss ich mehrere Fachterminologien, Sprachebenen, Branchensoziolekte beherrschen, aufeinander beziehen, ineinander übertragen können. Und die Quell- und die Zielkultur sind ähnlich unterschiedlich wie bei der Übertragung eines Textes aus, zum Beispiel, dem Rumänischen ins Deutsche. Ein solcher Vergleich liegt für mich nahe, denn ich bin mit diesen beiden Sprachen aufgewachsen. Wenn mein Rumänisch heute auch recht eingerostet ist, habe ich es doch als Zweit- und Landessprache gelernt und nie als Fremdsprache empfunden. Und ich weiß nicht erst seit meinem Gaststudium bei den angehenden Sprachmittlerinnen der Rumänistik an der Universität Leipzig, dass mehr zum Übersetzen und Dolmetschen gehört als die Kenntnis beider Sprachen.
Wir hatten in den Seminaren sowohl Doppelsprachlerinnen als auch Leute, die eine der beiden Sprachen als Fremdsprache erlernt hatten. So erlebten wir oft, dass gerade wir Doppelsprachlichen uns schwer taten, einen Sachverhalt aus der einen Sprache in die andere zu befördern, nicht obwohl, sondern gerade weil wir ihn in der einen Sprache so gut (zu gut?) verstanden. Und weil wir wussten, dass es eine Entsprechung nicht nur in der jeweils anderen Sprache, sondern auch in der jeweils anderen Kultur, dem jeweils anderen Regelsystem, so nicht gab. Die Fremdsprachlerinnen waren da unbefangener: Sie wählten einfach das Zweitbeste (vielleicht auch das Drittbeste), und sie konnten überzeugend erklären, warum sie das taten. Wurden wir als Doppelsprachlerinnen dagegen nach dem Warum gefragt, mussten wir oft passen. Es „klang“ halt besser. Wir lagen meist richtig mit unseren Ideen, aber vermitteln konnten wir sie selten.
Auch Deutsch-nach-Deutsch-Muster, fällt mir dabei ein, sind übrigens nicht immer problemlos vermittelbar. Gerade Leute, die ihr Deutsch außerhalb der deutschsprachigen Kerngebiete gelernt haben, beherrschen gelegentlich mehr Synonyme als Menschen, die in einer dieser Regionen aufgewachsen sind und den Regiolekt ihrer Umgebung für die einzig richtige Sprachvarietät halten. Das kann zu Missverständnissen führen, wenn nämlich der Mensch, der für eine Sache drei (deutschsprachige!) Begriffe kennt, aber nicht weiß, welche Vokabel in welcher Region gebräuchlich ist, das „falsche“ (= regional ungebräuchliche) Wort wählt, um die Sache zu bezeichnen. Ein Beispiel ist die Bezeichnung für Johannisbeeren, die in Österreich Ribisel, in Baden-Württemberg aber Träuble heißen: Wer auf der Schwäbischen Alb Johannisbeeren will und auf Nachfrage erklärt, dass er oder sie „Ribisel“ meint, wird als Dummkopf wahrgenommen, denn „richtig“ wäre nur „Träuble“ gewesen …
Wenn ich bedenke, wie viele derartiger Feinheiten Dolmetscherinnen und Übersetzerinnen beherrschen müssen, wenn sie ihren Beruf ausüben wollen, kann ich nur sagen: „Chapeau!“ Was ich mit „Hut ab“ übersetzen würde. Liege ich sehr daneben? Dann schiebe ich ein „Sorry“ nach und meine: „Tut mir leid“. Und um keine weiteren Fehler zu machen, verabschiede ich mich mit einem freundlichen „Sărbători fericite“ in meine Plätzchenbäckerei. Das heißt wörtlich „glückliche Feiertage“ und gilt auf Rumänisch unter anderem als Weihnachtsgruß. Obwohl „Weihnachten“ eigentlich „Crăciun“ hieße. Und „fröhlich“ „vesel“ wäre. Ja, man kann auch „Crăciun vesel“ sagen, aber in der Gegend, in der ich aufgewachsen bin, tut man es nicht. Übersetzen bedeutet eben kaum jemals einfach nur Vokabelntauschen.
Elke H. Zobel (elk) Redaktionsbüro / Public Relations und Verlag GmbH
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